Hallo!
Ich wollte eigentlich nichts mehr dazu schreiben, auch weil ich die Diskussion mit Myrkva nicht zielführend finde, da sie/er Vorstellungen von einem Rechtsstaat hat, die ich schon im Grunde nicht teile.
Das ist aber auch nicht der Grund warum ich mich hier noch mal melde, von daher bitte ignorieren, Myrkva
Wulfhart, mit deinem Post rennst du offene Türen bei mir ein.
Zunächst einmal sehe ich mich als Betroffener dazu angehalten, das scheinbare positive Bild von Evangelikalen zu korrigieren.
Ich selbst war nie Mitglied in einer Gemeinde und ich hänge auch nicht dem christlichen Glauben an, habe aber durch eine Freundin Jahre mit diesen Leuten zu tun gehabt (diverse Gottesdienste / Freizeiten mit meiner Freundin besucht etc) und meine daher sehr genau zu wissen wovon ich rede. Meine besagte Freundin war Mitglied in einer solchen Gemeinde und wäre am Ende fast daran zerbrochen, wenn sie nicht ausgestiegen wäre. (Ausgestiegen hört sich jetzt so an als würde es sich bei evangelikalen Gemeinden um Sekten handeln. Das ist in gewisser Weise auch so, allerdings ist die Problematik etwas komplexer, als dass man diese Gemeinen als reine Psychosekten abstempeln könnte - was sie aber mitunter AUCH sind).
Dass Evangelikale sich selbst davon distanzieren radikal oder gefährlich zu sein, habe ich sehr lange Zeit gehört.
Tatsache ist, dass sie – sofern man „sie“ allgemein als Gruppe der Evangelikalen bezeichnen kann – keine Menschen in die Luft sprengen und auch keine sonstigen Anschläge begehen. Insofern hast du recht.
Was ist nun das Problem?
Der Aussage, dass Evangelikale ihren Glauben niemandem aufzwingen würden, kann ich mit 90% widersprechen.
Es ist zwar richtig, dass Evangelikale direkt niemanden mit einem Messer bedrohen und so zum Glauben bekehren wollen; aber es findet von Seiten der Gemeinde eine manipulative Einwirkung auf die Psyche des Betroffenen ein, mit der erreicht werden soll, dass die Person nicht zweifelt und den Glauben annimmt. Das ist insofern problematisch, dass sich daraus bei vielen die ich kennen gelernt habe, psychotische Zustände ergeben haben, die in vielen Fällen eine therapeutische Behandlung notwenig machten.
In den USA ist dies übrigens noch extremer, da die Evangelikalen dort viel Einfluss besitzen und sich viel politisches Mitspracherecht angeeignet haben.
Wulfhart hat ein Beispiel von einem Pastor in den USA gebracht, der öffentlich den Koran verbrannt hat, und hat dann darauf verwiesen, dass nicht alle Evangelikalen „so wären“. Ich kann das nur bestätigen, sage aber, dass das rein gar nichts an der lebensfeindlichen und intoleranten Haltung dieser Gemeinden ändert. Ich kenne ebenfalls keine Gemeinden, die öffentlich den Koran verbrennen oder öffentlich zum Hass gegen Religionen aufrufen. Das tun sie aber intern bei sich in der Gemeinde, während den Gottesdiensten. Aber nicht in der Form wie man sich dies vielleicht vorstellt, sondern sehr latent und dennoch sehr offen. Man weiß auf jeden Fall, dass die Botschaft lautet: „Der Staat ist gottlos und wird daran zugrunde gehen“.
Wulfhart hat auch das Wort Respekt benutzt und es im Kontext zu dem Glauben anderer Menschen gesetzt. Das Problem ist auch hier, dass Evangelikale nicht in der Lage sind zu akzeptieren, dass es auch Menschen gibt, die rein gar nichts mit der Bibel zu tun haben, und dass dies nicht daran liegt, dass sie „verdorben“ sind, sondern schlichtweg einen eigenen spirituellen Weg gefunden haben mit dem sie glücklich sind. Sie sind so versessen darauf, Leuten zu sagen, dass sie mit ihrem Glauben falsch liegen, dass sie ihre eigene Floskel namens Respekt dadurch ad absurdum führen. Aber letztendlich ist es auch nur eine nichtgewollte Offenbarung, da Evangelikale faktisch keinen anderen Glauben außer dem ihren akzeptieren, sondern als vom „Satan gegeben“ ansehen.
Eine Gemeinde wird in der Regel nur von einem Mann geleitet oder von einem Ehepaar. Eine Frau alleine kann eine Gemeinde nicht leiten, da sie sich auch hier wortgetreu an die Bibel halten.
Falls jemand leise Zweifel an der Bibel hat oder beginnt kritisch zu werden, wird die Person von allen Seiten bearbeitet, und es wird so lange gebetet, bis als Zweifel ausgeräumt sind.
Evangelikale sehen den Staat als „Obrigkeit“ an, dessen Gesetze sie akzeptieren müssen, da dies auch in der Bibel vorgegeben ist. Dies ändert sich allerdings dann, sobald der Staat Gesetze erlässt, die der Bibel entgehen stehen. (Z.B. Rechte für Homosexuelle)
Das Weltbild der Evangelikalen ist sehr einfach gestrickt:
- Grundlage ist die wortwörtliche Auslegung der Bibel im Schwarz/Weiß-Prinzip (also nicht differenziert). Die Bibel darf nicht hinterfragt werden, sondern Inhalte dürfen nur insofern diskutiert werden, als dass man in einer Gemeinde unterschiedlicher Auffassung über bestimmte Bibelstellen haben kann, wie diese zu interpretieren sind.
- Aus Sicht der Evangelikalen gibt es nur für denjenigen Erlösung, der Jesus als alleinigen Retter angenommen hat. Alle die dies nicht tun, landen automatisch nach dem Tod in der Hölle. Dazu zählen wie gesagt auch Leute anderer christlicher Richtungen, die ihrer Meinung nach Jesus nicht angenommen haben, z.B. Leute aus der Katholischen Kirche.
- Die Welt ist „schlecht/böse“ und vom Glauben „abgefallen“. Es existiert nur ein Gut und ein Böse. Schattierungen oder „Grau“ gibt es nicht. Wie das „Gute“ und das „Böse“ aussehen entscheidet die Bibel (im Zweifelsfall die Evangelikalen in der jeweiligen Gemeinde )
- Alle Religionen (dazu gehört für die Evangelikalen auch das Christentum), werden abgelehnt, da ihrer Meinung nach die Religion eine Erfindung des Satans ist um die Menschen zu verführen; nur der Glaube an Jesus kann retten.
- Jede Sünde ist gleich schlimm: Also völlig egal ob Steuerhinterziehung, Völlerei, Lügen, Mord oder Homosexualität. Das ist das „offizielle“. „Inoffiziell“ oder „anders offiziell“ ist es so, dass in Gemeinden „Sünden“ wie Völlerei (also mehr essen als man nötig hat) eher nachsichtig behandelt werden, als z.B. Homosexualität. Insofern werden alle „Sünden“, die grundsätzlich mit Sexualität in Zusammenhang stehen, stärker verurteilt, obwohl man immer vorne sagt, dass jede „Sünde“ gleich schlimm wäre.
- Das Ziel der Evangelikalen ist es, dass sie in möglichst viele Gesellschaftsbereiche eindringen (quasi wie Scientology) und am Ende Deutschland wieder eine „Nation Gottes“ wird.
- Die Bibel hat immer recht. Sollte sie nicht recht haben, trifft automatisch der 1. Satz wieder in Kraft
Tja, warum schreibe ich das alles?
Weil ich es gefährlich finde, wenn Leute Werbung für eine scheinbar harmlose Glaubensrichtung machen, die aber nicht gefestigten Persönlichkeiten schweren Schaden zufügen kann.
Das Post über mir beinhaltete auch einen latenten Versuch die Leute dieses Forums dazu zu bewegen, sich zu Jesus zu bekehren, auch wenn dies auf den ersten Blick vielleicht nicht direkt ersichtlich ist.
Ach so, und wenn du die Medien kritisierst, kann ich dir als Ex-Beteiligter sagen, dass sie in dieser Sache ausnahmsweise nicht Unrecht haben, weil Fernsehen und Dokus eine Realität zeigen, die genau dem entspricht was in evangelikalen Gemeinden passiert.
Gruß
Schattenbaum