Adelige - Wie mache ich es 'richtig'

  • Hallo!

    Einschlägiges durchwälzen von etwas 'älteren DSA Abenteuern' (G7 Kampange, Jahr des Greifen) und des etwas neueren 'Der schwarze Forst' hat in mir den Eindruck hinterlassen, dass die adeligen des Mittelreichs im allgemeinen und die des Bornlandes im besonderen alle ein wenig besonders sind.

    Vom Heldenhaften Ansturm in den offensichtlichsten Hinterhalt der Weltgeschichte, dass Gängeln von schwer bewaffneten Abenteurern bis hin zum 'nein, das gewaltige Ork Heer da oben hat sich sicher aufgelösst und ihr müsst uns schon Bescheit sagen dass wir helfen kommen sollen' sind meine bisherigen Interaktionen mit allem was Land besitzt ein wenig Einseitig geprägt.

    Kann einer von euch mich in die Richtung von anderen Abenteuern stoßen in denen ich einmal das andere Spektrum wahrnehmen kann?

    Nicht, dass meine Spielgruppe eine runde von Mörderhobos ist, aber wenn ich einige Texte lese bekomme ich als Meister nicht übel Lust dem ein oder anderen Bronjaren einen stumpfen Gegenstand quer durch den Schädel zu treiben.

    Wie kann ich meine Adeligen so darstellen, dass sie nicht jedes Stigmata des Adels bedienen?

  • Wie du geschrieben hast, es geht teilweise um das Bedienen von Vorurteilen und natürlich fallen die unangenehmen Adeligen, welche den SCs Hindernisse in den Weg legen viel mehr auf, als der nette väterliche Baron, der die SCs zu einem Weinfest bittet, weil seine Söhne zu Ehren Rondras gefallen sind und er sich freut, dass die Kinder von anderen Eltern ihr Abenteurerleben bisher überlebt haben. Aber wenn du das Weinfest mit deinen SCs durchspielst und es passiert außer Gesprächen und vielleicht einem Flirt nicht viel, wie reagieren deine SCs? Gelangweilt oder werden sie eine Hinterlist vermuten. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass in den Abenteuern vor allem die Begegnungen beschrieben werden, welche einen Einfluss auf das Geschehen haben und das haben oft 08/15-Adelige nicht. In den Abenteuern sind deshalb gerade jene Adeligen beschrieben, welche die SCs nerven sollen.

    Einige Typen von Adeligen, welche meist eher nicht beschrieben sind (aus meiner bisherigen Sicht):

    • der väterlich freundliche Burgherr, der die SCs einlädt, gerne plaudert, gute Geschichten von früher kennt, aber nicht mehr ganz auf dem Laufenden ist
    • der "Manager", der sein Lehen aus dem FF kennt, die Steuersätze weiß, sich der Probleme der verschiedenen Untergebenen bewusst ist und das Wissen einsetzt, um ihre Zusammenarbeit zu verbessern, der die SCs gerne bewirtet, wenn sie anständig bezahlen, sie freundlich begrüßt, aber wenig Zeit hat, weil "Zeit ist Geld"
    • der "Landwirt"; er kennt sich aus mit Grund und Boden und seiner Bewirtschaftung, er ist ein glühender Anhänger von Peraine, am liebsten würde er selber den Pflug führen, aber er weiß, dass er das in seiner Stellung nicht darf, daher geht er manchmal missmutig auf die Jagd und auf Bälle. Hier gebe es die Unterarten Traditionalist, der am Althergebrachten hängt und Forscher, der seine Untertanen mit den neuesten Erkenntnissen im Landbau beglücken will und dabei auch Rückschläge erlebt, wenn die Bauern bei den Peraineknollen (Kartoffeln) das Kraut statt den Knollen ernten
    • der Standesbewusste, der einen Abstand zwischen den Ständen wählt, aber väterlich fürsorgend seinen Untergebenen gegenüber ist, jedoch auch streng wenn die Formen nicht gewahrt werden und sich auch selbst nicht schont, wenn es seine Aufgabe ist. Als Beispiel kommt mir hier aus dem Roman "Der Schwertmeister" die Mutter von "Raidri" in den Sinn. Hier haben die SCs einen Helfer gegen das "Böse", aber wenn der Gaukler meint mit am Tisch sitzen zu dürfen, wird er auf "seinen Platz" gewiesen
    • der "alte" Abenteurer, der selbst durch die Lande gezogen ist und das Lehen entweder sich verdient hat oder geerbt. Er würde jede Gelegenheit nehmen, um mit den SCs mitzureisen, ist jovial, freundlich, sieht keinen Standesunterschied zu ihnen, auch wenn er dies vielleicht seinen Dienern gegenüber schon hat
    • der "Eigenbrötler"; ein Charakter, den die SCs vermutlich eher misstrauisch betrachten, weil er hat keine Zeit, gibt ihnen, was er denkt, das not tut, aber nicht mehr, ist einsilbig bei Gesprächen und mit den Gedanken offensichtlich weit fort. Darauf angesprochen reagiert er grantig, die Diener sind dies gewohnt, er ist halt merkwürdig. Vielleicht ist er ein Forscher, der mit den Gedanken bei seinem Projekt ist, dass er vor allen geheim hält, ob nun ein Roman (Schriftsteller), eine Uhr (oder andere Handwerkskunst) oder der Namenlose (der sich derzeit um die SCs gar nicht kümmert). Vielleicht denk er aber nur an eine Jugendliebe, die er nie angesprochen hat und die daher einen anderen geheiratet hat
    • das "Spiegelbild" vielleicht ist unter deinen SCs einer mit dem Vorteil adelig oder nur ein Krieger/Magier/Geweihter und nun trefft ihr einen Ritter mit Burg, der diesem SC in seinem Verhalten sehr ähnlich ist, ähnliche Vorlieben, vielleicht auch ein ähnlicher Werdegang
    • "alter Schulfreund", gerade bei Kriegern oder Schwertgesellen kann leicht ein "Freund" von der Akademie/Lehrzeit zu Ehren aufgestiegen sein. Hat die Freundschaft/Feindschaft aus dieser Zeit gehalten oder hat sich das Verhältnis geändert. Ist der damalige Feind ganz anders, erwachsener geworden und können jetzt beide über ihre damaligen gegenseitigen Streiche lachen?

    Ich fand jetzt teilweise die Beschreibung in der G7 gar nicht so schlimm, aber teilweise werden die NSCs merkwürdig dargestellt, um die SCs in eine bestimmte Richtung zu lenken. Hier besteht die Schwierigkeit des Autors, dass er für alle Leser schreiben soll und die jeweilige Gruppe nicht kennt. Damit es "lustig" und nicht langweilig ist, werden hier gerne Stereotype verwendet, die einen Einfluss auf das Geschehen haben. Es geht etwas weiter, die SCs wissen eindeutig was zu tun ist, wer gut und wer böse ist. Und los geht es. Mit dem durchschnittlichen Adeligen hat das oft nichts zu tun, aber man muss auch bedenken, dass wir in einer Republik leben, wo der Adel bis zu einem gewissen Grad etwas "anrüchig" ist und wir alle vertreten (offiziell) die Anliegen der französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit), damit muss der Adel ein wenig negativ dargestellt werden. Hier tue ich mir auch schwer mich in die Gedanken eines mittelalterlichen Bauern zu versetzen, für den es selbstverständlich war, dass er einen großen Teil seiner Ernte an "Obere" abgegeben hat, um beschützt zu werden und auch akzeptiert hat, dass diese "Oberen" viele Vorrechte hatten, die den Schutz verkleinerten. Es gab keine Freiheit, keine Gleichheit, das war normal. Ich glaube aus diesen Gründen gibt es in den meisten Abenteuern eher den "mühsamen" Adeligen.

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    "Genieße die Veränderung, denn sie wird schöner als du es dir vorstellen kannst." (unbekannte TSA-Geweihte)

  • AB unterliegen oft "Plot lo vult". Ob es dann ein Bauer, ein Geweihter, ein Adliger oder sonst etwas ist - sollen die SC nicht angehört und/oder ernst genommen werden, dann wird die Plotpeitsche geschwungen und es ist egal, dass auf SC-Seite auch ein Adliger oder Geweihte als Autoritäts- und Respektsperson ist.

    Das ist oft genug Spieler und SC nicht zufrieden stellend, besonders wenn man als Spieler in den Stand in Form von GP investiert hat und Möglichkeiten hat, die eigene Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit dadurch oder andere Möglichkeiten (Eidsegen) zu unterstützen, und/oder gute Argumente und Offensichtlichkeiten auf der eigenen Seite hat.

    Wie schon oben anerwähnt wurde, werden AB für eine unspezifische allgemeine Gruppe geschrieben und konzipiert, und nicht jede hat Person von Stand und allgemein anerkannte Autoritätspersonen dabei. Manchmal wird wohl womöglich auch von Autorenseite geglaubt, dass ein Plot nicht weiter laufen kann, wenn sich NSC X nicht quer stellt. Da obliegt es dem SL, wenn dies plausibel machbar erscheint, eben nicht so sein zu lassen (die 7G läuft weiter, auch wenn anfangs den SC geglaubt wird) und entsprechende Anpassungen vorzunehmen.

    Manchmal werden bestimmte NSC-Typen meinem Eindruck auch auch schlicht nur zur SC-Gängelei verwendet (der Standard-Nerv-Praiot etwa, der ständig seinen Moralkodex und Ideale bricht, damit die SC ihn auch ganz bestimmt zum Ko ... finden, oder eben auch der engstirnige Adlige). Auch da kann (man oft) und sollte man das ändern. Üblicherweise bricht ein AB halt doch nicht zusammen.

    Allerdings habe ich eher für mich den Eindruck gewonnen, dass allgemein NSC die Ohren auf Durchzug stellen, wenn man ihnen mit wichtigen Erkenntnissen, Hinweisen und/oder Warnungen kommt, und das nicht primär Adlige sind. Das funktioniert ja beim kleinen Dorfschulzen für noch frische Charaktere vom Schema her genauso wie später die NSC auf der Rangleiter nach oben, wenn es Adlige werden.

    Geht es jetzt primär um AB, in denen NSC-Adelige nicht die engstirnigen Deppen vom Dienst sind, damit der Plot weiter läuft oder sich erst deshalb entwickeln kann?

    Da fiele mir als erstes "Der Zorn des Bären" ein, wobei Baronin Mirhiban nach mittelreichischen und bornischen Maßstäben besonders adlig ist (auch im Auftreten).

    "Oder Namenlose Dämmerung", in dem man einem zukünftigen Baron zur Seite steht und ihm hilft.

    Im Endeffekt sind ja Adlige auch nur Menschen ihrer Kultur - vom Stand und dessen Rechte und Privilegien geprägt, aber Individuen, und dann ist der eine Bronnjar auch nicht gleich das gleiche Ekelpaket wie der andere (die olle Warzensau ist eh einmalig ; ) ), wie auch Jugadorez' Auflistung an möglichen Archetypen zeigt. Und selbst unter diesen können verschiedenen Ausprägungen und Verhaltensweisen stark variieren.

  • Wow, dass sind schon einige echt gute Tipps dabei und dafür möchte ich mich bedanken!

    Ich glaube ich habe davon den ein oder anderen Charakter mitnehmen können, der auf seine ganz eigene Art besonders sein. Besonders freue ich mich wenn meine Feld Wald und Wiesen Truppe (+ Magier) auf Adel trifft.

    Nach der Aktion auf den Silkwiesen in JdG sind sie ein wenig...missgelaunt, aber hey! Wein und gutes Essen lösen jedes Problem!

  • Wie kann ich meine Adeligen so darstellen, dass sie nicht jedes Stigmata des Adels bedienen?

    Auf der Gegenseite, natürlich, gibt es aventurisch (wie auch irdisch) natürlich jede Menge Offiziere von Einheiten, in der Armee, Anführer großer Orden oder (irdisch wohl eher nur) ganzen Reichen, die einfach unentschlossen sind, auf die falschen Berater hören, lügen und betrügen zum eigenen Vorteil, Feindschaften mit anderen ausleben und dies über alles andere setzen, oder schlicht unfähig für ihren Posten sind.

    Es sollten bei weitem nicht alle so sein, aber mal einen unfähigen Kommandeur wie in JdG ist ja an sich nicht verkehrt (gerade, weil in der mittelreichischen Armee tatsächlich Herkunft über Eignung stehen kann). Dann gibt es auch viele verschiedenen Ansätze, warum die Figur so handelt, und es muss nicht immer selbstherrliche/ignorante Adelsarroganz als Selbstzweck sein.