Einen „unerfahrenen“ Charakter spielen und entwickeln

  • Phex zum Gruße!

    Ich wollte mal eine Frage in die Runde werfen, hat von Euch schon mal jemand einen unerfahrenen Charakter (evtl. gar eine ganze Gruppe!) gespielt/gemeistert?

    Wie sind da euere Erfahrungen mit dem Spiel aber gerade auch mit der Entwicklung im späteren Heldenleben (Weihe, Krieger- Magierausbildung usw.)?

  • Eine "Kinder- Jugendlichengruppe"?

    Nietzsche und Amazeroth - Also sprach Zarathustra (zweiter Teil):

    Was erschrak ich doch so in meinem Traume, dass ich aufwachte? Trat nicht ein Kind zu mir, das einen Spiegel trug?

    "Oh Zarathustra - sprach das Kind zu mir - schaue Dich an im Spiegel!"

    Aber als ich in den Spiegel schaute, da schrie ich auf, und mein Herz war erschüttert: denn nicht mich sah ich darin, sondern eines Teufels Fratze und Hohnlachen.

  • Puh ich muss sagen, dass DSA mit niedrigstufigen Anfängerhelden fast unerträglich ist. Die Spielemechanik der 3W20-Porbe sorgt dafür, dass man praktisch nichts schaffen kann (eine Probe +-0 ist nicht leicht).
    Ich würde daher er ein narratives Spiel empfehlen, oder mit massiven erleichterungen auf die Proben arbeiten.

    Along the shore the cloud waves break,
    The twin suns sink behind the lake,
    The shadows lengthen
    In Carcosa.

  • Ich habe über mehrere reale Jahre eine Kinderheldenkampagne (Kapitel 1 waren sie 8-10 Jahre) geleitetet und ähnlich wie bei Harry Potter gab es nach jedem Kapitel einen 1-2 Jahre ingame Schub. Problematisch war vor allem, dass sich die Helden im Vergleich zu normalen Helden kaum verbessern können. Man bekommt schnell das Gefühl, auf der Stelle zu treten.

    Ansonsten war es ein sehr spaßiges Experiment, dass jedoch nicht allen Spielern auf lange Zeit gefallen hat "wollten dann lieber mal wieder richtig loslegen". Letztendlich ist die Kampagne auch nicht zu Ende gespielt worden, weil manche Spieler keine Lust mehr hatten. Mein Tipp: Vorher eine Spielzeit festlegen (verlängern kann man immer, aber Abbruch vor Finale ist immer schade) bzw. die Kampagne nicht zu groß planen.

    Manche Helden wurden von einzelnen Spielern auch ins richtige Heldenleben übernommen und wurden sehr lange gespielt. Meiner Erfahrung nach kommt kein normaler Held auf so einen reichen Hintergrund und man kann auch im späteren Spiel sehr viel herausholen. Gerade für Themengruppen lohnt sich ein kurzer Ausflug in die frühe Heldenzeit!

    Eine andere Kampagne hatte den Hintergrund "normale Bürger mit einem großen Problem". Das waren zwar richtige, jedoch unerfahrene Helden, bei denen auch die Professionswahl und Steigerungsmöglichkeiten (bürgerliche Talente, aber kein Kampf, Magie etc.) beschränkt waren und das AP Einkommen gedrosselt (sonst wären sie zu schnell keine einfachen Leute mehr) wurde.

    Unter dem Strich finde ich solche Experimente gut und besonders für erfahrene Rollenspieler sind sie eine willkommene Abwechslung. Die langfristige Motivation ist für manche Spieler aber gering und man sollte als SL nicht zu viel vorausplanen. Zudem sind ein langsamer Fortschritt und "einfache Probleme" (Schwierigkeitsgrad) wichtige Faktoren - unerfahrene Helden sind nun mal keine "Vollhelden".

    Besonders gut eignen sich unerfahrene Helden für lokale Kampagnen und Themengruppen. Auch für Spielrunden, die den Fokus aufs Charakterspiel legen und sich an den unzähligen sozialen Verknüpfungen (z.B. Dorf, Stadtviertel) erfreuen ist das Spiel gut. Der Zeitraffer erlaubt ein ganz neues Spielerlebnis (die Familie, Dorfgeschicke usw. in Bewegung erleben).

    2 Mal editiert, zuletzt von x76 (13. April 2023 um 11:32)

  • Phexgeschwind 13. April 2023 um 14:03

    Hat das Label DSA 5 hinzugefügt.
  • Also ok, etwas zu wenig Infos.

    Ja ich meinte DSA5 und „Unerfahren mit 900 AP“

    Zuerst geht es jetzt nicht unbedingt um eine ganze Gruppe, eher um 1 bis 2 Spieler, die halt quasi als Jugendliche in ein Abenteuerleben schlittern, auch mit „erfahrenen“ Helden ihre Abenteuer erleben.

    Ein dickes Dankeschön schon mal an x76 für seinen ausführlichen Bericht.

    Habe jetzt auch gehört dass das DSA5 Abenteuer „Die Zauberschüler“ sich mit dem Thema beschäftigt, das werde ich mir mal zulegen,

  • Zuerst geht es jetzt nicht unbedingt um eine ganze Gruppe, eher um 1 bis 2 Spieler, die halt quasi als Jugendliche in ein Abenteuerleben schlittern, auch mit „erfahrenen“ Helden ihre Abenteuer erleben.

    Das sollte keine besonderen Probleme bereiten. Manche Spielgruppen haben extreme Unterschiede beim AP Stand und sind sehr glücklich damit.

    Die eigentliche Schwierigkeit ist, dass sowohl der SL als auch die Spieler der erfahrenen Helden sich immer der schwachen Helden bewusst sein müssen. Für den SL bedeutet das Abenteuer so anzupassen, dass auch die Kleinen einen echten Beitrag leichten können und dass die schweren Abenteuer der Großen nicht zur Lachnummer verkommen. Die erfahrenen Helden müssen sich hingegen öfter zurückhalten, damit sie den Kleinen nicht die "Berechtigung" nehmen. Hilfreich ist es, wenn die "Kleinen" alleine eine Nische besetzen (sie können etwas, dass kein anderer kann).

    Meiner Erfahrung nach ist eine sehr gute Abstimmung unter den Spielern der wichtigste Punkt, denn sonst ist Frust für die "Kleinen" fast sicher.

    Unabhängig davon ist der EG unerfahren bei DSA 5 ein Thema für sich. Es gibt viele Heldenkonzepte, die man selbst auf "erfahren" oder noch mehr AP kaum "realistisch" hinbekommt. So eine Profession in 900 AP zu quetschen, bedeutet erhebliche Einschränkungen und eine gewisse Schmerztoleranz des Spielers "Held kann gefühlt gar nix".

    Einfache Professionen mit schmalen Fertigkeitsanforderungen (Profession wird über wenige Talente abgebildet) kommen mit 900 AP gut hin, aber wer glaubt z.B. einen funktionstüchtigen Kämpfergeweihten (z.B. Rondra) hinzubekommen, wird sicher bitter enttäuscht. Je umfassender die Erwartung ist (am Beispiel Rondrageweihter -> Erwartung: ist Priester UND Kämpfer UND übernatürlich Begabter), desto größer ist sicher die Enttäuschung.

    "Er ist geradeso ein Wunderwirker, ein noch schlechterer Priester und kämpferisch reicht es nur, um die Waffen anderer Kämpfer putzen zu können", ist eine deutlich realistischere Erwartung (und da wird man auch nicht enttäuscht). Also Quasi so etwas wie ein Rondra Knappe in den ersten Jahren der Ausbildung: kann etwas beten (Karma einsetzen), macht im Job vor allem Hilfstätigkeiten (geht erfahrenen Priestern zur Hand und kann sich trotz erfolgter Weihe kaum Rondrageweihter nennen) und ist sonst kaum mehr als ein Knecht (Kämpferisch immer noch ein Tölpel und auch sonst nur für einfachste Aufgaben zu gebrauchen). So ein "Held" ist aber vielleicht nicht das, was ein Spieler erwartet, wenn er sich einen Rondrageweihten erstellt. Aber er ist ziemlich sicher das, was er bekommt wenn der RG mit 900 AP erstellt wird. ;)

    Wenn ihr die beiden Punkte "Rücksicht" und "Heldenerwartung" meistern könnt, sollte Eurer Vorhaben gelingen.

  • Es kommt auf die Einstellung der Spieler zum Spiel und zueinander an. Obwohl in unserer Gruppe viele alte Hasen unterwegs sind, achtet man darauf, dass die AP nicht verschieden sind, obwohl einige von uns Erfahrung mit Gruppen haben, in denen Charaktere verschiedenen Fertigkeitenlevels waren.

    Wenn sie davon berichten, dann meist vom Reiz des Rollenspiels abseits der Würfelmechanik. Unser SL begann die DSA Karriere als Knappe eines Ritters, wobei der Ritter wesentlich mehr AP hatte. Dennoch machte es dem Knappen Freude die Welt so spielerisch kennenzulernen, da dieses über die Lehrmeisterrolle des Ritters erfolgte, also InGame.

    Weiterhin solltest du bedenken, dass 900 AP Chars frustrierend sein können, wenn du einen würfellastigen Spielstil hast. Wenn ich SL wäre, würde ich mir genau überlegen, wie man solchen Charakteren, neben reizvollem RP, dennoch Heldenmomente liefern kann. Entweder könnten sie sich frühzeitig spezialisieren, um eine Sache gut zu können - z.B. Überreden oder Fährtenlesen oder Sinnesschärfe - um ihnen mit dieser Fähigkeit (richtige Frau am richtigen Ort zur richtigen Zeit) zu glänzen. Ausserdem würde ich Jungspielern ein Phexartefakt unterjubeln, dass ihnen einen extra-Schicksalspunkt verleiht, wobei das Artefakt danach verbraucht ist, eine Art Extraglück.

    Sollte die Gruppe nur aus niedriglevligen Charakteren bestehen, würde ich die Herausforderungen so anpassen, dass selbst bei einem Fehlschlag ein Erfolg besteht. Sagen wir die Spielerin klettert an einer Fassasde, verhaut die Kletternprobe - sie stürzt nicht etwa in die Tiefe, sondern ein wenig Putz löst sich von der Wand und rutscht in die Tiefe, wo dies vielleicht von einer Wache bemerkt wird und damit die Situation dynamisch und dramatisch verändert, ohne die Heldin gleich aus dem Spiel zu nehmen.

  • Sollte die Gruppe nur aus niedriglevligen Charakteren bestehen, würde ich die Herausforderungen so anpassen, dass selbst bei einem Fehlschlag ein Erfolg besteht. Sagen wir die Spielerin klettert an einer Fassasde, verhaut die Kletternprobe - sie stürzt nicht etwa in die Tiefe, sondern ein wenig Putz löst sich von der Wand und rutscht in die Tiefe, wo dies vielleicht von einer Wache bemerkt wird und damit die Situation dynamisch und dramatisch verändert, ohne die Heldin gleich aus dem Spiel zu nehmen.

    Das ist generell eine gute Idee, finde ich, nicht nur bei Anfänger-Charakteren.

    Was mir noch einfällt: unerfahrene Helden (wie z.B. die namensgebenden Zauberschüler in "Das Geheimnis der Zauberschüler", das ich da echt als Lektüre empfehle) können durchaus Spezialisten sein, wie x76 schon schrieb.

    Hilfreich ist es, wenn die "Kleinen" alleine eine Nische besetzen (sie können etwas, dass kein anderer kann).

    Ich möchte mal sehen, wer von den großen Thorwaler Kriegern noch über den Zauberschüler lacht, wenn man einem Zant gegenübersteht und der der einzige ist, der den Pentragramma beherrscht. Oder wenigstens vorher das Ritual Zauberklinge wirken konnte.

    Auch als "Dolmetscher" und "Ortskundigen" kann ich mir einen Jugendlichen gut vorstellen. Wenn man in einem Mohadorf sitzt und die einzige, die sich verständlich machen kann, ist das abenteuerlustige Mädchen vom Nachbarstamm. Mal ganz davon abgesehen, dass sie die übrigen Helden schon dreimal von Boron Schwingen nahm, weil a) der Schelm einen Pfeilgiftfrosch greifen wollte (weil bunt und niedlich!), b) sich der Thorwaler mit einem Krokodil anlegen wollte (weil Hrannagargezücht!) und die Puniner Magistra eine stark giftige Frucht essen wollte (weil Hunger!).