deine Erklärung besagt um Grunde nur, dass das optimale (Rollen)Spiel rein narrativ erfolgen sollte, sogar muss, da eine Abweichung von Regeln in Form eines abgewandelten Würfelwurfes einen Regelbruch und somit zwangsläufig Anarchie, im Kontext also keinen Bedarf an Regeln, zur Folge hat?
Gewagte These. Allerdings schlüssig in ihrer Konsistenz.
Schlüssig, aber nicht ganz was ich meinte.
Ich bin keineswegs der Meinung, dass Rollenspiel rein narrativ sein muss. Es kann rein narrativ sein, was dann natürlich die Regelthematik völlig beseitigt, aber ich setze es nicht voraus. Für mich ist es vor allem eine Legitimationsfrage. Funktionieren die Regeln in 99% aller Fälle? Wenn ja, dann sind es gute Regeln. Wenn nein, dann versagen wahlweise Regeln, Spielleiter, Gruppe, oder alles auf einmal.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wann immer ein Spielleiter einen Wurf fudgen muss, dann...
1. ...hat er vorher etwas falsch gemacht das er jetzt zu fixen sucht.
2. ...hat der Regelautor eine unzureichende oder schlechte Regel aufgestellt.
3. ...hat der Regelautor eine gute Regel unzureichend oder falsch kommuniziert.
4. ...haben Spieler oder Spielleiter den sozialen Kontrakt des Spiels gebrochen.
5. ...ist irgendwas anderes im Argen.
Man sollte überhaupt nur würfeln, wenn A oder B interessant sind. Wenn eines von zwei möglichen Ergebnissen ohnehin nicht erwünscht ist nutzt auch ein Würfelwurf nichts. Dann ist es besser zu entscheiden. Wenn scheitern ohnehin nicht sein darf sollte man einfach entscheiden das es klappt und dann erzählen wie es klappt. Wenn es ohnehin nicht gelingen darf ist es besser zu sagen "Das schaffst du vermutlich nicht und es wäre auch sehr gefährlich es zu versuchen". Wenn der Würfelwurf aber gar nicht als Zufallsfaktor erwünscht ist wäre man ein Narr würfeln zu lassen. Wozu die Zeitverschwendung?
Wenn ich als Spielleiter nicht will das ein Charakter stirbt, weil er von einem Baum fällt, weshalb verlange ich dann einen Würfelwurf? Und warum sichere ich mich nicht ab und erwähne von Anfang an wie der Baum auf federndem Waldboden wächst, aus dessen dicker Moosschicht er aufragt und wie es schwierig ist zwischen den abwechselnd überlappenden Zweigen hinaufzugelangen? Wenn der Charakter dann abstürzt habe ich bereits vorausgesät, dass er weich fallen wird und sein Sturz auch noch gebremst werden wird. Und überthaupt. Wo steht geschrieben das eine vermasselte Probe zwingend einen Absturz bedeutet? Selbst ein Patzer kann bedeuten das der Charakter lediglich festsitzt und nicht vorankommt, sich verfangen hat, oder sowas. Auch ein Wadenkrampf, der ihn dazu zwingt auf einem Ast zu hocken bis er wieder klettern kann ist eine Option. Und wenn er stürzt ist es besser Trades zu verwenden, anstatt Würfe zu fudgen. Ich kann auf 3w6 Schaden die 15 ergeben zwar was geringeres lügen, aber ich kann auch von Anfang an sagen "Du könntest einen Ast packen und 2 SP Schaden an der Hand hinnehmen. Dafür würde der Sturzschaden halbiert". Damit hätte ich das Endergebnis bereits deutlich gesenkt, völlig unabhängig davon wie es ausfällt. Obendrein hat der Spieler eine weitere Entscheidung, de er treffen kann. Und wenn ein Spieler mehrfach Fehlentscheidungen hintereinander trifft, dann auch noch beim Würfeln Pech hat und dann auch noch der SL unvorteilhaft würfelt, dann muss auch was drastisches passieren. Sonst führt man das ganze System ad absurdum.
Außerdem gibt es durchaus Spieler denen die gamistischen Komponenten, also das Spielen eines Gesellschaftsspiels, wichtig sind. Wenn man die Regeln Fudged betrügt man diese Spieler um ihren Spielinhalt und beschädigt das Fundament.
Ich selbst brauche die meisten gamistischen Regeln nicht, weil ich keine Freude an ihnen habe. Ich mag nur gute Regeln und nur sehr wenige erfüllen meine Ansprüche. Daher bin ich besser damit aufgehoben rein narrativ zu spielen. Auch da gibt es jedoch eine Menge Regeln, nur sind das andere Arten von Regeln. Soziale Regeln, dramaturgische Regeln, etc. Und auch bei denen sollte man so wenig mogeln wie möglich.
Dummerweise leben wir nicht in einer idealen Welt und spielen keine idealen Spiele. Wenn ich mich also innerhalb eines Systems bewegen muss, von dem ich weiß wie fehlerhaft es ist, dann ist es besser zu manipulieren, als zu eskalieren, wenn es zu entgleisen droht. Man sollte das aber schnellstmöglich thematisieren und wahlweise die Regeln austauschen, modifizieren, oder das Vorgehen legitimieren. Sobald es legitimiert ist stellt es jedoch keinen Betrug, bzw. keine Fälschung mehr dar, sondern ist eine gewollte Modifikation zur Vermeidung von Systemfehlern. Dann ist es automatisch völlig okay. Aber dennoch schade und eher eine Notlösung. Manche Leute hängen aber an Regeln, sogar an schlechten.