Gestern hatte ich wieder meine monatliche Splittermondrunde geleitet.
Die Abenteurer befanden sich noch immer im Wald nahe der Metropole Gondalis, um Kontakt zu einer der dort ansässigen Räuberbanden zu knüpfen.
Beim Belauschen der Bande erfuhren die Abenteurer von einem Turm, in dem es angeblich wertvolle Schätze geben sollte, doch die Bande wartete zunächst ab, bis "Verstärkung" kam.
Als die Verstärkung eingetroffen war, verließ die Bande ihr Lager, die Abenteurer folgten ihnen unauffällig. Man kam zu einer kleinen Lichtung, auf der ein Turm stand, dessen oberirdischer Teil verfallen war.
Die Räuber entzündeten Fackeln und stiegen durch eine Luke in den unterirdischen Teil des Turms hinab, die Abenteurer warteten ab. Nach einiger Zeit kamen die Räuber wieder heraus, allesamt mehr oder weniger stark verwundet. Die Abenteurer gaben sich zu erkennen, der Heiler unter ihnen versorgte die Wunden der Verletzten, bevor Räuber und Abenteurer gemeinsam nächtigten.
Am nächsten Tag stieg man gemeinsam in den Turm hinab, die Abenteurer gingen voran.
Hinter einer der Türen hörte man zunächst ein Atmen, welches -wie man kurze Zeit später feststellte- von einem Dämon stammte.
Im daraufhin entbrennenden Kampf, aus welchem man sich Stück für Stück zurückzog, wurde einer der Abenteurer durch den Dämon bewusstlos geschlagen und der Dämon zog sich wieder in "seinen" Raum zurück.
Der bewusstlose Abenteurer wurde dank des Heilers von der Schwelle des Todes gerettet.
Auch wenn ich Splittermond sehr entspannt zu leiten finde, ist mir das System, was Fertigkeiten angeht, doch manchmal etwas zu grobkörnig. So fasst man z.B. Geschichtswissen, Sagen/Legenden, Religionen, Kulte und Schöpfungsmythen zur Fertigkeit "Geschichte & Mythen" zusammen.
Wettervorhersage, Sternkunde, Tierkunde, Pflanzenkunde, Kräutersuche und Nahrung sammeln werden unter "Naturkunde" zusammengefasst.
DSA5 gefällt mir von der Feinkörnigkeit der Fertigkeiten her schon besser. Ebenso werden Gewicht und Traglast weniger abstrakt abgehandelt als in Splittermond (wenn man von der abstrakten "Inventarplätzeregelung" der DSA5-Einsteigerbox absieht).
Aber bereits in Sachen Abenteuer mache ich in 9 von 10 Fällen immer mein eigenes Ding, versuche Spielern eher eine gewisse "Sandbox" zu geben, sodass es in ihrer Hand liegt, ob sie sich im Gasthaus unter den Tisch trinken möchten, im Auftrag einer Verbrecherbande Schutzgelder eintreiben (sich dabei aber wiederum mit einem der "Opfer" verbünden), durch Wiesen und Wälder streifen oder verdächtige Gebäude observieren und dunkle Kulte zerschlagen.
Ja, ich kaufe mir Abenteuer (so gehören zu meinen neuesten Käufen die Box "Die Hexe vom Schattenwasser " und "Rabenkrieg 1: Die Zähne des Kaimans"), aber ich werde diese Abenteuer nicht nach Buch leiten, und auch die Story - wenn überhaupt- nur teilweise verwenden. Die Abenteuer kaufe ich nicht, um bei der Aventurischen Geschichte "dabei zu sein", stattdessen sind mir vor allem Ortsbeschreibungen und Werte von Gegnern (v.a. menschliche Gegner wie Wachen, Schläger o.ä.) wichtig.
Wenn ich überhaupt mal Abenteuer "by the Book" geleitet habe, dann waren es v.a. Einsteigerabenteuer, um die Regeln zu lernen: Das Abenteuer "Durch den Drakenwald" für Warhammer Fantasy 2; Das Abenteuer "Unter Fels begraben" aus der "alten" Splittermond-Einsteigerbox; das (ungefähr in der Mitte abgebrochene) Rolemaster-Abenteuer "Elisera"; Das Abenteuer "Schwarzzahns Hort" aus der Pathfinder Einsteigerbox . Selbst nach über 13 Jahren Pen & Paper-Rollenspiel kann ich die Zahl der "by the book" geleiteten Abenteuer an einer Hand abzählen (auch wenn es mit 4 Abenteuern langsam knapp wird ).
Auch neigen ich und meine Runden dazu, dass wir uns meistens eine Stadt als "Basis" aussuchen und dann vor allem in dieser Stadt und ihrer Umgebung spielen, statt permanent von Stadt zu Stadt (geschweige denn von Land zu Land) zu reisen, damit wir uns besser mit der Welt "verwurzeln" können und Stück für Stück auch einen "normalen" Tagesablauf etablieren können.
Viele DSA-Spieler ignorieren den Meta-Plot und sagen z.B. "Die Kampagne mit Borbarad und den sieben Gezeichneten ist bei uns/in unserem Aventurien nie passiert".
Aber es gibt ebenso viele Spieler, die einzig und alleine den Metaplot an DSA schätzen, statt die Regeln oder die Regionen. Manche Stimmen sagen, "DSA lohnt sich nur, wenn man die lebendige Geschichte mit ihren großen Umwälzungen (G7, Jahr des Feuers, Donnersturmrennen u.ä.) mit seinem Helden miterlebt - ansonsten kann man auch gleich ein anderes System spielen".
Für mich macht das immer wieder den Eindruck, als würde man sich nicht über ein Pen&Paper-Rollenspiel unterhalten, in dem es doch eigentlich darum geht, dass die Spieler mit ihren Charakteren die Welt verändern und dort ihren ganz eigenen Fußabdruck hinterlassen. Es macht -brutal gesagt- manchmal auf mich den Eindruck, als würde man Spiele wie z.B. World of Warcraft spielen: Eigentlich sollte es ein herhebendes Gefühl sein, durch das dunkle Portal in die "Scherbenwelt" zu gelangen - aber die Sachen, die man dort tut, haben bereits tausend Spieler vor einem gemacht.
Natürlich kann es auch seinen Reiz haben, wenn es einem vor allem um den "Weg" zu diesem Punkt, inklusiver aller Wendungen, geht:
Bereits im Text "Über dieses Buch" im Roman "Die Nebel von Avalon" heißt es:
Zitat(...)
In der Enthüllung des Mysteriums vom Heiligen Gral erfüllt sich das Schicksal von König Artus und seinen Rittern. Es ist Höhepunkt und Abstieg zugleich, denn Avalon, die Insel der Apfelbäume, die alte Welt der Naturreligion, versinkt unwiederbringlich in den Nebeln der Zeit.
Avalon wird im Laufe dieses Romans "untergehen". Trotzdem war es -selbst beim hören des "gekürzten" Hörbuchs- immer wieder spannend zu erfahren, welche Erfolge die Figuren auf diesem Weg feiern, welche Rückschläge sie hinnehmen müssen und was "im Hintergrund" passiert.
Als ich mir das Cover des DSA5-Regelwerks angesehen habe, war mein Gedanke bei der Magierin, die sich über die leuchtende Kugel beugt, der Zwerg, der eine Rüstung aus einer Truhe nimmt und der Elfe, die einen Trank untersucht: "Oh, DSA lernt Dungeoncrawling". Allerdings war es ein umso unsanfteres, böses Erwachen, als ich in einer Video-Review erfuhr, dass es sich "natürlich" um Nahemas Turm handelt.
Nicht nur da habe ich mich gefragt:
- Darf man bei DSA nicht mehr seine Phantasie spielen lassen und träumen?
- Müssen viele Bilder (nicht alle) Details aus der bereits geschriebenen Geschichte aufgreifen?
- Muss ich bei jedem namentlichen NSC, den ich vom Aussehen/ von den Werten her cool finde und gerne in meine Kampagne einbauen möchte, -übertrieben gesagt- erstmal die gesamte "Historia Aventurica" studieren, ob er nicht vielleicht zu den unantastbaren "Big Players", sodass ihn die Helden lieber nicht zu Gesicht bekommen (und man damit vermeidet, dass dieser NSC sterben könnte)?
- Habe ich überhaupt die Möglichkeit, einfach einen "eigenen" Turm in einen Wald zu setzen? Und kann ich über die in jenem Turm erlebten Abenteuer berichten, ohne das die Metaplotfraktion den Spielbericht bereits nach dem ersten Satz komplett auseinandernimmt? (Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich mich zu Anfang meiner Rollenspielkarriere über die Unterschiede zwischen meinem "Einsteigersystem" D&D 3.5 und dem in Deutschland ebenfalls beliebten DSA informierte: Während man bei D&D problemlos einen Dungeon mit fallen bauen konnte, müsste man sich in DSA bei einem identischen Dungeon sofort Fragen/Kommentare wie "Wer hat das Gewölbe gebaut?", "Monster X ist in dieser Region nicht stimmig" oder "Wer hat das Geld für diese Fallen?" anhören). Meine "Dungeoncrawling"-Tage sind gezählt, trotzdem mag ich es, alte Ruinen als Spieler zu erkunden - oder meinen Spielern dabei zuzusehen, wie sie sich im Fackelschein langsam vorwärts tasten.
Oben habe ich es schon angedeutet: DSA5 bietet mir als Spieler einiges, was ich bei Splittermond vermisse: Die Fertigkeiten sind stärker aufgeteilt, viele Regeln sind eher auf "Simulation" ausgelegt, die Traglast ist feiner geregelt, Verletzungen können genauer lokalisiert werden, Kritische Treffer/Patzer können unterschiedlichste Auswirkungen haben.
- Ist ein wie oben dargestelltes Szenario auch in DSA5 möglich?
- Wie tauglich empfindet ihr DSA5 für eigene Kampagnen?
- Kann DSA5 trotz Metaplot und detaillierten Stadtbeschreibungen immernoch eine "Sandbox" bieten?
- Gibt es Städte, in denen sich "Bandenkrieg"- und/oder "Intrigen"-Szenarien (so "Game of Thrones"-mäßig) umsetzen lassen? Wie sieht es diesbezüglich z.B. mit den "Streitenden Königreichen", Havena, den "Flusslanden", dem "Dornenreich" oder den "Gestaden des Gottwals" aus? (Das "Horasreich" bietet sich vom Hörensagen her vermutlich ideal für GoT an, hat aber noch keine DSA5-RSH)
- Wie viel verpasst man tatsächlich, wenn man den Metaplot links liegen lässt? Könnte der "eigene Fußabdruck" den verlassenen Metaplot ausgleichen oder sogar zu "schöneren" / "besseren" (da persönlichern) Geschichten führen?
Bonusfrage:
- Taugt die Historia Aventurica (als Ergänzung zu den DSA5-Regionalspielhilfen) als Einstieg in den Metaplot?
Vielen Dank für's lesen, über Antworten freue ich mich.
Zaron7