Hallo liebe DSA-Gemeinde und hoffentlich auch liebe DSA-Redaktion.
Ich habe mir lange überlegt, ob ich das hier überhaupt schreiben soll, denn das Netz ist randvoll von Leuten, die mosern, aber es geht hier um das Rollenspiel, mit dem ich aufgewachsen bin und ich habe nicht nur den Eindruck, ich sehe gerade zu, wie es entgleist, sondern auch auf einen großen, stabilen, alten Baum zuschießt. Ich denke mir dafür ist mal ein ausführlicher und möglichst sachlicher Meckerpost in Ordnung und ich habe mir extra einen Zugang hier auf Orkenspalter.de dafür erstellt. Das kommt auch günstiger als nur zum Meckern auf die Dreieich-Con zu fahren - da hätte ich mich auch deutlich kürzer fassen müssen.
Damit meine ich nicht die Publikation von DSA5 per se.
DSA4(.x) war abgeschlossen, alle Regelbereiche abgedeckt und alle Regionen neu und (damals) aktuell beschrieben, es gab also für DSA4 nichts mehr zu veröffentlichen. Wenn man nichts neues zu verkaufen hat, macht man keinen Umsatz und ich denke jeder, der eins und eins zusammen zählen kann, versteht, dass sowohl im Verlag als auch bei den Autoren selbst, jeder morgen gerne wieder Brötchen auf dem Teller haben möchte. Ich bin also niemand der schreit "Schon wieder alle Regelbücher neu? Das ist Abzocke!" - denn das ist es nicht.
Ich kritisiere folglich nicht die Existenz von DSA5 sondern die Umsetzung - und noch ein bisschen mehr, aber dazu später...
Was ist also Faul an DSA5 bzw was waren die Ziele, die sich die DSA-Red gesetzt hat mit DSA5 und konnten diese eingehalten werden?
Nun, fangen wir beim (entschuldigt meine Wortwahl) beknacktesten Ziel an.
Man braucht zum Spielen nur das neue Basisregelwerk.
Ja sicher. Diese Aussage trifft auch auf alle bisher erschienenen Basisregelwerke zu, auf jedem Fall auf alle von DSA3 ab - DSA2 war vor meiner Zeit.
Aber zum ordentlich spielen braucht man deutlich mehr. Was will ich mit einem Magier, der auf die paar Sprüche begrenzt ist, die in den Basisregeln stehen, wenn ich doch WEISS, wie viele verschiedene Zauber es in Aventurien gibt, die Magieren zugänglich, aber bei weitem nicht alle in den Basisregeln abgedeckt sind.
Was will ich mit einem Krieger, dem die Hälfte der erlernbaren SF und Manöver fehlen und so weiter und so weiter.
Aber dass das so ausgeht, war mir von Anfang an klar, denn wenn man wirklich einen Band mit allen Regeln herausbringen wollte, bräuchte man einen Folinten im A3 Format und der wäre immernoch 10cm dick, selbst wenn man 50g-Papier dafür verwendet.
Das liegt einfach in der Natur von DSA, Streamlining (siehe unten) hin oder her, Jeder Zauber will samt Varianten beschrieben werden, genau wie jede Liturgie, jedes Ritual und jede Sonderfertigkeit. Und da haben wir noch keine (eh in Basisbänden knappen) Regionalbeschreibungen, Flora und Fauna, Alchemischen Substanzen und Rezepturen...
Was mich dabei stört ist die fehlende Differenzierung - Zum grundlegenden Spielen und zum kennenlernen des Systems braucht man nur das Basiswerk. Um DSA in seinem vollen Umfang erfahren zu können, braucht es weit, weit mehr.
DSA soll vereinfacht werden.
Ob man vereinfachen gut findet ist eine Geschmacksfrage, ich habs gerne umfangreich mit vielen Möglichkeiten. Aber ich bin nicht der einzige der DSA spielt, also stattgegeben.
Nur leider hat die Vereinfachung nicht geklappt. Ja, die Ausdauer und ein paar Kampftalente sind weggefallen, dafür sind haufenweise Zustände, sekundäre Eigenschaften, andere Talente usw. dazugekommen.
Das Argument "Potenzielle neue Spieler werden durch die Regelfülle von DSA abgeschreckt" zieht nicht, denn es wurde nicht berücksichtigt. Die Regeln sind nicht weniger geworden, nur anders - selbst ob sie einfacher geworden sind bezweifle ich.
Dabei hat man eine der Erkennungsmerkmale für DSA, die aktive Parade völlig grundlos total kastriert. Was bringt es mir als Held, dass ich mehrere Paraden pro KR machen kann, wenn sie eh fast immer scheitert, weil ich über einen Wert von 10 nicht raus komm?
Ich rieche schon das Argument "Wenn 2 versierte Kämpfer gegeneinander kämpfen dauert das sonst ewig" und das ist schlicht nur dann wahr, wenn keiner der beiden Manöver benutzt.
Jetzt sind sowohl meine möglichen Manöver in der Effektivität stark eingeschränkt (es gibt meist nurnoch 3 fetstgelegte Stufen), meine Parade ist es auch. Beides Änderungen, die meines Ermessens nach völlig unnötig waren. Würde ich wenigstens sehen können, was damit erreicht werden sollte...
Das andere Erkennungsmerkmal ist die 3-Würfel-Probe auf Talente, Zauber usw.
Daran wurde zwar auch herumgeschnippelt, aber das Ergebnis ist nicht so abweichend vom Ausgangspunkt. Warum ich jetzt die Benennung von Erschwernis und Erleichterung umdrehen muss leuchtet mir trotzdem nicht ein, aber auch das ist wohl eher eine Geschmacksfrage - für uns werden um 3 erschwerte Proben wohl immer Proben +3 bleiben und um 3 erleichterte Proben -3.
Die Regeln sollen vereinheitlicht werden (Streamlining)
Hier sehe ich wenigstens den Gedanken hinter der Sache und die Regeln möglichst zu Vereinheitlichen ist etwas, was DSA4 dringend brauchte. Man muss nicht jedesmal nachschauen "Wie war denn das bei dieser Liturgie..." Nein, alles - Talente, Liturgien und Zauber verwenden das gleiche (Talent-) System bei dem die übrig behaltenen Punkte die Qualität der Wirkung beschreiben. Hört sich super an, aber leider funktioniert es, so wie es umgesetzt ist, nicht immer - Zugegeben aber meistens. Das Tap*/3=QS System versagt bei der Heilkunde z.B. Was aber viel drastischer ist, ist dass damit die Liturgien praktisch wie im D&D zur Karmalzauberei reduziert werden. Dort heißen sie sogar Zauber, aber in DSA legte man bisher Wert darauf dass alles göttliche Wirken eben ein Hauch von Mystik und eben nicht in feste Korsetts gepresste Regularien herrschen. Dieses Opfer nimmt man hier in Kauf.
Man erkennt also deutlich, dass die gesteckten Ziele größtenteils nicht erfüllt wurden. Gute Ideen, schlechte Umsetzung oder unklare Kommunikation, manchmal vielleicht beides.
Die nächste Frage die ich mir stelle ist:
Wie kommt es dass das fertige DSA5 so massiv vom vorher veröffentlichten Beta-Regelwerk abweicht?
In der Softwareentwicklung wie auch hier ist eine Beta-Version ein fast fertiges Produkt, bei dem nur noch der Feinschliff fehlt. Dazu gehört aber nicht das Gerüst nochmal mit der Abrissbirne zu bearbeiten und komplett neu zu machen. Genau das scheint aber bei DSA5 passiert zu sein. Es ist sicher eine Geschmacksfrage, aber ich persönlich empfand das Beta Regelwerk als deutlich angenehmer, auch wenn ich auch da schon die angekündigte Reduktion der Komplexität vermisst habe, aber auf die lege ich als alter DSA-Hase, der DSA4 gemeistert hat ohnehin nicht so viel wert.
Zurück zum fertigen DSA5:
Formulierungen und Regelklarheit
Ich weiß nicht, ob es nur unserer Gruppe so geht, aber nach den aktuellen Regeln ist uns nicht klar, ob eine "Zeitangabe" bei z.B. Zaubern die mit "2 Aktionen" beschrieben ist, wie in DSA4 nach einer KR zum tragen kommt oder nach zwei, denn wenn auch jeder Charakter weiterhin Agieren und Reagieren darf, ist nur das Agieren auch als Aktion beschrieben. Das würde bedeuten dass 2 Aktionen 2 KR entsprächen. Warum steht das dann nicht so da? Zählt die Reaktion für solche Fälle doch als Aktion? Wir haben dafür eine Hausregel angelegt, aber da wäre einfach eine klarere Sprache wünschenswert. Und das ist nicht das einzige Beispiel - nur eben das einzige, das mir aus dem Stehgreif einfällt.
Prioritäten und Bedarfsreflektion der Redaktion
DSA 5 ist jetzt schon eine geraume Zeit auf dem Markt und die Regeln sind noch nicht komplett. Insbesondere die Magieregeln sind in 3 Bände zerhackt worden (soviel zu "ihr braucht nur das Basisbuch"...) Aber statt die am häufigsten vertretenen oder gespielten Zauberer in die ersten Bücher zu packen, warten wir bis heute z.B. auf Hexen. Dafür können wir Zaubertrommler und -tänzer spielen als gäbe es kein morgen. Nur wollen deutlich mehr Spieler Druiden und Hexen spielen... Selbst wenn man das selbst anders sieht, sollte man doch ein kleines Ohr auf die Spielergemeinde haben um das schnell erfassen zu können. Ja, ich weiß, ihr wollt sicher auch DSA spielen in der Redaktion, aber im großen ganzen schreibt ihr das für uns, die Mehrzahl der Spieler.
Aber das ist noch nicht die Krone. Nein, der letzte Magieband lässt noch auf sich warten und ihr bringt "Wege der Vereinigung" auf den Markt. Ich habe die Magieregeln noch nicht fertig, bringe aber schonmal ein Buch raus, wie ich regelgerecht in Aventurien vögeln kann. Seid mir nicht böse, aber das erweckt irgendwie den Eindruck als wäre das Durchschnittsalter der Redaktion etwa 14. Und ja, ich bin mir sicher, dass der Band weit mehr als "Bumsregeln" enthält. Trotzdem ist mir nichtmal ansatzweise klar, wie man den Erscheinungstermin eines solchen Werkes VOR die Vollendung der Kernregeln stellen kann.
Wenn ihr nach Abschluss der Regeln so etwas auf den Markt geworfen hättet, hätt ich mit den Achseln gezuckt und gesagt "wers braucht..." Aber so ist das nicht weniger als eine Beleidigung an alle Spieler, die endlich ihre Hexe spielen wollen. Wer in dreiteufelsnamen dachte, dass das eine gute Idee ist?!?
Damit komme ich zum Ende der Kritik am aktuellen Regelsystem, bin aber noch nicht fertig.
Allerdings darf sich an der folgenden Kritik ein deutlich größerer Kreis erfreuen als nur die aktuelle Redaktion, denn vieles von dem geht auch auf die Kappe von Autoren, die schon eine Weile nicht mehr dabei sind, denn meiner Meinung nach ist es für DSA, statt neuer Regeln herauszubringen viel wichtiger...
Mal den Hintergrund deutlich überarbeiten
Aventurien ist für einen Kontinent reichlich klein. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Hinzu kommt, dass nach weit über 20 Jahren DSA-Geschichte fast jeder Quadratfinger Land, um es mal mit aventurischer Begrifflichkeit zu sagen, beschrieben ist. Das schränkt Spielleiter sehr ein und man verstößt schnell mit den offiziellen Publikationen.
Wer das vermeiden will hat nicht nur sehr wenig Spielraum, er muss sich auch akribisch vorher informieren, bevor er ein Abenteuer schreibt.
Das ist nur bedingt ein problem, der ordentliche deutsche Rollenspieler will halt viel Hintergrund und will er ihn mal nicht, kann er nach Myranor, ins Riesland oder in Globulen ausweichen, wo an sehr vielen Stellen praktisch noch Narrenfreiheit herrscht.
Allerdings bringt die dichte Beschreibung und die Tatsache, dass Aventurien nicht groß ist Probleme mit sich, die einem Spieler oder Spielleiter, dem die Simulation und Integrität seines Settings zumindest ein bisschen am Herzen liegt, ernsthafte Bauchschmerzen.
Direkt neben dem Horasreich liegt Nostria - sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg. Ja, das liegt (fast) ununterbrochen im Krieg Andergast, aber es kann nicht plausibel erklärt werden, warum der enorme technische Fortschritt seines direkten Nachbarn, dem Horasreich nichtmal zu einem klitzekleinen Teil dort mit ankommt. Wenn die Helden ins Horasreich gehen können, dort eine Balestrina erhaschen können und dann die Grenze nach Nostria überqueren können, dann kann das jeder nostrische Depp auch - insbesondere wenn 2 Handvoll Balestrinas den Krieg zu Gunsten Nostrias ein für alle mal beenden könnte. Aber nein, Nostria und Andergast stecken im tiefsten europäischen Mittelalter. Wie die Thorwaler auch. Neben denen wohnen die ihnen nicht allzu unähnlichen Gjalsker, die aber im Altertum festsitzen. Trotz ihrer Nachbarschaft zu den Thorwalern... Und so weiter und so weiter. Ja es ist ein Fantasy setting, aber da sind keine magischen oder göttlichen Barrieren zwischen den Ländern, wie zwischen Myranor und Aventurien und wenn solche Ungereimtheiten zu viel werden muss ein Spieler vielleicht einmal zu viel den Kopf schütteln um das noch weiter zu wollen.
Dann haben wir die Mythologie.
Wir sind vor dem 12. Zeitalter, und ganz klischeebehaftet kommt dank dem Dämonenbaum mit dem 13. der Weltuntergang. Wie in fast jedem anderen System.
Jetzt gibt es die 12 Götter als kraft des Guten. Ihnen entgegengestellt sind - wieder ganz klischeehaft die 12 Erzdämonen. Mitsamt ihren unendlichen Dämonenscharen. Aber das reicht nicht. Wir brauchen auch noch den Dämonensultan und neben unzähligen unabhängigen Dämonen auch noch den Gott ohne Namen. Balance-was? Dabei ist DSA in erster Linie kein "Dark-Fantasy". Und dann hab ich Nebenbedrohungen wie Pyrdacor oder das Omegatherion nichtmal erwähnt... Der Kampf von echten Helden ist also von vornherein aussichtslos.
Dann haben wir bei den Göttern Aspekte wo sich schon die Götter selbst uneins sind. Ist das Feuer jetzt Ingerimm oder Travia zugehörig. Dann kommt der Herr des Feuers und sagt "meins". Hoppla, jetzt haben wir pervertierte Elemente aus dämonischem Einfluss. Entgegne ich dem mit den Elementen selbst oder mit Ingerimm-Segen? Hilft pervertiertes Wasser gegen pervertiertes Feuer? Die übergänge sind butterweich und jeder mischt ein bisschen in jedem mit. Brrrr.
Dann sind da noch die Relikte aus alten Zeiten, als DSA versuchte mit Comedy Spieler zu werben - Den Stamm der Haipa, deren Schlachtruf Haipa-Haipa ist gibt es immernoch. HP Baxter wirds freuen. Im Bornland liegen die Ortschaften Hinzk und Kunzk auch noch nebeneinander.
Ich will nochmal betonen, dass dieser riesen Text nur aus Beispielen besteht. Der Fundus an Unfug, Widersprüchen und Ungereimtheiten ist riesig. Wenn mal wo Streamlining betrieben werden muss, dann da. Dabei will ich garnicht, dass wie bei Vampire alles eingerissen und neu wieder aufgebaut wird. Korrigiert die Ungereimtheiten einfach.
Macht Aventurien größer, dass es den Titel Kontinent verdient. Streicht den Dämonensultan und um die Götter ein bisschen zu entlasten, macht manche - insbesondere unabhängige Dämonen zwar Chaotisch, aber nicht zwingend "die Schöpfung muss ausgelöscht werden"-böse. Steckt den Namenlosen da hin, wo er hingehört - in die 7.Sphäre. Macht den Weltuntergang weniger unausweichlich oder weniger Fatal - Wie das Ragnarök - wer weis, was da raus kommt, vielleicht ist es besser wie vorher.
Brennt Hinzk ab und benennt Kunsk in Kunsak um. Die Haipa merken, dass Eruodance von Scooter fürchterlich war und begehen massensuizid oder gehen im Nachbarstamm auf, der wenigstens zwergische Felsenmusik (Uaaah, noch son Ding) hört auf. Sowas. Und wenn es eine Grenze gibt, über die kein Waren und Informationsaustausch fließt, dann gebt uns einen Grund dafür, den man nachvollziehen kann. BITTE!
Nach all dem gemoser komme ich aber nicht drumrum trotzdem all denen ein warmes Danke auszusprechen, die an der Gestaltung von DSA beteiligt waren. Denn es ist und bleibt letztlich mein liebstes Rollenspiel und das System mit dem ich aufgewachsen und dem Thema Rollenspiel überhaupt nahe gekommen bin. Vielleicht ist genau das auch der Grund, warum mich diese Entwicklungen so stören und ich gerne Besserung sehen würde. Weil mein Herz dran hängt. Danke.
Liebe Grüße,
Christian "WarChicken78" Keller