Wir kennen die Spielertypen: Der Rollenspieler für den der Charakterbogen ein Hindernis ist und den Zahlenschubser, der Dialoge am liebsten mit den Würfeln geklärt haben möchte.
Um die generellen Spielertypen will ich jetzt aber nicht reden, auch wenn sie sicherlich teil des Themas sind.
Wer mal mit mir gespielt hat steckt mich gerne in eine Schublade jedoch lande ich stets in einer anderen; für die Rollenspieler bin ich als Meister ein Regelnazi und versessen auf die strikte Einhaltung der Spielregeln. Für die Powergamer bin ich inkonsequent und weich, da ich Punkte suboptimal verteile (Der Ritter muss halt auch Rechtskunde und mehr als nur eine Waffe beherrschen!) und Modifikationen gebe, die willkürlich wirken.
(An meine Mitspieler: Das sind sie nicht. In meinem Kopf rechne ich ständig alles gegen und deswegen habt ihr unterschiedliche Modifikatoren und fünf Minuten später sind die abermals anders, weil sich was geändert hat aber ihr nicht wisst was.)
Ich sehe mich selber als Rollenspieler, der schwache Charaktere mag. Ich nutze intensiv das Portfolio an Regeln (Transparenz ist mir wichtig) weil sie gerecht sind. Wenn wir alle nach den selben Regeln spielen hat keiner einen Vorteil, weil er gut quatschen kann oder am Tisch einschüchternd ist. Gutes Rollenspiel ist schön aber sollte nicht die Spielregeln ausheben. Auch mit gut Zureden wird aus dem Buben kein Ass und aus der 17 keine 14.
Und damit komme ich zu meinem kleinen Dilemma:
Wie behandle ich ich einen Mitspieler und seinen Charakter wenn das gespielte nicht in seinem Bogen wiederzufinden ist oder umgekehrt?
Ich will niemanden in sein Rollenspiel reingreifen oder ihm verbieten, wie er seinen Charakter zu spielen hat. Jedoch entstehen wieder und wieder Situationen in meinen beiden voneinander unabhängigen Gruppen wo ein Spieler begeistert und voller Elan beschreibt, was er tut, ich dann eine Probe verlange und dann schließlich Enttäuschung aufkommt, dass ich tatsächlich diese Probe will... auf ein Talent in dem der Charakter kaum Punkte hat oder ihm gar die SF dafür fehlt.
Und dann, wie in einem Loriot Sketch, folgt stets der gleiche generische Dialog:
"Aber ich bin ein ... und komme aus ..."
"Und?"
"Das gehört dazu und er sollte das können."
"Aber er kann das nicht. Sonst würde es in seinem Bogen stehen."
Ich sehe mich als im Recht an. Was nicht im Bogen steht kann der Held nicht. Wenn ich alles ohne Proben durchgehen lasse brauchen wir nicht spielen sondern setzen uns mit Snacks an ein Lagerfeuer und erzählen Geschichten.
Dennoch habe ich dann das miese Gefühl, dass ich den Charakterbogen instrumentalisiert habe um jemandem sein Rollenspiel vorzuschreiben: "Spiel, was in deinem Bogen steht!"
Und weil ich ein weiches Herz habe und es häufig damit begründet wird, dass man die Auswirkungen eines Talentes falsch eingeschätzt habe, erlaube ich nachträgliche Korrekturen. Beim Magier sogar ganze Zauber, weil wir beide das, salopp formuliert, ausgiebig verkackt haben.
Hier schweife ich ab :)
Er ist ein erfahrener Spieleveteran älterer Editionen und hat mit uns zusammen DSA5 begonnen. Ich vertraute ihm, dass er die Magieregeln drauf hat, damit ich mich auf anderes konzentrieren kann. Leider hat er vorwiegend alte Regeln im Kopf, was ich ihm nicht zur Last lege, und ich habe die Zauber nur oberflächlich drauf. Das Ergebnis ist, dass mal wem auffällt, dass etwas nicht funktioniert oder anders gehandhabt wird und das hat einen Dominoeffekt und plötzlich funktionieren andere Dinge nicht und dann ist das gesamte Charakterkonzept wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Stichwort forschender Verwandlungsmagier, der jetzt vier statt zwei Zauber für Verwandlungen braucht und einfachste magische Analysen nicht beherrscht, weil die SFs und Zauber fehlen, die es früher überhaupt nicht gab oder die Regelstruktur echt blöd im Regelwerk eingebettet ist.
Mit ihm habe ich mich jetzt darauf geeinigt, dass wir einen Revamp gemeinsam erarbeiten, dass er auch das kann, was er können sollte (und wie wir es dummerweise auch schon ausgespielt haben) und ich habe seine Start-AP von 1.100 auf 1.400 erhöht. Für mich ergibt es nur Sinn, dass der Magier, der älter ist als seine Begleiter, mehr Erfahrungen gemacht hat etc. auch mehr AP zum Beginnen hat.
Das will ich auch mit niemandem Diskutieren. Es ist kein Wettstreit, wer mehr aus seinen Start-AP rausholen kann. Für einen Magier mit abgeschlossener Ausbildung ist 1.400 AP die untere Grenze, in meinen Augen.
Gut, der Magier war schon ein krasses Beispiel für die Diskrepanz aus Bogen und Rollenspiel: Das haben wir gemeinsam verhauen und reparieren das.
Bei den kleineren Einzelfällen, die sich aufsummieren, ist das für mich schwieriger langfristig damit umzugehen. Erlaube ich jetzt immer wieder das Feintuning der Werte bis der Held endlich dem entspricht, was der Spieler darzustellen versucht? (Das sind keine geschenkten AP, sondern leichte Modifikationen der verteilten Bestandspunkte bzw. ein Rückgängigmachen der letzten Steigerung)
Soll ich hart bleiben trotz der traurigen Welpenblicke und verlangen, dass erst die Talente gesteigert werden, die man auch versucht auszuspielen, bevor man weiter in seinem "Charakterplan" vorankommt?
"Du steigerst dein Waffentalent erst, wenn du als Jäger auch endlich mal eine Fährte finden kannst."
"Du bist ein Ritter mit Lehen. Du musst das Lehen verwalten können. Du hast nicht einen Punkt in Menschenkenntnis und Rechnen kannst du auch nicht? Solange du das nicht korrigierst ist die SF Beschützer tabu."
"Deine Hintergrundgeschichte deckt sich kein bisschen mit dem was in deinem Bogen steht. Wo ist deine Geographie? Wo die Orientierung oder Boote & Schiffe? Entweder steigerst du diese oder Gaukeleien, Überreden und Bekehren & Überzeugen. Entweder ist es wahr oder du lügst aber gesteigert wird entsprechend das eine oder das andere."
Oder in Anlehnung an meinen Post über Angst und das Ausspielen davon:
"Es ist mir egal ob du diese großen Viecher überall in deiner Heimat hast. Entweder hast du aufgrund deiner Herkunft die Willenskraft gesteigert um keine Angst davor zu haben oder du hast wie mein kleiner Neffe Angst vor Hunden, von denen er drei in seiner Nachbarschaft hat...und zwei weitere als Stofftiere*. Der Andergaster kriegt auch keinen automatischen Bonus auf Pflanzenkunde (Bäume). Die hat er sich gesteigert oder im Kulturpaket erworben, welches aber auch Nachteile mit sich bringt."
*Angst muss nicht Sinn ergeben, das ist ja das Interessante daran.