WdZ beschreibt viele magische Traditionen und Repräsentationen, und für alle steht auch jeweils eine breite Auswahl mehr oder weniger bekannter Sprüche im Liber Cantiones zur Verfügung. An mehreren Stellen finde ich jedoch, dass die Gildenmagie bevorzugt behandelt wird bzw. es einfach Lücken bezüglich anderer Traditionen gibt.
Am Auffallendsten ist das bei den Regeln zur Zauberwerkstatt: Hier wird schon in der Einleitung explizit erwähnt, dass Magieforschung fast ausschließlich von Gildenmagiern betrieben wird. So weit, so stimmig. Mir stellt sich aber nun die Frage: Was tun andere Magiekundige? Ist es allein der Gildenmagie vorbehalten, Sprüche aus fremder Repräsentation in die gildenmagische zu überführen, Zauber zu kombinieren etc? Wäre das tatsächlich so, würde das nicht bedeuten, dass die Gildenmagie letztendlich Überhand nehmen und zu einer Summe aller anderen Traditionen aufsteigen wird? Ist das so gewollt?
Aus meiner Sicht sollten Vertreter anderer Repräsentationen - insbesondere solcher mit Intuition als Leiteigenschaft - auch eine Möglichkeit haben, Zauber fremder Repräsentation in die eigene zu überführen oder ähnliches - ohne dafür Bücher wälzen zu müssen. Gerade die Proben auf Magiekunde, wie die Zauberwerkstatt sie fordert, halte ich für einen intuitiv zaubernden Magiekundigen für fehl am Platze. Die Anmerkung in WdZ, dass Forschung nur in der gildenmagischen Tradition als Selbstzweck akzeptiert wird, ist natürlich wahr, aber sollte es nicht auch für intuitiv zaubernde Magier eine Möglichkeit geben, auf ihre Art kleine und große Modifikation an Zaubern, die sie oft verwenden, durchzuführen - gemäß ihres Zauberstils eher unterbewusst und nebenher?
Zum selben Thema hier noch ein Beispiel aus der Alltagsmagie, das Gildenmagier bevorteilt: Beim Analys steht unten dran, dass er zum Rüstzeug jeder Magierin gehören sollte. Gleichzeitig liegt er aber nur in der gildenmagischen Repräsentation in nennenswerten Verbreitung vor (außer den Achaz können andere Magiewirker ihn nur in der gildenmagischen Repräsentation lernen).
Auf der einen Seite ist es offensichtlich, dass dieser Spruch vor allem bei den eher hesindegefällig arbeitenden Gildenmagiern verbreitet ist. Es überrascht mich aber, dass der Spruch in anderen Repräsentationen quasi nicht existiert. Klar ist, dass Magiertypen, die Intuition als Leittalent haben, keine Analysten sind, und etwa bei Hexen sehe ich es auch ein, dass sie den Spruch für ihren Magiestil nicht wirklich benötigen. Dass allerdings Geoden, Druiden oder Schamanen es nicht vermögen, das Geheimnis eines magischen Artefakts zu ergründen, finde ich etwas merkwürdig (Druiden und Geoden (Herren der Erde) haben ja auch Klugheit als Leiteigenschaft).
Ein Artefakt allein mit einem Odem und dem Talent Magiekunde zu analysieren, ist häufig unbefriedigend. Für eine Spielergruppe bedeutet das ja, dass sie, um von Fremden gewirkter Magie zu begegnen, nicht irgendeinen magiebegabten Gefährten, sondern häufig tatsächlich einen Gildenmagier brauchen. Ich finde, es fehlt ein wenig die Umsetzung von Intuition als Leittalent auf die Möglichkeiten des Magiekundigen. Sollte solch ein Charakter nicht imstande sein, gewirkte Magie intuitiv klarer wahrzunehmen als ein Gildenmagier, der sich auf das erlernte Wissen beruft? Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass etwa ein Geode oder Schamane mit einem Odem bereits mehr wahrnimmt als ein Gildenmagier (was eben keine regeltechnische Grundlage hat).
Also, zusammengefasst: Die Sache mit den Leiteigenschaften ist an sich in Ordnung, aber mir fehlen ein wenig die weitergehenden Möglichkeiten von Magietraditionen außer der Gildenmagie im Allgemeinen und von intuitionsbasierten Repräsentationen im Speziellen. Ich bin mal auf Meinungen dazu gespannt.