Alternativeweltgeschichten

  • Hallo Leute,

    ausgehend vom Thread über einen SC aus einer Parallelwelt habe ich diesen Thread eröffnet, um die generelle Diskussion über Alternativweltgeschichten fortzusetzen. So kann der ursprüngliche Thread auch seinen ursprünglichen Zweck erfüllen und wird nicht für andere Diskussionen mißbraucht.

    In diesem Thread können wir über Alternativweltgeschichten und die Logik von Zeitreisen im Allgemeinen diskutieren und uns über spezielle Alternativweltgeschichten austauschen.

    Seid wachsam gegenueber den Maechtigen und der Macht, die sie vorgeben, fuer euch erwerben zu muessen! (Kurt Tucholsky)

  • Der Große Süden

    Diskussion aus dem anderen Thread:

    Zitat von "Ronald_Saveloy "


    Vielleicht hilft dir der Ansatz aus "Der große Süden" bei dem Rückkehrdilemma:

    Der Protagonist gelangt mittels einer Zeitmaschine vom Jahr 1944 in das Jahre 1863. Dort verändert er den Verlauf der Schlacht von Gettysburg, die in seiner Zeitlinie von den Südstaaten gewonnen wurde. Dadurch wird aber die Zeitmaschine nie erfunden und er ist in unserer Zeitlinie (in der der Norden bei Gettysburg gewann) gestrandet.

    Zitat von "Narne "


    Wobei der Autor dabei anscheinend einen fehler gemacht hat: Wenn die Zeitmaschine nie erfunden wurde, dann hätte die Hauptfigur auch gar nicht in die Vergangenheit reisen können, und die Erfindung der Zeitmaschine verhindern können, wass dann wieder zur Folge hat....
    Kann mir jemadn folgen*G* Das Ganze nennt man ein Zeitparadoxon, wenn ich mich nicht irre

    Narne

    Es ist kein Zeitparadoxon mehr, wenn wir davon ausgehen, daß jede Entscheidungsmöglichkeit zu einer Unzahl von Alternativwelten führen kann. Es wird aber nur eine einzige Möglichkeit letztendlich Realität.

    Im Buch ist folgendes geschehen: Hodge Backmaker (der Protagonist) stammt aus einer Alternativwelt, in der die Südstaaten die Schlacht von Gettysburg und auch den Bürgerkrieg gewonnen haben. In dieser Zeitlinie hat Hodge geheiratet und es wurde eine Zeitmaschine erfunden.
    Mit dieser Zeitmaschine macht Hodge eine Zeitreise in das Jahr 1863 (der Roman spielt 1944) um die Schlacht von Gettysburg zu beobachten. Er gibt dem Erfinder der Zeitmaschine die Anweisung, ihn nach einer bestimmten Zeit zurückzuholen.
    In der Vergangenheit greift Hodge ungewollt in der Verlauf der Geschehnisse ein und der Süden verliert die Schlacht. Unsere Zeitlinie entsteht und die Zeitlinie, aus der Hodge stammt existiert nicht mehr. Folglich wurde auch keine Zeitmaschine mehr erfunden und Hodge ist in unserer Zeitlinie gestrandet.

    Seid wachsam gegenueber den Maechtigen und der Macht, die sie vorgeben, fuer euch erwerben zu muessen! (Kurt Tucholsky)

  • Natürlich ist es etwas seltsam, aber eigentlich möglich. Wenn man davon ausgeht, dass es mehrere Alternativen gibt, und das tut man ja wohl wenn man Alternativeweltgeschichten schreibt, dann kann so etwas durchaus passieren. Außerdem ist er ja in der Zeit zurückgereist, als es die Zeitmaschiene noch gab. Er hatte also die Möglichkeit.

    Und wenn auch dem, der Geschichte schreibt, durchaus nicht derselbe Ruhm folgt, wie dem, der Geschichte macht, scheint es mir doch höchst schwierig, Geschichte zu schreiben.
    Sallust

  • Nun was heißt "wenn man Alternativweltgeschichten schreibt"?
    Das ist physikalisch durchaus nicht auszuschließen. Im Gegenteil! Der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman beschäftigt sich sehr intensiv mit diesem Problem, ausgehend von der Tatsache (und seiner Idee), dass ein Teilchen scheinbar einen Weg von Punkt A nach Punkt B nicht auf einer diskreten Bahn, sondern vielmehr auf allen möglichen Bahnen zurücklegt. Wenn man diese physikalische Wahrheit akzepiert hat, ist der Schritt zu dem Gedanken, dass dementsprechendes auch auf den Makrokosmos anwendbar ist, nicht mehr allzu groß und tatsächlich physikalisch durchaus denkbar, ja mittlerweile sogar von den meisten Physikern postuliert und akzeptiert.
    Also sind solche Alternativwelten nicht nur reine Fiktion, sondern ein interessantes physikalisches Phänomen.
    Wen es näher interessiert, dem empfehle ich ma in Feynman reinzulesen. Er hat durchaus auch populärwissenschaftliche Veröffentlichungen, die soweit verständlich sind...allerdings bin ich grade unsicher, ob er in denen auf Alternativwelten eingeht. Bei Steven Hawking findet man aber auch was dazu und da definitiv für jederman.

  • Zeitreisen haben mit dem Großvater-Paradoxon zu tun. Alternative Geschichte nicht, oder nur dann, wenn sie mit einer Zeitreise (wie in Der Große Süden) verbunden werden.
    Alternative Geschichte zeichnet sich dadurch aus, daß eine bestimmte Sache anders verläuft und dann wird darüber spekuliert, was daraus entehen hätte können. dadurch, daß bei vielen Gelegenheiten etwas hätte anders verlaufen können, gibt es natürlich schier unendliche Alternativen.
    Die meisten Alternative-Geschichte-Romane und Geschichten (die mir bekannt sind) kommen ohne Zeitreisen aus.
    Allerdings ist "Der Süden gewinnt den Bürgerkrieg" ein beliebtes Thema, denn das ist mir schon öfter unter die Augen gbekommen.

    Hier noch mal (aus besagtem anderen Thread) ein Auszug von Romanen und Anthologien, die sich damit beschäftigen:

    Harry Turtledove: How Few Remain (gibt es nicht in deutscher Übersetzung): General Lees verloren gegangene Order über seine Truppenaufstellung vor Fredericksburg wurden rechtzeitig gefunden von den eigenen Leuten statt von Nordstaatlern und daraufhin gewann der Süden (einmal mehr^^) den Bürgerkrieg und 20 Jahre später stehen sich Norden und Süden einmal mehr im Bürgerkrieg gegenüber (und wer daher nicht noch alles lebt).

    Martin Cruz-Smith: Der andere Sieger: Nach der Schlacht am Little Big Horn gelang es Sitting Bull, die dprt beteiligten Stämme zusammenzuhalten und noch weitere zu vereinen - und im 20. Jahrhundert gibt es neben den USA auf dem norsdamerikanischen Kontinent einen mächtigen Indianerstaat.

    Carl Amery: An den Feuern der Leyermark: 1866 wird ein Restposten aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, Rifles, bestellt - nichtsahnend, daß daß nicht nur die Gewehre, sondern auch die Schützen bezeichnet. Preußen hat so keine Chance gegen diese 560 Söldner auf der Seite Bayerns und die Leyermark (Bayern) wird zum bedeutensten Staat Mitteleuropas.

    Philip K. Dick: Das Orakel vom Berge: Davon ausgehend, daß Deutschland und Japan den 2. Weltkrieg gewonnen haben und die USA unter sich aufteilten. Die Deutschen praktizieren weiterhin ihren Rassismus, die Japaner entwickeln sich zu einer toleranteren Besatzungsmacht und sogar dulden einen Autoren, der ein Buch über die Überlegung schreibt, wenn Deutschland und Japan den 2. Weltkrieg verloren hätten.

    Herausragend sind aber einfach die beiden Anthologien: Alexanders langes Leben und Stalins früher Tod
    sowie
    Wenn Napoleon bei Waterloo gewonnen hätte.
    Alternative Geschichte wurde bereits von den Römern geschrieben (Titus Livius) und auch Churchill hat sich Gedanken darüber gemacht und in beiden Anthologien wird die unsere Geschichte von der Alten Geschichte bis zum 2. Weltkrieg neu gesponnen, wenn eine bestimmte Sache geschehnen oder auch nicht geschehen wäre.


    Wobei gerade Harry Turtledove noch weitere Romane alternativer Geschichte geschrieben (The Guns of the South, das kenne ich nicht, aber soweit ich mich an die Inhaltsangabe erinnere, bekommen die Südstaatler durch Zeitreisende aus der Zukunft moderne Waffen, um den Bürgerkrieg gewinnen zu können und damit die SKlaverei zu erhalten und andere Romane von ihm beschäftigen sich mit einem Ersten Weltkrieg und die Zeit davor, wenn der Süden gewonnen hätte).

  • Ich denke, die beiden beliebtesten Szenarien für Alternativweltgeschichten sind:
    Die Südstaaten gewinnen den Bürgerkrieg (besonders bei Amerikanischen Schriftstellern)
    Die Nazis gewinnen den Zweiten Weltkrieg

    Oft sind es gerade Kriege, die in Alternativweltgeschichten der Konvergenzpunkt sind. Es erscheint eben recht einfach zu sagen, daß ein Krieg anders verlaufen ist und deshalb die Weltgeschichte einen anderen Verlauf genommen hat. Dabei ist aber nicht jeder Krieg dafür geeignet, einen großen Einfluß auf die Weltgeschichte zu haben.

    Was wäre denn, wenn das Deutsche Kaiserreich mit der Frühjahrsoffensive 1918 den ersten Weltkrieg gewonnen hätte? Sicherlich wäre dann in Deutschland nicht die Weimarer Republik ausgerufen worden und die Nazis hätte nicht 1933 diese Republik beseitigt.
    Andererseits glaube ich nicht, daß es nicht doch zu einem Zweiten Weltkrieg gekommen wäre, wenn auch unter anderen Vorzeichen; Vielleicht Frankreich und England als Revanche gegen das übermächtige Deutsche Reich oder die Westeuropa unter Führung des Deutschen Reiches gegen Sowjet-Russland?
    Das für Historiker wirklich interessante sind die sozialen und kulturellen Auswirkungen des Konvergenzpunktes. Vielleicht wäre das Kaiserreich nach dem Ersten Weltkrieg wesentlich demokratischer gewesen, als das Kaiserreich vor dem Krieg, da Kaiser Wilhelm II während des Krieges einige Zugeständnisse an die Demokratie machen mußte (Abschaffung des Drei-Klassen-Wahlrechts, mehr Einflußmöglichkeiten des Reichstages etc.) Auf dem Kulturellen Feld hätte Deutschland sicherlich den Ton angegeben. Statt Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hätten die Preussischen Tugenden vorgeherrscht und das in vielen Teilen der Welt. Doch wie hätte sich die Vormachtstellung Deutschlands auf Osteuropa ausgewirkt? Österreich-Ungarn war bereits 1914 ein Vielvölkerstaat, der nur mit Ach und Krach zusammengehalten wurde. Und das Deutsche Reich hätte sich nach dem Sieg 1918 weitere Nationale Minderheiten, besonders Polen und Franzosen einverleibt, die natürlich die Homogenität der Reichbevölkerung empfindlich störten.

    Ähnliche Fragen wurden auch in der Fernseh-Dokumentation "Tag X" gestellt. Diese Serie rekapituliert die Ereignisse von entscheidenden Tagen der Weltgeschichte, nämlich der Eroberung von Tenochtitlan durch Hernando Cortez 1543, die Belagerung Wiens durch die Türken 1683 und der Fall der Bastille 1789. In der ursprünglichen Version der Serie ging man noch der Frage nach, was wäre wenn? Was wäre, wenn die Azteken Cortes Heer vernichtet und die Spanier aus Mexico vertrieben hätten? Was wäre, wenn die Türken wie erobert und dananch Mitteleuropa überrannt hätten? Was wäre, wenn das Französische Heer eingegriffen und die Revolution blutig niedergeschlagen hätte. Gerade diese Gedankenspiele machen Geschichte so interessant und Alternativweltgeschichten für die Geschichtsforschung wertvoll, da sie der beantwortung der zentralen Frage der Geschichtswissenschaft helfen: Warum sieht unsere Welt heute so aus, wie sie heute aussieht?

    Seid wachsam gegenueber den Maechtigen und der Macht, die sie vorgeben, fuer euch erwerben zu muessen! (Kurt Tucholsky)