Umgang mit Geweihten

  • Von Mersingenn ist eines dieser Beispiele aus einer Zeit, als es einige Regelmechanismen noch gar nicht gab, dazu hat ja die Boron-Kirche durch die Rabenmark ohnehin politisches und weltliches Wirken unter ihrer Flagge zeitweilig gehabt (ebenso wie Travia-Kirche mit der Gänsemark, oder die Senne Nord mit dem Dominion Donnerbach, oder die Theokratie Al'Anfa).
    Dazu ist er weiterhin ein Fallbeispiel, wie die Setzungen des Golgaritenordens auf ihn gar nicht angewendet wurden, und das waren Setzungen, die es, meine ich, schon damals gab.

    Mit solchen Widersprüchen ist Aventurien halt zwar nicht überquellen voll, aber ganz seltenen Ausnahmeerscheinungen sind es auch nicht.
    Das ist für mich aber kein Beweis, dass manche Regeln eben nur für SC gelten und nicht für NSC, sondern dafür, dass sich OT nicht um manche Setzungen geschert wird, wenn eine Handlung so geschehen soll oder eine Institution oder NSC protegiert werden soll..
    Denn auf der anderen Seite gibt es viele mehr NSC, die in ihren persönlichen Angaben Vor- und Nachteile stehen haben, die so funktionieren, wie vorgesehen.


    Ich hatte in meinem letzten Beitrag etwas noch gekennzeichnet editiert.


    Noch mal EDIT:
    Man verliert ja auch nicht seine Weihe, weil man mal gegen den Kodex verstoßen hat (da wird meiner Auffassung nach auch nicht gleich der Karmahahn zugedreht).

    Ich möchte aufzeigen, dass der aventurische Hintergrund (zuweilen auch die Regeln, wie alt bekannt ist) durchaus nicht frei von Widersprüchen ist. Man macht Setzungen und arbeitet das Götterbild aus, man möchte aber IT Plothooks haben und daher gibt es doch ausgiebiges Mätressentum trotz Traviabund, das Recht der ersten Nacht trotz Travia- und Rahja-Kirche, Geweihte aus politischen Kalkül und Geweihte, die ihr eigenes Ding drehen, obwohl es Setzungen gibt, die das nicht zulassen dürften.

  • Na, da bin ich mehr bei Sternenfaenger muss ich sagen. Aus mehreren Gründen: Individualität und Vererbung.

    Das erste ist klar: Ein Moralkodex kann weggekauft werden. Es sei hier auch noch mal erwähnt, dass der Moralkodex bei DSA5 erst nach Protest der Spielerschaft überhaupt wieder Einzug gefunden hat und diese inzwischen auch im Vergleich zu 4 weniger strikt scheinen. Die offizielle Gangart scheint also tatsächlich eher in eine andere Richtung zu tendieren, als das noch unter 4 der Fall war. Es bleibt aber dabei, dass der Moralkodex in beiden Fällen 4&5 weggekauft werden kann und daher ist die Aussage "jeder Geweihte" in meinen Augen ebenfalls nicht haltbar.

    Beim zweiten meine ich, dass man nicht unterschätzen darf, dass es in Aventurien kaum Möglichkeiten direkter Kommunikation gibt und sich so wohl sehr viel mehr Denkrichtungen und Interpretationen eines Glaubens etabliert haben werden, als ein Regelwerk das abbilden kann. Was meint sie jetzt damit? Nehmen wir einen Geweihten, der einen leicht veränderten Moralkodex hat. Nichts schlimmes, sondern vielleicht eine Ausnahmeregelung. Ein Praiot, der zum Beispiel das berühmte Beispiel des Mörders, der nach seinem Opfer fragt, das bei dir versteckt ist, sagen würde: In dem Fall darfst du mal lügen, um die schlimmere Tat (Mord) zu verhindern. Das wäre also ein sehr liberaler Praiot. Der nimmt jetzt einen Schüler bei sich auf. Wie wird er diesen wohl unterweisen? Wahrscheinlich nach seiner eigenen Denkweise und schon hat sich der leicht verwandelte Kodex "vererbt". Solche Dinge gehen natürlich auch in weniger flauschige Richtungen. So könnte ein anderer Praiot eine "Hexen gehören pauschal verbrannt" Meinung aus seinem Magieverbot-Gebot ableiten und das weiter geben - er hätte den eigenen Kodex noch mal verschärft, aber auch das dort verankerte Rechtsverständnis aufgeweicht.

    So etwas kann ein Regelsystem natürlich nicht abbilden, deswegen muss gerade bei Geweihten der Hinweis, dass alle Regeln immer nur Vorschläge sind, besonders betont werden - gerade für NSC (die für mich nach denselben Regeln erstellt werden, wie SC, aber auch bei einem SC kann der Moralkodex ja verschieden sein).

    @Larwain: Ich mag dich :) .

    Der Himmel hat dem Menschen als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.

    - Immanuel Kant

  • Jeder Geweihte hat ihn erst einmal.
    Was meines Erachtens nach geschieht, wenn der Kodex im Noviziat nicht angenommen wird, oder er nach der Weihe verloren wird, darauf bin ich weiter oben eingegangen.

  • Außer du kaufst es bei der Generierung aus dem Paket weg. Das geht (in 4 wesentlich komplizierter, als in 5) und was geht, kann man als "wird es irgendwo geben" annehmen. Das Paket "Geweihter" hat den Moralkodex und ist die Abbildung des durchschnittlichen Geweihten, aber das Paket ist nicht zwingend kongruent mit dem fertigen Geweihten. Ich denke, dass wir uns darüber einig sind, dass der durchschnittliche Geweihte das ist, was man im Regelwerk abgebildet hat. Aber "jeder", "alle", "immer", das sind Worte, die man so nicht pauschal als gegeben nehmen kann und das ist noch nicht einmal unter der Tatsache, dass sich Interpretationen von Geweihten rein redaktionell öfters ändern können und hier viel Plot Io vult mitspielt.

    Der Moralkodex ist zudem nicht unbedingt 1:1 die Wiedergabe göttlichen Willens, anders wäre er in den Dunklen Zeiten kaum anders gewesen als heute und man hätte durchaus Probleme verschiedene Glaubensrichtungen zu erklären, wenn es die göttliche Blaupause gäbe.

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  • Wie vielfältig die Moralkodizes bzw. allgemeiner gesprochen die regionalen und philosophisches Strömungen und Fraktionen in den Kirchen sind wird auch gut noch mal in der Reihe der Vademeci aufgeschlüsselt und ausgeführt.
    Da gibt es gemessen am Umfang der Büchlein sehr viel Materiel was auch genau diese Themen hier betrifft.

  • Das klingt ja eigentlich ganz nach meinem Thread. Ich bin auch pro individualistische Geweihte, pro Götter mit vielen Facetten, pro menschlichem und wandelbarem Moralkodex und pro starker Vielfalt unter den Charakteren der Götterdiener mit allen Facetten der Menschlichkeit. Sprich, es gibt fast jede Art von Götterdiener, die man sich vorstellen kann. Der gefährlichste Intrigant unserer Wildermark-Kampagne ist wohl eindeutig der Praiosgeweihte. Und dafür braucht er nicht mal Lüge und Täuschung, sondern lediglich eine Politik von Schweigen und Geheimnissen sowie die Offenlegung von gewissen Wahrheiten zum rechten Zeitpunkt. Bekommt er Karma von Praios? Ja. Bekommt er ein schlechtes Gewissen, weil er flexibel ist? Nein, er sieht das höhere Gut Recht und Ordnung in die Mark zu bringen als Teil seiner großen Aufgabe, weswegen er die Macht nicht für sich, sondern für die Ordnung selbst will. Bekommt er den Aufschlag aus "eigensüchtigen Motiven" bei Liturgien? Nein, denn er tut es nicht für sich, sondern für das ewige Licht, seinen Gott und seine Kirche, glaubt aber auch selbst zu diesen Großtaten berufen zu sein.

    Ich mag menschliche Geweihte, ich mag vielschichtige Götter, ich mag es, dass die Abgründe der Menschlichkeit nicht den Erzdämonen vorbehalten sind. Ich mag die Vorstellung von Geweihten als harmonisierende Seelen mit Aspekten der Gottheit und nicht als auf moralische Eignung geprüfte Gutmenschen. Ich mag Vielfalt.^^

    Was natürlich nichts daran ändert, dass üblicherweise wenig mittelreichische Banditen Geweihte überfallen. Immerhin hat man Respekt vor der Kirche. Aber es mag Ausnahmen geben.

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  • Außer du kaufst es bei der Generierung aus dem Paket weg

    Das mag dann persönlicher Geschmack und Vorstellung von Aventurien sein, aber aus genannten Gründen würde ich das halt nicht zulassen: Frisch geweiht sein und keinen Kodex haben. Das passt in meinen Augen nicht zusammen.

    Was unterm Strich Geweihten menschliche Schwächen, Fehler, Versagen, und/oder Nöte nicht nimmt.

  • Was unterm Strich Geweihten menschliche Schwächen, Fehler, Versagen, und/oder Nöte nicht nimmt.

    Nun, das kommt drauf an. Ich finde, es beraubt die Geweihten schon einer gewissen Fehlbarkeit und macht sie auch zu sehr an ihre Gottheit gekoppelt im Sinne von "Das ist Praios' Wille", wenn man sie alle als "Berufene" betrachtet. Denn dann hätte ja der Gott bei der Einschätzung des Sterblichen und seiner Seele gefehlt, wann immer mal einer von denen Mist baut. Ich würde eher davon ausgehen, dass die Gottheit sich kaum für sterbliche Fehler etc. interessiert, sondern es eben eine hinreichende Nähe zwischen Seele und göttlichem Prinzip geben muss, aber keineswegs eine "ausgiebige" Prüfung im Sinne von "Was kann und wird dieser Mensch alles in seinem Leben entscheiden". Daher bin ich ja auch gegen das göttliche Eingreifen als Korrektiv des SL. Ein Gott würde damit automatisch einen Fehler machen, wenn man ihm vorher Intention unterstellt und gesteuerte Absicht bei der Auswahl seiner Geweihten. Wenn er jeden prüft, dann ist jedes Schäfchen, das vom Weg abkommt, ein Fehlschlag. Diese "Last" würde ich dem Verständnis von Göttlichkeit, welches ich habe, nicht antragen wollen.

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  • Nun, das kommt drauf an. Ich finde, es beraubt die Geweihten schon einer gewissen Fehlbarkeit und macht sie auch zu sehr an ihre Gottheit gekoppelt im Sinne von "Das ist Praios' Wille", wenn man sie alle als "Berufene" betrachtet.

    Bis zu einem gewissen Grad ja. Ich denke aber man sollte hier insofern differenzieren, als dass es sich bei den frisch gebackenen Geweihten, denen die Helden begegnen vornehmlich um SC, also Teilnehmer der eigenen Gruppe handeln dürfte.
    In diesem Fall kann es dann schon wieder sehr interessant sein, wenn die ihre Ausbildung mit hehren Moralvorstellungen verlassenden jungen Geweihten plötzlich auf die "Wirklichkeit" treffen, in der plötzlich nicht mehr alles schwarz oder weiß ist, oder sich den strengen Regeln, die sie gewohnt sind und für richtig befinden unterordnet. Die sollten dann meiner Ansicht nach auch durchaus etwas übermotiviert und perfektionistisch sein. Insbesondere, da sich hier ja auch wieder reichlich Konfliktpotenzial bietet.
    Die typischen NCS-Geweihten sind meiner Ansicht nach in der Regel schon ein paar Jahre dabei und können so einen gewissen Pragmatismus entwickelt haben, der sich eben auch in moralischem Fehlverhalten äußern kann.


    Denn dann hätte ja der Gott bei der Einschätzung des Sterblichen und seiner Seele gefehlt, wann immer mal einer von denen Mist baut. Ich würde eher davon ausgehen, dass die Gottheit sich kaum für sterbliche Fehler etc. interessiert, sondern es eben eine hinreichende Nähe zwischen Seele und göttlichem Prinzip geben muss, aber keineswegs eine "ausgiebige" Prüfung im Sinne von "Was kann und wird dieser Mensch alles in seinem Leben entscheiden".


    So wie ich die Regeln auslege würde ich da mit dir übereinstimmen, wenn auch aus einer anderen Perspektive heraus: Die Götter haben sich selbst Regeln gesetzt (bzw. aus der Schöpfung heraus gesetzt bekommen), die ihnen weitestgehend verbieten einzugreifen. Aus diesem Grund delegieren sie und lassen Geweihte für sich sprechen. Das bedeutet aber auch ein gewisses Vertrauen in diese Geweihten, bzw. Akzeptanz einiger ihrer Fehler, da sie nur durch die Geweihten Einfluss auf die Menschen nehmen können, ohne das Gleichgewicht zu stören. Gerade deswegen müssen den Geweihten aber auch eigene Persönlichkeiten zugestanden werden - damit sie eben menschlich bleiben. Insofern denke ich, dass der Mensch zwar dem göttlichen Prinzip zustimmen muss, aber eine gewisse Auslegungsfreiheit immer haben wird - und schon haben wir individualisierte Geweihte.
    Die strengen Kodices sind dann schon wieder ein Stückweit Auslegung des göttlichen Prinzips durch die Kirche, sodass ein Bruch einzelner Regeln nicht zwangsweise der Natur des Gottes widersprechen MUSS. Zudem gesteht derjeweilige Gott seiner Kirche ja auch eine gewisse Eigenständigkeit (oder besser eigenständige Handlungsfähigkeit) zu. Dazu gehört dann eben auch, dass er ihr das Regulieren und bestrafen kleinerer Fehltritte überlässt.

    Einmal abgesehen davon: eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den einzelnen Menschen würde ich den Göttern tendenziel auch zugestehen. Gerade kleinere Vergehen dürften doch häufig deutlich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Gottes liegen, geschweige denn ein eingreifen erfordern.

    "Es gibt keine Zufälle" M. Wittgenstein

  • Das mag dann persönlicher Geschmack und Vorstellung von Aventurien sein, aber aus genannten Gründen würde ich das halt nicht zulassen: Frisch geweiht sein und keinen Kodex haben. Das passt in meinen Augen nicht zusammen.

    Ich kann mir sehr gut einen dritten Sohn eines Barons/Grafen vorstellen, der in der Stadt des Lichts zum Praiosgeweihten ausgebildet werden soll. Seine Familie schärft ihm ein, sich immer seiner Wurzeln zu erinnern, damit er ihnen zum einen keine Schande macht, und zum anderen, dass er ihre Macht und Einfluss in Gareth mehrt. (Wäre das nicht im Bereich des Möglichen, würden Adelsfamilien das nicht tun, sondern ihn lieber eine Offizierskarriere anstreben lassen).
    Sein Vater hat ihn in seiner Jugend manchmal mit in die Ländereien genommen, wenn es darum ging, Streits zwischen Bauen zu schlichten oder Recht zu sprechen. Hier lerne er den feinen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit, sah, wie sein Vater mal mit Milde, mal mit Härte urteilte, aber auch mit geschickten Zügen streitende Parteien beruhigte.
    Bei seiner Ausbildung zum Praiosgeweihten hat er vielleicht einen besonders strengen Lehrer, der für eine besonders strenge Auslegung der Gesetze einsteht, dem die Nöte des kleinen Mannes egal sind oder sie im Gegensatz zu seinem Schüler gar nicht versteht.

    Solch ein Praiosgeweihter könnte für sich entscheiden, dass steife Gesetze für den Einzelnen oft ungerecht sein können, oder so manche im Stillen ausgehandelte Absprache, ohne Arglist und Täuschung, aber doch im Geheimen, oft mehr Wirkung erzielt als einen Streit an die Öffentlichkeit zu tragen, und die streitenden Parteien, um nicht ihr Gesicht verlieren, zu keiner Einigung bereit sind.

    Währe so eine Person im Rahmen des Moralkodex der Praioskirche möglich, wäre das nur eine leichte Abwandlung, oder geht das mit dem Kodex schlicht nicht?

    Along the shore the cloud waves break,
    The twin suns sink behind the lake,
    The shadows lengthen
    In Carcosa.

    3 Mal editiert, zuletzt von Sternenfaenger (17. Januar 2017 um 16:39)

  • Diese Kodizes und allgemein Weltanschauungen von Geweihten wie Gläubigen sind in "Wege der Götter" und selbst in der Vademeci-Reihe ja nur sehr grundsätzlich formuliert.
    Und das mit teils beträchtlichen Unterschieden zwischen Strömungen und Fraktionen in den Kirchen.
    Ich denke da geht eine Menge und Spieler, SLs und Abenteuerautoren habe da ihre Freiheiten.

  • Die Götter haben sich selbst Regeln gesetzt (bzw. aus der Schöpfung heraus gesetzt bekommen), die ihnen weitestgehend verbieten einzugreifen. Aus diesem Grund delegieren sie und lassen Geweihte für sich sprechen. Das bedeutet aber auch ein gewisses Vertrauen in diese Geweihten, bzw. Akzeptanz einiger ihrer Fehler, da sie nur durch die Geweihten Einfluss auf die Menschen nehmen können, ohne das Gleichgewicht zu stören.

    Ich gehe mit dir in deinen Punkten überwiegend konform, halte es aber nicht für eine "Willensentscheidung" der Götter sich mit den Fehlern der Sterblichen abzugeben, sondern in der Tat für eine der Stärken der Sterblichen, dass sie Entscheidungen des freien Willens treffen können, wo Götter ihre Prinzipien sein müssen. Und das damit einhergehend, eine Gottheit auch keinen Anspruch hat, sondern schlicht das unterschiedliche Naturell von Göttern und Sterblichen schon für eine solche Diskrepanz Sorge trägt. Desweiteren gehe ich eben bei der Ordination eben nicht von einem Akt absoluter, göttlicher Aufmerksamkeit aus, sondern schlicht von einem "Synchronisieren" der Göttermacht mit der sterblichen Seele und dies funktioniert relativ "automatisch". Das ist dann in der Tat schlicht die Natur der Ordination (und darum ist sie wohl auch so wichtig, aber auch recht "riskant").

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  • Auch wenn es automatisch passiert, ist es meiner Meinung nach für den Sterblichen ein absolut krasses Erlebnis, eine kleine Offenbarung, eine spirituelle Erfahrung, eine höhere Macht, die an Anwärter berührt, wenn auch nur wahnsinnig winzig, aber sie tut es. Das heißt sie ist da. Sie sagt natürlich nicht wie Rondra neulich: 'also eigentlich ist das so und so', aber sie berührt für einen Moment die Seele des Sterblichen. Ich denke, das nimmt den Menschen schon etwas mit. Eine Weihe macht man halt nicht wie irgendeine Abschlussprüfung, sondern sie ist ein sehr viel tiefer gehendes Erlebnis. Deshalb haben meine Geweihten schon eine gewisse Überzeugung von den Prinzipien ihrer Gottheit, von der Macht ihrer Gottheit und auch von dem 'Rechthaben' ihrer Gottheit. Das sie dann doch für zu großen Schnitzern abhält - eine Notlüge bei einem Praioten würde ich jetzt noch nicht als solchen zählen. Aber es gibt ein Grundbedürfnis der Gottheit zu dienen, statt nur um Geld, Macht oder ähnliches an zu häufen. Je nach Gottheit halt.

    Auf der anderen Seite sind auch Geweihte nur Menschen und nicht fehlerlos. Sie können sich irren, sie können ihre Gebote zu krass auslegen, die kommen aus verschieden Verhältnissen, sie setzen ihre eigenen Prioritäten unter den Geboten der Gottheit, sie haben schlicht auch irgendwo Familie, für die sie da sein wollen. Neben irgendwelchen persönlichen Problemen oder der Tatsache, dass ihre Kirche irgendeine Politik verfolgt, die vielleicht gar nicht so mit der persönlichen Meinung übereinstimmt.

    Ich bemühe mich bei der Darstellung von Geweihten mich irgendwo dazwischen zu bewegen. Mal das Pendel zu beiden Seiten ausschlagen zu lassen, mal der herzliche bemühe Seelsorger, mal ein blinder Fanatiker, die aber beide irgendwo Recht haben. Gutsmenschen sind sie sicher nicht alle. In unserer Tulamidenrunde ist eh nicht so garethisch 12-Götter fixiert. Da gibt es ganz andere Auslegungen (auch älter als die Garethischen) oder Gottheiten. Am Ende findet man heraus, dass überall Nette und eben weniger Nette Menschen gibt. Wie es halt so ist auf der Welt...

    I ♡ Yakuban.

  • Das "Problem" dabei ist: Beides schließt sich ja gegenseitig nicht aus. Ein Mensch kann vollkommen überwältigt von seiner Gottheit sein und trotzdem nicht im Sinne des in WdH/WdG benannten Moralkodex fühlen und denken (um das mal mechanisch zu beschreiben).

    Selbst bei grundlegenden Prinzipien scheinen die Götter teilweise recht tolerant zu sein oder lassen zumindest eine ganze Weile die Sache erst einmal laufen, bis sie wirklich eingreifen. Siehe in neuerer Geschichte Rondra mit ihrer "Leute, ich bin keine Kriegsgöttin"-Ansprache oder Praios mit seinen vier Säulen. Das waren Prinzipien, die über Jahrhunderte falsch interpretiert waren und trotzdem haben die Götter ihre Diener geweiht. Oder eben die beiden Boronkulte. Boron ist es ja offenbar ziemlich Wumpe, ob man ihn jetzt als Götterfürsten verehrt oder nicht, ob sich Menschen für ihn opfern oder nicht, ob man ruhig und asketisch lebt oder eher nicht. Er spendet beiden Kulten die Weihe, obwohl sie teilweise in Verhalten und Ansichten diametral sind. Gleiches dann an der Stelle für Praios. Da gibt es eine stabile Zahl an Leuten, die in ihm nicht den Götterfürsten sehen. Schnurzegal, Weihe kommt.

    Die Weihe allerdings ist für einen Menschen die ultimative Bestätigung der eigenen Ansichten. Denn, wenn er seinem Gott nicht gefallen würde, warum hätte ihn die Gottheit dann weihen sollen? Diese Kombination aus "Götter haben eine höhere Toleranz gegenüber Abweichungen" und "Mensch fühlt sich durch Gottheit in seinen Ansichten bestätigt" kann dazu führen, dass bestimmte Denkrichtungen sich verbreiten, halten oder aber auch verschwinden können. Anders wären unterschiedliche Strömungen in einer Kirche oder Veränderungen über die Jahre auch nicht denkbar.

    Dabei muss es ja noch nicht einmal bedeuten, dass ein Geweihter ohne Moralkodex nicht nach den Prinzipien seiner Gottheit handelt oder danach strebt. Nehmen wir einmal die Notlüge des Praioten. Ein Geweihter mit Moralkodex hätte aufgrund des Wahrheitsgebots darin selbst bei einer Notlüge ein derart schlechtes Gewissen, dass er erst einmal Erschwernisse von 12 auf alles bekommt (wieder die Regelmechanik zur Verdeutlichung). Ein Geweihter ohne diesen hätte diese nicht. Würde das aber bedeuten, dass dieser permanent lügt? Nein, warum sollte es? Aber dieser Geweihte hätte einen "Ausnahmen-Katalog" verinnerlicht, wo er irgendetwas anderes (Schutz seiner Gemeinde, Verhinderung von Unrecht o.ä.) als wichtiger einstuft, als die reine Wahrheit so wahr ihm Praios helfe. Für ihn fällt die 12er Erschwernis weg. Das ist im Prinzip schon alles, was den Geweihten mit Kodex vom Geweihten ohne unterscheidet. Denn die Gebote existieren ja trotzdem. Anderes Beispiel wäre ein Al'Afaner Boroni, der politisch unterwegs ist. Schweigen ist da nicht das Gebot der Stunde, im Gegenteil wird er sehr viel reden müssen. Mit Moralkodex: Erschwernisse. Ohne: Keine. Trotzdem wird er wohl kaum anfangen in einer Predigt des Patriarchen zu schnattern, denn ihm ist durchaus bewusst, dass es ein Gebot der Stille gibt (und man in Gegenwart des Chefs nicht schnattern sollte). Die Frage ist nur, wie streng sich ein Geweihter daran hält und wo seine Prioritäten liegen. Kann das sogar von Start an so sein? Natürlich. Das Konzept des politisch agierenden Boronis ist gerade für Al'Anfa nicht exotisch. Nehmen wir an, dass Mama und Papa beide Boronis waren und Klein-Boroni im Rat der Zwölf sehen wollen, sowie endlich mal ein Posten frei wird. Sie erziehen ihr Kind natürlich nicht so, wie das arme Weisenkind nebenan erzogen wird. Der Tag der Weihe ist da und Boron weiht Klein-Boroni, denn unterm Strich sind ihm derart nichtige Schwächen eigentlich egal, vor allem, weil Klein-Boroni trotz aller Politik wirklich aufrichtig an Boron glaubt und ihm dienen möchte. Hmm, man könnte meinen, dass ich so einen Boroni in der Gruppe hätten ;) .

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    - Immanuel Kant

  • dass er erst einmal Erschwernisse von 12 auf alles bekommt

    Ich habe das jetzt oft gelesen, aber nach meinem WdH erhält der Geweihte "[...]Erschwernisse, als Wirke eine schlechte Eigenschaft. Stärke dieser Eigenschaft und Dauer, bis die Wirkung abgeklungen ist, entscheidet wer Meister je nach Art der Verfehlung und anschließende Reue" - will heißen, es muss keine +12 Erschwernis sein, es kann bei einer kleinen Notlüge auch +1 sein.

  • Das ist richtig, aber für die Umsetzung gibt es da glaube ich eine "gute fachliche Praxis", die sich aus folgendem Gedankengang ergibt: Moralkodex = Schlechte Eigenschaft (bzw. für die Pfennigfuchser "wirkt, wie schlechte Eigenschaft"). Schlechte Eigenschaft = Erschwernis in ihrer eigenen Höhe. Neugier 7 heißt um 7 erschwert und nicht "mal 7, mal nur 3". Moralkodex 12 heißt nach dieser Logik also Erschwernis 12. Aus dem WdH-Text könnte man nämlich sonst auch durchaus Moralkodex 12 = Erschwernis 20 ableiten, da auch keine Obergrenze aus dem Text ableitbar ist. Daher hat es sich glaube ich einfach eingebürgert das gleichzusetzen. Vermeidet auch am Ende nur Diskussionen und den Zwang jede Situation einzeln zu bewerten :) .

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    - Immanuel Kant

  • Nicht jede Angst gibt Erschwernis in Höhe ihrer GP.

    Nietzsche und Amazeroth - Also sprach Zarathustra (zweiter Teil):

    Was erschrak ich doch so in meinem Traume, dass ich aufwachte? Trat nicht ein Kind zu mir, das einen Spiegel trug?

    "Oh Zarathustra - sprach das Kind zu mir - schaue Dich an im Spiegel!"

    Aber als ich in den Spiegel schaute, da schrie ich auf, und mein Herz war erschüttert: denn nicht mich sah ich darin, sondern eines Teufels Fratze und Hohnlachen.

  • Nun, das kommt drauf an. Ich finde, es beraubt die Geweihten schon einer gewissen Fehlbarkeit und macht sie auch zu sehr an ihre Gottheit gekoppelt im Sinne von "Das ist Praios' Wille", wenn man sie alle als "Berufene" betrachtet.

    Ich finde es macht Geweihte schon fehlbar, so ein Kodex macht sie besonders fehlbar, jedenfalls dann, wenn es ein umfassender (z.B. der der Rondrianer^^) ist, denn der Geweinte verlässt seinen Tempel, Kopf und Herz voll mit Idealen und Geboten, was gut und richtig ist und wie er sich verhalten soll, egal, was kommt - und dann kommt etwas, die Realität, die nicht zulässt, alle diese Gebote und Pflichten gleichermaßen und gleichzeitig in jeder Situation zu erfüllen. Er wird damit konfrontiert, dass Idealen nachstreben eine schwere Last sein kann, weil mann sie voraussichtlich eben nicht immer erfüllen kann, egal, wie sehr man bestrebt ist, das zu tun, immer und immer wieder.
    Denn man selber ist nur ein Mensch mit endlichen Kräften und Möglichkeiten und Schwächen.

    Solch ein Praiosgeweihter könnte für sich entscheiden, dass steife Gesetze für den Einzelnen oft ungerecht sein können,

    Recht und Gerechtigkeit sind nicht identisch, und wenn ich mich recht entsinne (ich habe nicht nachgeschaut) sind Praioten dem (geltenden) Rest verpflichtet.