Ich gehe davon aus, dass Kämpfer zu allen Zeiten bestrebt waren, die für sie jeweils optimale Waffe zu führen.
Gut! Das taten sie ja auch und es war eben nie das Schwert als Primärwaffe des Krieges. Das Schwert ist allem voran eine Zivile Waffe. Eine Alltagswaffe. Im Krieg dominierten jedoch immer andere Waffen, weil diese besser waren für den Kampf. Speer und Axt, sowie alle Variationen davon. Sowohl beim Adel, als auch beim Fussvolk.
im Gegensatz zu manchem Fantasy-SC konnte der irdische Kämpfer normalerweise nicht ein komplettes Waffenarsenal am Mann tragen, um dann je nach Gegner und Situation die jeweils optimale Waffe auswählen.
Dann bau eine Zeitmaschine und sage ihnen das, denn genau das taten sie, scheinbar unwissend das sie das nicht konnten. Das taten sie, Spaß beiseite, tatsächlich und das war auch der Grund weshalb ein Ritter mitunter 3-4 Personen Tross benötigte nur für seine Ausrüstung und seine 2-4 Pferde. Die Kriegerelite führte eine Vielzahl an Waffen ins Feld und kämpfte auch je nach Bedarf damit. Dabei war das klassische Schwert übrigens nie die Waffe der Wahl.
Es ist dokumentiert das Ritter auf Kriegszug unter anderem mehrere Lanzen/Speere mitführten, dazu 1-2 Streitäxte und mehrere Streitkolben, sowie mehr als einen Schild. In der Regel aber nur ein einzelnes Schwert. Ersatzschwerter waren extrem ungewöhnlich, schlicht weil man sie nicht brauchte. Man kämpfte ohnehin so gut wie nie mit dem Schwert, also ging es auch selten verloren oder kaputt.
Mein Beispiel der Byzantinischen Kaisergarde war daher auch wohl überlegt, denn die führten durchaus ein solches Arsenal ins Feld. Streitaxt, Handaxt, Schild, Schwert und Dolch. Ist doch ein ziemliches Arsenal und die Streitaxt führte man vor allem dann wenn man mit Schildträgern auf der Gegenseite rechnete. War das nicht der Fall war der Speer viel wirkungsvoller, denn ein Schildtragender Panzer mit einem guten Speer ist viel gefährlicher als jemand der schlechter gerüstet ist.
Sowiso war für die Kriegerelite immer der Speer die Hauptwaffe schlechthin, egal ob man ihn jetzt als Speer oder Lanze bezeichnet. Der Begriff ist historisch verwaschen und austauschbar. Nur der Speer, eingesetzt vom Pferd, bietet maximales Tötungspotential bei maximaler Sicherheit für den Benutzer. Er war im Melee eine Mehrfachwaffe, bei der das Pferd selbst als Abstandshalter diente und ansonsten war er ab Galopp eine fast sichere One-Shot-One-Kill Waffe.
Übrigens zeigt sich die Zivile Natur des Schwertes und seine geringe Bedeutung als Kriegswaffe noch in zwei anderen Punkten. Zum einen ist da die juristische Geschichte, der wir entnehmen können das Schwerter weitgehend als Seitenwaffen des Adels und Bürgertums galten. Sie waren per Definition zivile Waffen. Zum anderen wäre da der Blick zum größten Schwertkult der Geschichte, den Samurai. Bei all dem Gewese und Gehabe um das Katana griff ein Samurai im Krieg keineswegs zu diesem Schwert. Er trug es im Gürtel, so er denn lustig war (Wakizashi und Tanto reichten auch), aber die Waffe zu der er griff war der Speer, die Schwertlanze oder das Kriegsschwert. Jeweils vergleichbar mit Speer, Sturmsense und Zweihänder. Kriegsschwert und Zweihänder waren dabei gleichermaßen exotische Ausnahmewaffen, die nie flächendeckend Anwendung fanden.
Mir ist bewusst wie tief das Schwert im kollektiven Mythos und in der kollektiven Ikonographie verankert ist, aber das ist für sich bedeutungslos für die Betrachtung seiner Wirksamkeit. Die Filme unserer Kindheit sind schlicht falsch und viele Standbilder und Buchillustrationen der Vergangenheit sind geschönt, basieren auf falschen Vorstellungen oder waren schlicht falsch. So passiert es dann eben auch das Pontius Pilatus oder Longinus in zahlreichen Darstellungen herumlaufen in Rüstungen des Mittelalters. Waren das Zeitreisende? Nein, natürlich nicht. Die Zeichner hatten nur schlicht keine Ahnung wie Römer aussahen, oder sie wollten es dem Betrachtet einfacher machen persönliche Identifikation zu erfahren.
Gerade im Fall der Waffengeschichtsforschung würde ich Abstand halten vor JEDER Form von historisch-anachronistischer Sekundär- und Tertiärquelle. Das ist ein Bereich wo vieles grade erst im Verlauf der letzten Jahrzehnte von grundauf neu entschlüsselt und viel für wahr geglaubtes widerlegt wurde. Vieles davon auch erst durch die Experimentalarchäologie. Die Hellebarde und wie man damit kämpfte sind ein gutes Beispiel dafür, denn lange Zeit hatte man sich ausgedacht das damit vor allem wuchtig ausholende Schläge geführt worden sein müssen. Das dies rein physisch so gar nicht möglich war scherte niemanden.
Historisch wurden Schwerter ausschließlich dann und dort als Primärwaffe eingesetzt, wo der Krieg extrem asymmetrisch war und Praktikabilität eine übergeordnete Rolle spielte. Das war fast ausschließlich der Fall bei Massackern wie Bauernaufständen, sowie in den Phasen des endgültigen Niedergangs des Nahkampfes an sich. Auch hier darf man sich übrigens nicht auf historische Illustrationen verlassen, denn auch da überwiegt die Bildersprache. Kavallerie wird beispielsweise gern mit gezogenem Säbel gezeigt und wir alle kennen sie so auch aus Filmen und anderen Unterhaltungsmedien. Tatsächlich aber kämpften sie überwiegend noch bis zum Ersten Weltkrieg mit einer anderen Waffe: Der Lanze. Sobald verfügbar übrigens direkt gefolgt von der Pistole und dem Karabiner. Das Schwert? Auch in seiner Säbelform eine Notwaffe, die man im Kampf erst nutzte nachdem man alle anderen verbraucht hatte oder nicht einsetzen konnte.
Im modernen Sinne ist das Schwert mit der Pistole vergleichbar. Jeder kann eines tragen, ohne größere Komforteinbuße. Deshalb hat jeder Polizist, jeder bewaffnete Sicherheitsmann, jeder Agent und so weiter auch eine Pistole. Aber die SWAT benutzt trotzdem Maschinenpistolen und Karabiner. Daher passt auch die Metapher "Sword" auf die Pistolen zu schreiben bei Romeo und Julia so gut. Schwert und Pistole sind wehrtechnische Nachbarn. Witzigerweise haben sie praktisch die exakt gleichen Vor- und Nachteile. Und genauso wenig wie es historisch kriegsrelevante Einheiten von Schwertträgern hab gibt oder gab es je kriegsrelevante Einheiten von Pistoleros.