Folter als mittel der Rechtsfindung?

  • Die Zwölfe mit Euch!

    Mein Wissenstand zu DSA ist z.T. etwas eingerostet. Ich kenne von früher (z.B. im Abenteuer "Der Wolf von Winhall") die Justiz (oder hier besser die Inquisition) des Mittelreiches als stereotyp "grausam" (also aus irdischer Sicht: "Finsteres Mittelalter" mit Streckbank usw.). Die Lektüre jüngerer Abenteuer und Quellenbände zeigt aber ein viel besser ausgearbeitetes und differenzierteres Bild.

    Mir geht es nun um einige Details, wenn meine Helden in einen Strafprozess verwickelt werden. Wird im Mittelreich, so wie irdisch in der frühen Neuzeit, die Folter als legitimes Mittel betrachtet, um an ein juristisch bindendes Geständnis zu kommen? Oder gibt es auch bei Kapitalverbrechen ohne Zeugen Urteile, die sich ausschließlich auf Indizien stützen?

    Eine weitere Frage schließt sich an, gibt es im Mittelreich auch noch das Gottes- bzw. "Götterurteil", um im Prozess seine Unschuld zu beweisen? Zum Beispiel im Zweikampf, durch die Feuerprobe oder ähnliches?

    Ich wäre für etwas Hilfe dankbar- und seid mir nicht böse, wenn das alles in einem Quellenbuch steht; ich habe erst seit einiger Zeit eine Spielrunde "reanimiert", die sich sehr lange nicht mit DSA befasst hatte. Unsere Umstellung auf DSA 4.1 und das Aufarbeiten von 30 Jahren Hintergrundgeschichte sind eine Mammutaufgabe, die gewissermaßen nebenher läuft... ;)

    Viele Grüße,

    Yogsothoth

    "Work is the curse of the drinking class!" (Oscar Wilde)

  • Die Folter wird IIRC nur eigesetzt, um einen bereits "überführten" (in Aventurien ist man schuldig bis zum Beweis der Unschuld) Angeklagten dazu zu bewegen, das Geständnis abzulegen. Als Mittel zur "Wahrheitsfindungs" wird sie nicht eingesetzt, da gerade Praioten wissen, dass sie dafür wenig taugt.

  • Danke für die Hinweise, Frankie. Ich finde es stimmig, dass die Folter verwendet wird, aber nicht zur Wahrheitsfindung. Dass die Praioten die Folter für ungeeignet halten, die Wahrheit herauszufinden, hindert sie aber nicht daran, diese als Strafe einzusetzen, oder?

    "Work is the curse of the drinking class!" (Oscar Wilde)

  • Wie @'Yogsothoth bereits erwähnt hat gibt es in Aventurien effekitvere Methoden der Wahrheitsfindung.
    Allerdings würde ich die Folter nicht ganz Abschreiben.
    Ich würde mich da an die mittelalterlichen Inquisitionsverfahren orientieren, da sind ja Folter klar reglementiert.
    Zum Beispiel das FOlterverbot für Kinder und "Schwachsinnige" etc.

    Ferner gibt es noch die Möglichkeit eines Reinigungseid zum bekräftigen der Unschuld abzulegen.

    Oder wie bereits erwähnt die Möglicheit ein Gottesurteil einzufordern.

    Auch denk ich spielt der soziale Rang des Beschuldigten eine Rolle, wie nun die Rechtsfindung ihre MIttel wählt.

    Ein armer Bauer wird wohl eher in den "Genuß" der Peinlichen Befragung kommen als ein Sproß eines Adligen

  • Sie wird auch in Aventurien zur hochnotpeinliche Befragung genannt, wenn ich mich da an den Kasten zur Inquisition richtig erinnere, obwohl es tatsächlich andere und weniger schmerzhafte Wege gibt. Aber die aventurische Inquisition musste ja unbedingt der irdischen angelehnt werden.
    Auch in der GA steht in dem Kapitel zur Gerichtsbarkeit potenziell ein bisschen zu (Wohnzimmer ist gerade besetzt zum eigenen Nachschauen).

  • Dass die Praioten die Folter für ungeeignet halten, die Wahrheit herauszufinden, hindert sie aber nicht daran, diese als Strafe einzusetzen, oder?


    Folter als Strafe wird in Aventurien AFAIK nicht eingesetzt, höchstens in Belkelel-Kreisen. Es gibt natürlich Körperstrafen und so fantasievolle wie schmerzhafte Hinrichtungsmethoden, aber von so etwas wie "im Praiosdienst eingeschlafen - zwei Stunden Streckbank" habe ich noch nie gehört.

  • Wenn um das Beschaffen von Informationen geht, würde ich sagen, dass man einen Assassinen im Zweifel (je nach Gruppe) foltern könnte um zu erfahren ob es

    • noch mehr Assassinen gibt
    • Wer zu den Zielen gehört hat
    • Wer den Auftrag gegeben hat


    Mir wurde da mal von einer Jähzornigen Hexe erzählt, die nachdem in der Befragung der Befragte nicht ganz nett war, ein bisschen der Dolch "ausgerutscht" ist. Auf einmal wollte er reden.

    Finde ich ist situationsabhängig und kann auch für falschinformationen sorgen. (Menschenkenntniswurf könnte da helfen)

    "Doch ihr Adligen und Händler, so wollt mich finden und auch binden, aber lasst euch sagen: Lebend kriegt ihr mich nie!
    Ist dein Gold zu schwer, ich nehm es dir. Der Besitz der Ander'n, gehört auch mir.
    Lasst euch sagen, auch wenn ich das Unrecht nicht verschmähe, so wurde Kein Gesetz welches ich gesprochen jemals von mir selbst gebrochen.
    Euren Fallen ich entrinne und die Hunde mich nicht finden und ich sage euch nochmal: Lebend kriegt ihr mich nie!"


    Kjarni Hrökkvirson nachdem er bei einem Ball in Trallop mit dem Edelsteindiadem der Hausherrin verschwand

  • Obwohl es in DSA mehr möglichkeiten gibt zur Warheitsfindung gibt sind die meisten Prozesse Indizien Gestütz. Es gibt keine Möglichkeit Fingerabdrücke zu nehmen, Blutproben zu analysieren, oder andere forensischen Methoden.
    Da bleiben nur Zeugenaussagen, Abgleich von Besitz und dererlei Dinge.
    Magie und Alchemie wird von der Prajos Kirche selten als mittel zur Wahrheitsfindung eingesetzt.
    Daher wird halt auf die hochnotpeinliche Befragung zurück gegriffen.

    Letztlich ist alles Rechtmäßig was der Richter als Rechtmäßig erachtet.

    Dadurch kann mann Sehr gut mit den Erwartungen der Spieler spielen.

    Spannend wird es wenn mit dem heiligen Befehl jemand verhört wird dessen Erinnerungen geändert wurden.
    Wenn der Zauber nach lässt behautet der beschuldigte was anderes.

    Ich selbst spiel Aktuell einen "Spezialisten" für Verhör Methoden. Der versucht es aber auch eher ohne gewallt. meistens reicht die Androhung.

  • Na ja, auch wenn Respondami, Blick in die Gedanken oder die praiotische Liturgie (die hatten doch eine dafür?) ohne Gewalt auskommen, glaube ich nicht, dass so was schmerzfrei abläuft. Würde für mich unter psychischer Folter laufen (Und die Amis, die ja Spezialisten dafür sind, benutzen auch beides)

  • Stimmt, zu dem lassen sich auch die Varianten von einem geübten/Berufs Lügner austricksen.
    Und Spielteschnich ist nicht spannenderes als rauszukitzeln wie weit die Helden gehen bei der Wahrheit Findung.

  • Die Folter kommt bei der Inquisition zum Einsatz, wenn der Inquisitor übernatürlichen Schutz vor Liturgien oder eine "übermäßige Verstocktheit" befürchtet. Im Prinzip also nach Gefühl und "Verstocktheit" ist auch nicht gerade spezifisch. =O Meist gibt es im Fall der erwiesenen Unschuld keine Entschädigung... (WDG S. 42)

    Allerdings interessieren die Inquisition in diesem Zusammenhang auch eher religiöse Verfehlungen wie Häresie und nicht einfache weltliche Verbrechen. In solchen Fällen ist ein Geständnis zur Verurteilung aber unabdingbar, weshalb auch gefoltert wird. Es reicht nicht, die Schuld zu beweisen. Liturgien, Zauberei etc. sind also nur Hilfsmittel auf dem Weg zum Urteil.

    Bei weltlichen Prozessen richtet es sich nach dem verwendeten Rechtsmodell. Im modernen Inquisitionsverfahren (formell Mittelreich [praktisch mal mehr, mal weniger], Horasreich, Kalifat) ist ebenfalls das Schuldbekenntnis der entscheidende Faktor, welches notfalls mit der Folter "motiviert" wird. Wie oben sind Liturgien, Zauber etc. zur Wahrheitsfindung bestenfalls Hilfsmittel (falls sie überhaupt zulässig sind, was bei Zaubern oft nicht der Fall ist, siehe WDZ Magie und Recht).

    Folter dient im Aventurischen Rechtswesen also nicht der Wahrheitsfindung, sondern der Bekräftigung des Urteils. Wer glaubt, dass man deshalb nicht leicht auf der Bank landen kann irrt jedoch. Aventurische Gerichte haben nur nur teilweise mit Beweisen oder Zeugen zu tun und Ruf und Stand können gar mehr Gewicht besitzen.

    Vor allem führen aber in beiden Rechtsmodellen Bestechungen beider Seiten (quasi ein Wettbieten um die Gunst des Richters) oft zum Richtspruch. Wer nach so viel "Wahrheitsfindung" seine festgestellte Schuld nicht bekennt, landet in der Folterkammer. Alles i.d.R. unter dem wachsamen Auge der Praioskirche, welche oft die Ankläger stellt...

    Bei dem Helden üblichen (vergleichsweise) niedrigen Stand (SO, Ansehen, Fremde...) und den vergleichsweise geringen Mitteln, ist also ein Urteil trotz untermauernder Beweise der Unschuld, oft nicht aus zu schließen und die Folterkammer gerade für Helden (welche wohl nur selten ihre Schuld nach so einem Verfahren bekennen) ziemlich sicher.

    Wie oben sind Liturgien, Zauber etc. zur Wahrheitsfindung bestenfalls Hilfsmittel.

    (GA S. 146)

  • Hallo!

    Danke noch einmal für die vielen Einsichten in die aventurischen Verhältnisse! Mit Euren Hinweisen kann ich am nächsten Spielabend einiges anfangen.

    Viele Grüße,

    Yogsothoth

    "Work is the curse of the drinking class!" (Oscar Wilde)

  • Kannst dann ja mal berichten, was passiert ist und wie ihr es ausgespielt habt ^^

    "Doch ihr Adligen und Händler, so wollt mich finden und auch binden, aber lasst euch sagen: Lebend kriegt ihr mich nie!
    Ist dein Gold zu schwer, ich nehm es dir. Der Besitz der Ander'n, gehört auch mir.
    Lasst euch sagen, auch wenn ich das Unrecht nicht verschmähe, so wurde Kein Gesetz welches ich gesprochen jemals von mir selbst gebrochen.
    Euren Fallen ich entrinne und die Hunde mich nicht finden und ich sage euch nochmal: Lebend kriegt ihr mich nie!"


    Kjarni Hrökkvirson nachdem er bei einem Ball in Trallop mit dem Edelsteindiadem der Hausherrin verschwand

  • Wo findet sich das denn in offiziellen Quellen

    In fder in diesem Thread schon erwähnten Geographia Aventurica, die x/6 auch noch mal angibt.

  • Wo findet sich das denn in offiziellen Quellen? Mir kommt diese Beschreibung deutlich zu düster vor, gerade weil Wahrheit und Ehre in Aventurien greifbare Größen sind.

    Wie sehr mann das Ausschmückt oder Weglässt bleibt ja jeder Gruppe selbst überlassen.
    Gibt auch genug Abenteuer und Geschichten in denen es Andres Dargestellt wird als im GA beschrieben.
    Letztlich ist es ein gutes Stielmittel das man einsetzen kann um die Atmosfähre zu beeinflussen.

  • Ah, mir war die Abkürzung nicht geläufig. Es ist nun ja durchaus so das die Praioskirche im Hintergrund eine Art unvereinbare Doppelfunktion übernimmt: Auf der einen Seite der harte aber gerechte weltliche Arm des Gottes der Wahrheit und des Gesetzes, auf der anderen Seite aber auch das aventurische Gegenstück zur irdisch-mittelalterlichen Kirche mit all ihren Verfehlungen. Ich finde einen nicht auf die tatsächliche Warheitsfindung oder gar korrupten Praiosgeweihten aber ein ziemliches no-go da das doch stark dem Hintergrund widerspricht. Ein Praiosgeweihter mag aber durchaus hart und unfair rüberkommen weil er für die Nöte der einfachen Leute wenig Verständnis oder Geduld aufbringt oder auch weil er - gerade in Glaubensfragen - lieber zwei unschuldige Verurteilt als einen Schuldigen laufen zu lassen. Ich finde die Rolle des Praioten der sich dem Mob entgegenstellt um einen Sünderbock zu schützen aber eigentlich interessanter.

  • @ x76:

    Wo findet sich das denn in offiziellen Quellen? Mir kommt diese Beschreibung deutlich zu düster vor, gerade weil Wahrheit und Ehre in Aventurien greifbare Größen sind.


    Das stammt aus den oben zitierten Quellen (GA, WDG, WDZ). Für mich war Aventurien auch nie so ein "Drecksloch", aber ich wurde u.a. hier
    erfolgreich belehrt.

    Insgesamt toben sich meiner Meinung nach manche Autoren sehr in historischen Vorlagen aus, ohne dabei zu prüfen ob das auch für Aventurien stimmig ist. So wurden beispielsweise viele mittelalterliche Bestrafungen einfach übernommen, die in meinen Augen oft die 12 Götter schmähen und für mich daher als passende Bestrafung nicht plausibel sind.

    Aber auch irdische Gepflogenheiten wie z.B. Eunuchen sind gerade in Hochburgen der Rahjaverehrung (Tulamidenlande) höchst fragwürdig. In 1000 und einer Nacht gibt es die nun mal...

    Auf der anderen Seite spielt man aventurische Möglichkeiten herunter oder ignoriert sie (z.B. Möglichkeiten von Magie oder Karma) und setzt irdische Verhältnisse an. Was gerade im Zusammenhang mit Themen wie Folter doch wieder eine gute Sache ist. Wo irdisch wenigstens der Tod ein Opfer erlöst, muss aventurisch noch lange nicht Schluss sein und das Leiden könnte noch erheblich ausgedehnt werden (z.B. durch Heilmagie). Wenn man nicht sogar nach dem Tod weitermacht...

    Zu guter Letzt vergessen Autoren bisweilen, dass mit dem Untod reale Gefahren verbunden sind und auch ein verzweifeltes Gebet in die Niederhöllen deutlich bessere Chancen hat erhört zu werden. Dinge über die man sich bei vermodernden Leichen zur Abschreckung oder beim drohenden schrecklichen Ende (z.B. Folter) offensichtlich keine Gedanken macht und deshalb verrotten auch in Aventurien beispielsweise Leichen an Bäumen und in Käfigen...

    P.S. Mein Hausaventurien ist übrigens immer noch "sauber" und so manche Setzung ignoriere ich einfach. Es gibt genug schmutzige Rollenspielweltalternativen für so etwas. Da wäre die sauberere Ausnahme schon eher beachtenswert.

    Einmal editiert, zuletzt von x76 (15. Oktober 2015 um 14:08)