Ist zwar Film, aber ich packe es mal eher zu Karl May als Western.
Gestern kam ja der erste Teil der neuen Winnetou-Verfilmung. Da ich leider auf einer Familienfeier zu weilen hatte, habe ich es aufgenommen, und zwar die nächtliche Wiederholung in der Annahme, dass diese weniger Werbepausen haben würde.Dass diese nächtliche Wiederholung auch gleich 15 Minuten länger sein sollte, verwunderte mich.
Die Lösung war, wie mir mitgeteilt wurde, dass RTL dank Werbung von anderer Stelle um 20.15 den Film ohne Pause ausstrahlte ... Wer rechnet auch damit, und so hatte ich also 15 Minuten mehr aufgrund dreier Werbeblöcke.
Zum Film: Die richtige Musik, und schon fühlte ich mich wie zu Hause.^^
Wotan Wilke Möhring als Old Shatterhand finde ich gut: groß, blond, insgesamt für mich körperlich nicht so ansehnlich wie Lex Barker, aber beide geben physisch einen guten Shatterhand, auch wenn beide physisch der Romanvorlage keineswegs entsprechen.
Pluspunkte gibt es bei mir, dass Shatterhand nicht der Überheld ist. Besäuft sich, wenn er frustriert ist, hat mal Angst oder traut sich was nicht sofort. Überraschend fand ich, dass er sich nicht als Christ bezeichnete. Das ist zwar in den früheren Filmen auch nie thematisiert worden, aber das eindeutige nicht an Gott glauben war etwas, mit dem ich nicht gerechnet habe.
Ziemlich original fand ich den Boxkampf: hat zu Hause mal etwas geboxt, und haut ihn ratz-fatz um.
Das ist das, was im Roman Winnetou I im Übermaß geschah: hat ganz bescheiden ein bisschen geboxt, bisschen geschwommen, bisschen geritten, bisschen geschossen ... und kann all das besser als jeder Jahre-oder jahrzehntelanger Veteran.
Ich hätte es witzig gefunden, wenn einer der Punkte so auch noch mal aufgegriffen wurde, aber dazu durfte dieser Film-Shatterhand doch zu sehr Greenhorn sein, was ich aber angenehm fand.
Die stärkste Wandlung durchlief jedoch die Figur des Winnetou: ein junger, Kriegsbemalung tragender, kriegstreibender, skalpierender, nur gebrochen Englisch sprechender Indianer, oben ohne einen - mit Verlaub - unglaublichen Körper spazieren tragend. Optisch gibt dieser Albaner, Nik Xhelilaj, einen ganz wunderbaren Indianer und einen auch guten Winnetou mit diesen markanten, ernsten Zügen und zuweilen stolzem Auftreten.
Mit der Romanvorlage hat das soweit wenig zu tun, wirkt aber soweit an sich authentischer.
Es fehlte Klekhi-Petra, einer von vielen Mays edlen Über-Deutschen, was aber der Grund sein dürfte, weshalb Winnetou mehr Indianer sein darf.
Was mich zu dem Punkt bringt: Der Filme/die Filme haben eine gänzlich andere Herangehensweise und Interpretation des Stoffs. Das ist wichtig, das ist gut so.
Der Vergleich zu den alten Filme und deren Darsteller steht immer im Raum und die Nostalgie wird da selten einen objektiven Vergleich zulassen.
Also hat man es etwas düsterer, etwas schmutziger, mehr Western, mehr scheinbarer Realismus, mit einem Schuss Der Mit Dem Wolf Tanzt. Die Einflüsse der Vorlage sind dabei stark genug, dass es keine ganz eigene Geschichte ist, der man aus marketing-technischen Gründen bekannte Namen gab (das macht man gerne mit Howard-Verfilmungen und es bringt mich regelmäßig auf die Palme und enttäuscht mich jedes Mal ganz immens).
Man kann natürlich dennoch vorbringen, dass es mit dem Roman (den Romanen nicht viel zu tun hat/haben wird, aber das gilt nun völlig für die bisherigen Verfilmungen (da haben Winnetou I und Schatz im Silbersee und Unter Geiern noch erkennbare Ähnlichkeiten mit den Romanvorlagen, Der Ölprinz schon weniger, aber Winnetou II, III und Old Surehand erzählen Geschichten, die in den Romanen gar nicht existieren, von den Filmen, die gar nicht Romantitel als Titel tragen, mal ganz zu schweigen).
De Film ist anders genug, und tritt so gar nicht in echter Konkurrenz (für mich) zu dem alten Film (ganz davon abgesehen, dass die alten Filme heutzutage so gar nicht mehr funktionieren werden können), sondern steht meiner Meinung nach gut allein auf seinem eigenen Boden.
Die Maysche Schwarz-Weiß-Malerei der Figuren bleibt dabei bestehen, Kroatien bietet wie früher eine auch für meine Augen, die im echten Westen schon vor Ort geschwelgt haben, eine verblüffend amerikanisch anmutende Szenerie (wen auch mit mehr Wolken und grünem land), und die Musik holt ohnehin eine Menge raus.
Zu den anderen Figuren: Rattler war ganz dem Original folgend hemmungslos böse, Bancroft kann sich nicht durchsetzen und unterliegt Rattlers Einfluss. Was aus Tangua gemacht wurde, fand ich eher unpassend, da hätten sie dem Trinker-Indianer einen anderen Namen geben können.
Eigentlich überflüssig fand ich Sam Hawkens, so recht hatte der keine Funktion, außer am Ende einmal kurz einzugreifen, aber dafür hätte man die Figur nicht einführen müssen. Bei ihm habe ich habe auch tatsächlich die etwas höhere Stimme und das Humorige in seiner Dauerphrase vermisst, ebenso wie das eigenwillige Kichern. Das verbinde ich dann doch so sehr mit der Figur, dass es mir fehlte.^^
Nscho-Tschi als Schamanin war ein guter Schachzug, weil sie damit eine Funktion hat, außer hübsch auszusehen und in diesem Fall noch zu übersetzen.
Schön fand ich Marie Versini, Gojko Mitić und (nicht in dem Film) Mario Adorf in kleineren Rollen auftreten zu lassen.