Antwort auf @Turajin , Post 112 und andere, in Bezugnahme auf Teile der Gesamtdiskussion. Tut mir leid das ich erst jetzt darauf antworten kann. Hatte zu tun und war mit dem Post mehrfach unzufrieden, weshalb ich es ein paar mal umgeschrieben habe. Bin immer noch nicht 100% zufrieden, aber perfekt wird es eh nicht ohne in Arbeit auszuarten.
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Wenn die Regeln X sagen, basierend auf Y und gefolgt von A und B, dann schränkt das in der Tat das Spiel ein. Es schränkt bereits ein wie du über X, Y, A und B denkst und wie du damit hantierst. Jede Regel in jedem Spiel ist zur gleichen Zeit Einschränkend und Ermächtigend. Die einen sind mehr vom einen, die anderen mehr vom anderen. Gehe ich beispielsweise davon aus das die Regeln die besten Regeln sind die es geben könnte? Gehe ich davon aus das die Regel Manöver X sowohl korrekt, als auch bestmöglich und allumfassend abbildet und das Ansage Y tatsächlich sinnvoll ist? Was wenn das nicht der Fall ist? Dann schränkt es mich sogar sehr deutlich ein das ich zu A und B gezwungen werde, selbst wenn ich denke das C und D viel sinnvoller und passend sind und das X von Anfang an ein Fehler und Y unangemessen war.
Das entscheidende bei all dem ist, dass es sich nicht um eine richtig/falsch Frage handelt. Die zentrale Schnittstelle ist zwar Binär und kann situationsabhängig switchen, aber sie ist nicht singulär festgelegt und nicht objektiv wertend. Gary Gygax hat zwar mit D&D das Rollenspiel erfunden, aber ich persönlich stehe da neben Leuten wie John Wick wenn ich sage das D&D eigentlich gar keines ist und auch nie eines war, sondern lediglich von einigen als solches verwendet wurde und das fälschlicherweise. Aber zigtausende sehen das nicht einmal im Ansatz so.
Deine Kernaussage (ich nehme aus dem Kontext deiner Aussage an das "Rollenspiel" eigentlich "Regelspiel" heißen sollte und ein Typo ist) ist meiner Ansicht nach falsch, aber der Schluß daneben ist richtig. Gutes Rollenspiel und gutes Regelspiel sind Gegensätze. Sie schließen sich nur nicht (wie du völlig richtig sagst) gegenseitig aus! Gegensätze sind sie nichts desto trotz!
Ich denke das ist der Punkt wo ich mich deutlicher hätte ausdrücken können und wo du mich vielleicht falsch interpretiert hast. Rollenspiel, mit wenig bis tendenziell keinen Regeln, kann Dinge die mit mehr Regeln nicht möglich sind. Regelspiel, völlig ohne Rollen, kann Dinge die durch Rollenspielelemente nur erschwert bis behindert werden. Allerdings gibt es nur Regelspiele ohne Rollenspielelemente. Rollenspiele ohne Regelspielelemente hingegen existieren nicht. Sie sind unmöglich, sofern man "Ich erzähle mir selbst eine Geschichte während ich allein zuhause bin" nicht mitzählt. Regeln sind nicht zwingend Würfelregeln. Allein schon die Feststellung wer wann was wie zu sagen und zu definieren/beschreiben/erklären hat ist eine Regeln. Also Narrative Rechte zu organisieren ist bereits nicht mehr Rollenspiel in absoluter Reinform. Und es ist bereits hier, bei Schritt #1 der Entfernung von diesem Reinzustand, eine Reduktion der Freiheiten. Aber eben eine aus Sicht der meisten Spieler absolut sinnvolle Reduktion. Wie weit diese Reduktion geht ist System- und Gruppenabhängig.
Die Frage die am Ende entscheidend ist kondensiert daher zu "Wo auf der Linie zwischen den Gegensätzen A und B stehe ich?" und "Wo stehen die Autoren meines Systems?", sowie "Unabhängig davon wo die Autoren stehen, wo haben sie ihr Produkt positioniert und haben sie das konsequent durchgezogen?".
Was nun die Frage angeht was gute und was schlechte Regeln sind stimme ich grundsätzlich @Turajin zu, dass es vorkommen kann das A und B die Regeln gut finden, C aber nicht. Wer davon jetzt der Spielleiter ist spielt keine Rolle. Allerdings trifft das nur auf einen Teil der Kriterien zu. Während viele Kriterien subjektiv sind haben einige einen objektiveren Charakter. Zum einen die recht komplexe Frage ob die Regeln in sich schlüssig sind, sich also nicht von Fall zu Fall in der Systematik und Funktionsweise widersprechen, aber zum anderen die sehr viel einfachere Frage ob sie funktionieren. Während dieser Teilaspekt über einen subjektiven Bereich verfügt handelt es sich dabei jedoch um eine Gabelung, denn es gibt durchaus objektiv funktionierende Regeln. Regeln die jeder versteht und die in sich schlüssig sind. Schach hat beispielsweise gute Regeln, weil sie verständlich sind, einfach und funktional. Sie sind leicht zu lernen, absolut unstrittig und sie sind ausgeglichen. Ob man ein solches Spiel überhaupt spielen möchte steht auf einem anderen Blatt, aber es hat nichts mit der Qualität der Regeln zu tun. Nun ist Schach zwar Schach und die meisten Rollenspieler sind komplizierter als das, aber das tut dafür nichts zu Sache das es immer Regeln gibt die effektiv besser sind als andere und sei es nur weil die einen von 90% der Leser verstanden werden und die anderen nur von 50%.
Im analytischen Bereich der Computerspiele-Entwicklung, also der Game Design Theory, unterscheidet man da gern zwischen ETL, ETL-HTM und HTL -> Easy to learn, Easy to learn - hard to master und hard to learn- HTL-HTM gibt es nicht, weil der HTM Part von HTL bereits impliziert ist. Spiele die leicht zu lernen sind sind denen gegenüber überlegen die schwer zu lernen sind, weil sie mehr Menschen erreichen. Aber schwer zu erlernende Spiele sind oft in Punkto Komplexität überlegen und geben dem Spieler dafür mehr für seinen Zeit- und Lerneinsatz. Die besten Spiele sind jedoch die Essenz von beidem, daher ETL-HTM. Sie sind leicht zu erlernen und je mehr man gelernt hat, desto flacher wird die Lernkurve, aber sie endet nicht einfach. Das Spiel ist komplex genug um die nötige Tiefe für echte Brillianz und für geniale Spielerideen zu bieten, aber es ist gut genug designed das es leicht zu erlenen ist. Beispiele, basierend auf Computerspielen: ARMA und EVE Online sind hard to learn, Battlefield die meisten Blizzard Spiele sind ETL-HTM. Reine ETL Spiele sind oft jene die leicht zu lernen sind und... dann nichts mehr kommt. Assassin's Creed ist so ein Spiel. Die Grundmechaniken zu erlernen ist sehr einfach und das war es dann auch bereits, da sie sich das restliche Spiel einfach nur wieder und wieder aneinanderreihen. Rollenspiele sind da nicht anders. DSA1 war beispielsweise Easy to learn. Ende. Sobald man es konnte kam nichts mehr. Die Regeln hatten keine Tiefe. Mit DSA2 und 3 wurde ETL-HTM. Bei DSA4.1 scheiden sich die Geister, aber für die meisten ist es schwer das aus einer Einsteigerperspektive zu sehen, weshalb ihre Sichtweise vorgefärbt ist. Änliches gilt für DSA5. Was das ist wird sich erst zeigen wenn es halbwegs ausgebaut ist. Soweit scheint es erstmal ETL zu sein, aber es tendiert bereits zu einem HTL Ansatz, mit Dingen wie nutzlosen Teilprobenerleichterungen und dergleichen.
Das perfekte Rollenspiel ist natürlich ETL-HTM, aber wo man diese Messlatte anlegt ist sehr individuell. Jeder hat eine andere Schmerzgrenze und betrachtet andere Investments als angemessen für einen bestimmten Return. Für mich sind die entscheidenden Stufen ob ich ohne Vorkenntnisse und mit weniger als einer halben Stunde Briefing einsteigen kann in ein bestehendes Spiel, ob ich mit weniger als einer Stunde als erfahrener Spielleiter imstande bin eine komplett neue Gruppe from scratch zu starten und ob es möglich ist mit dem System ohne jede Sitzungsvorbereitung einen Spielabend zu bestehen. Gleichzeitig muss es auch mit komplizierten Situationen zurechtkommen, ohne das es bricht und es muss eine über eventuell Jahre laufende Kampagne tragen können.
Im Fall von sphinx2k ist DSA 4.1 offenbar auf der Spielleiterebene* nicht ETL-HTM für ihn und ich halte es für nahezu ausgeschlossen das die Verantwortung dafür allein bei ihm selbst liegt. Es scheint eher HTL zu sein. Da hilft leider nicht viel, außer am Ball bleiben und Durchbeißen. Individuelle Unterschiede sind da völlig normal. Was für einige leicht ist macht anderen Schwierigkeiten und vice versa. Beide können das gleiche Ziel erreichen und vielleicht fällt es dir dafür später leichter. Ich habe ewig gebraucht um mich in die Mechanismen von EVE Online hineinzuquälen und am Ende war ich in der Führung einer äußerst erfahrenen Allianz für einen Teil der Militärischen Logistik und der Spionageabwehr verantwortlich. Bis es mir und einem Freund einfach zu diffus wurde und wir aufgehört haben zu spielen. Plagt mich von Zeit zu Zeit, wann immer ich daran denke das auf meinen Accounts noch 3 Carrier und 2 Dreadnaughts vor sich hinrotten, zusammen mit geschätzten 500 Non-Capital Raumschiffen...
Aber ich hätte da noch einen Tip für dich, sphinx2k : Wenn das Abenteuer dir X sagt und du X nicht verstehst oder sicher beherrscht, du aber Y verstehst, dann mach Y. Wenn das Abenteuer dir sagt du kannst einen Schrat dazupacken, du aber nicht verstehst wie genau der Schrat funktioniert, dann nimmt stattdessen doch einfach einen Troll oder zwei Oger. Arbeite mit dem was du verstehst und was du beherrscht, lerne konstant weiter und während deine Regelkenntnis zunimmt und du immer sicherer darin wirst die Regeln anzuwenden eskalierst du nach und nach die Komplexität deiner taktischen Elemente.
*Die meisten Rollenspiele sind leichter zu spielen als zu leiten, weshalb ein Spiel das ETL oder ETL-HTM für die Spieler ist für den Spielleiter genauso gut HTL sein kann.