Gegner Schwertfutter oder mit Hintergrund?

  • ob Schwertfutter auch mal persönlichen Hintergrund haben kann oder sollte.

    Per se würde ich jetzt mal sagen: nein. Schwertfutter an sich braucht keine Persönlichkeit - ich will ja auch den Namen meines Schnitzels nicht wissen.

    Ich meistere sehr gerne Kämpfe, und ich versuche sie Abwechslungsreich zu gestalten. Das heißt, es gibt immer zwei, drei besondere Gegner, der orkische Bandenchef, der halbelfische Schütze im Dickicht sowie die rechte Hand des Häuptlings und verkleideter udenberger Legionär, der mit zwei seiner Kollegen in einer Formation angreift. Diese besonderen Gegner gestalte ich aus weit aus, auch deswegen, damit man nachher noch was über sie erfahren kann oder zumindest einen Denkanstoß hat, was die Spieler bei diesen Kämpfern dann noch im Gepäck finden können, oder das die z.B. noch Tatoos am Körper haben etc.

    Weitere Gegner in so einem Kampf sind eher Situativ. Wenn es der Gruppe sehr gut geht (und alle Spieler da sind) kommen halt zu dem Halbelfischen Schützen noch zwei schlechtere Kollegen mit Kurzbögen dazu, oder die Formation enthält noch zwei weitere Streiter. Denen wird aber nicht mehr Arbeit gewidmet, bestenfalls erhalten sie ein kleines Alleinstellungsmerkmal, damit sie sich von den anderen unterscheiden: Willst du auf den pockennarbigen Typen mit der Knollennase oder lieber auf den dünnen mit den fettigen Haaren?

    Ich bin kein Fan davon, Kämpfe Abzufrühstücken. Jedes längere Abenteuer kann mal einen Kampf gebrauchen, in dem man mal ganz entspannt jemanden verdreschen kann - kann auch gerne mal eine Wirtshausschlägerei sein. Aber ein Kampf, der für die Helden keine Herausforderung ist, ist häufig unnötig. Eine Meute einfacher Banditen gegen hochstufige Charakter zu hetzten finde ich sinnfrei, bei mir erkennen die nach ein paar Kampfrunden den Fehler und türmen.

    Wir hatten auch schon den Fall, das die Gegner von unserem Meister ausgewürfelt wurden. Unterschied hats keinen Gemacht, ob der Gegner Schwert oder Speer hatte, haben eh alle gleich gekämpft. Das war dann wirklich Schwertfutter, in keinster Form eine Herausforderung und in meinen Augen recht unnötig. Es muss nicht immer eine herzzerreißende Story sein, und ich sag es immer wieder, das ich es in einer Mittelalterlichen Welt - und auch bei einem Ponyhof wie Aventurien - unpassend finde, wenn man jeden Gegner nur antötet und dann wieder zusammenflickt und laufen lässt, wenn er verspricht sich zu bessern. Heutige humanistische Maßstäbe anzusetzen in Situationen, die keiner von uns Nachvollziehen kann passt für mich einfach nicht.
    Aber reine Schwertfutter-Kämpfe ohne Persönlichkeit sind auch langweilig und im großen und ganzen Sinnfrei - sie leisten keinen Beitrag zum Spiel.

    Along the shore the cloud waves break,
    The twin suns sink behind the lake,
    The shadows lengthen
    In Carcosa.

    Einmal editiert, zuletzt von Sternenfaenger (10. Mai 2016 um 10:45)

  • Trotzdem steht hinter jedem Schwertfutter eine Geschichte, die man meist nie zu hören bekommt, aber ab und zu liegt da halt so jemand vor einem und winselt um Gnade. Dann wirds vielleicht schon interessant. Ebenso wenn man mit den Vorurteilen der Helden gegenüber einer Minderheit spielt. WIe findet es der Rest der Gruppe, wenn der Ork-Hasser ein orkisches Kind abschlachtet, oder abschlachten will? Wie gesagt, meist greift Schwertfutter halt an und stirbt schnell, aber nicht immer. In unserer D&D Runde damals entpuppte sich das Schwertfutter als der einzige Bruder und fast letzte Verwandte eines meisterhaften Assassinen. Dieser tötete daraufhin nach und nach die Familienmitglieder der Helden. Auch wenn man es im Kampf vergisst und es meist nicht wichtig ist, muss einem doch bewusst sein, dass man mit jedem Toten theoretisch eine Geschichte auslöscht.

  • Ein paar Gegner mit Hintergrund die mehr sind als einfaches Schwertfutter machen sich immer gut. Für alle wäre mir das hald deutlich zu viel Aufwand (und meistens sind die tot bevor man was von dieser Hintergrundgeschichte hört).
    Ein guter Gegner mit ausgearbeitetem Hintergrund ist allerdings meistens eine echte Bereicherung bei uns.

    Der vorliegende Text ist der Sache des Dunkels abträglich und nicht zur Veröffentlichung zugelassen. - Die Tagwache

  • Ja, da ist schon auch Improvisation vom Leiter gefragt. Aber wenn ich den letzten Gegner auf 3 LP runterhaue und er sich heulend ergibt, dann kann es ja schnell passieren, dass man den Kerl oder die Dame auch ausfragt. Wenn man dann als SL ein paar Hintergrundgeschichten parat hat ist das hilfreich und manchmal wird dann aus einem unwichtigem Schwertfutter ein NSC fürs Leben ;)

  • Gegner mit Hintergrund sind schön. Sowas füllt die Welt mit Leben.
    In meiner letzten Runde habe ich z.B. meiner Gruppe einen Oger vorgesetzt, der durchaus "menschliche" Charakterzüge hat. Zuerst wurde ihm das Bein abgehackt (wie war das gleich mit Kommunikationsproblemen?), dann wurde er versorgt und jetzt sind sie mit ihm befreundet. Ja, mit einem Oger.

    So sollte es sein. Wir haben mit solchen Aktionen neulich in einer DSA1-Runde den SL fast zur Verzweiflung getrieben, da so ein Verhalten vom Original-Kiesow-Abenteuer einfach nicht vorgesehen war.


    "Die Wissenschaft hat keine moralische Dimension. Sie ist wie ein Messer. Wenn man sie einem Chirurgen oder Mörder gibt, gebraucht sie jeder auf seine Weise." - Wernher v. Braun

    #hexenfanclub

  • In einer FAB-Episode von mir war eine ganze Bande als ein Haufen böser Jungs und Mädchen angedacht, aber die SC machen natürlich anders, als man als SL denkt. Ich wollte sie, von den SC gesehen, dies und das tun lassen. Da kam ich aber eben gar nicht zu.
    Als dann die meisten von den Jungs und Mädels gefangen waren, kam bei den SC die Idee auf, dass sich unter denen vielleicht was Brauchbares finden lässt zur Verstärkung der eigenen Reihen (Bürgerkriegs-Setting Nordmarken - Albernia). Also mit ihnen reden und Menschenkenntnis-Proben und so und es wurden vier raus gefischt, die dann in die nähere Befragung kamen, warum und wieso und überhaupt ... Die damit dann Hintergrund und Motivationen und Namen und all so etwas von mir bekamen.
    Schwuppdiwupp wurde aus einer Bande von Leuten mit unsympathischen Freizeitbeschäftigungen (die zu skizzieren ich direkt gar nicht zu kam) eine Gruppe von Leuten, die sehr unterschiedliche Beweggründe hatten, da mitzumachen und von denen einige eben auch sehr froh waren, da wegzukommen.

  • Ich entstamme ja so einer Adoptionsrunde, die alles an Gegnern aufsammelt und "wieder auf den rechten Pfad führt". Gut, bei meiner Al'Anfa Truppe geriert sich das eher als "Warum töten? Einen mehr an der Ruderbank kann man immer gebrauchen!", aber prinzipiell ist töten nur bei Dämonen und Oberfiesewichten das Mittel der Wahl.

    Daher habe ich auch die NSC-Liste eingeführt. Bevor ich als Meister ins Abenteuer starte, erstelle ich eine Liste mit Zufallsnamen in die die offiziellen NSC des Abenteuers eingearbeitet werden. Effekt: Ich kann schnell einen Namen aus dem Hut zaubern, ohne dass der Effekt von "OK, Meister denkt sich Namen schnell aus, ist nicht wichtig" aufkommt (daher auch die offiziellen NSC, so gucke ich immer auf die Liste ;) ). Bevor hier jetzt ein Strolch kommt mit "Also bei uns ist so was ja egal, aus Zufallsbegegnungen haben sich schon XY ergeben": Ich habe eine sehr ungeduldige Spielerin in der Gruppe, die sehr...ergebnisorientiert ist und auch schnell das Interesse/die Konzentration verliert, wenn etwas "unwichtig" ist. Der hilft das ungemein sich auf Situationen einzulassen und entspannt damit die gesamte Gruppendynamik. Also ja, Gegner haben Namen und Geschichten. Husto, der Oger und inzwischen Peraine initiiert dürfte da die Krönung sein :D .

    So ganz ohne Kampf geht es aber natürlich nicht, auch wenn die spärlich gesät sind bei uns. Da ich -systemunabhängig - kein großer Fan von Kämpfen bin ist der Deal bei uns: wenige Kämpfe, dafür jeder was besonderes. Wir hatten schon Kampf gegen Magier auf fliegendem Teppich ohne Gegenmagier in der Gruppe (Rekord bei uns: Er dauerte 4+h und das nicht, weil das runter würfeln so lange dauerte), Kampf gegen unsichtbaren Druiden, Kampf gegen Formation in engem Gang usw. Ist ja auch eine Form von Rätsel: Wie sollen wir den Gegner knacken? :)

    Der Himmel hat dem Menschen als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.

    - Immanuel Kant

  • Ich stamme ja aus Ehnys Runde und handhabe es größtenteils ähnlich. Wie sie schon erwähnte versuchen wir Kämpfe auf wenig, dafür denkwürdig zu begrenzen. Ich habe dann sicherlich nicht für jeden Gegner eine Lebensgeschichte parat (jedenfalls nicht im Voraus, bei Bedarf sauge ich mir was aus den Fingern oder bitte notfalls um Geduld, dass ich beim nächsten Abend was präsentiere), aber zumindest eine grobe Vorstellung WARUM die bereit sind zu kämpfen und wie weit sie dafür gehen lege ich mir zu Recht. Unsere Gruppe tendiert öfter mal dazu zu versuchen Konflikte durch Verhandlung und ähnliches zu entschärfen oder zu vermeiden oder auch den Gegnern die Chance zum Rückzug oder zur Kapitulation anzubieten. Da sollte man dann als SL auch wissen wer wann darauf eingeht.

    Frisches Beispiel war da das Abenteuer "bunte Scherben", wo einer der Antagonisten bei uns halt auch gleich die Waffen gestreckt hat als er (nachdem er schon begann zu ahnen, dass das nicht einfach "nur" ein Schmuggelauftrag war) einer kampfwilligen Praiotin gegenüberstand und dann halt sagte "Nein, dafür wurde ich nicht bezahlt und sowas mache ich auch nicht." seinen Degen wegwarf und auf volle Kooperation mit Nennung von Auftraggebern etc. schaltete. Hat sich für ihn letzlich gelohnt, weil er damit mit einer sehr niedrigen Strafe davonkam, was sehr zum Eindruck auch der Helden von diesem NPC gepasst hat.

    Noctum Triumphat