Der nächste Morgen dämmerte herauf und wir hatten alle zu wenig Schlaf. Still und blass verrichtete ich meine Morgenandacht.
Wir wollten uns heute mit dieser Frage befassen: Wie konnten wir Informationen über die Keller sammeln, in denen hunderte von Untoten ihre unermüdliche Wacht hielten?
Wahrscheinlich war die Vögtin Arnhild von Darbonia für die Verteidigung der Stadt und damit auch für die Positionierung dieser Untoten verantwortlich, in Zusammenarbeit mit der Nekromantengilde - deren Segel wäre dank Alondro hatten. Sollten und bei der fürchten Vorsprechen, dass wir von der Gilde kamen und die untoten Kämpfer überprüfen mussten? Nein, zu fadenscheinig. Wir konnten nicht davon ausgehen, dass die linke Hand nicht wusste, was die rechte Hand in der Stadtverwaltung tat.
Alondro hielt es nicht mehr im Zimmer aus und verkündete, dass er einen Arzt suchen würde. Die Erkrankung des verstorbenen Tharun beunruhigte ihn doch mehr, als er offen gestand.
Wir drehten uns im Kreis und brachen unsere Überlegungen frustriert ab, als Alondro nicht weniger schlecht gelaunt wieder eintraf. Er war ebenfalls erfolglos geblieben. Ich weiß nicht, ob es an den Kosten für einen Arzt lag oder ob er schlichtweg keinen gefunden hatte.
Wir brachen gemeinsam auf und wanderten nach Werkheym, das Stadtviertel der Handwerker und Alchemisten. Wir wollten mehr Informationen über den derzeitigen Zustand der Stadt einholen. Die Taverne "Sattlerstube" sehr einladend aus, dort kehrten wir ein - in einigen Abstand zueinander, sodass wir uns separat umhören konnten.
Ich wurde auf ein Gespräch zweier Handwerksgesellen an meinem Nebentisch aufmerksam. Sie unterhielten sich über Geschosse, die in der Werkstatt ihres Meisters neu gefertigt würden. Nachdem mein Versuch scheiterte, sie in ein Gespräch zu verwickeln und sie stocksteif vor mir, der totenbleichen Nekromantin, saßen wie der Hase vor der Schlange, schaltete sich Alondro ein. Rasch wurden sie sich auf ein Würfelspiel einig. Der Wetteinsatz war makaber und - bei Phex, bin ich froh, dass sie ihn nie eingefordert haben: Sie spielten tatsächlich um ihre Ringfinger.
Alondro, der Spieler, fand heraus, dass die Mauer auf der Westseite der Stadt mit neuen Belagerungsgeräten, die große Pfeile verschossen, ausgestattet wurde. Dort konnten - und sollten - wir also in Sachen Sabotage tätig werden, wenn in zweieinhalb Tagen das Heer von Gernot von Mersingen vor den Toren stand.
Als nächstes zog es uns zu einem Prachtbau aus weißem Marmor, der mein Augenmerk schon vorher auf sich gezogen hatte. Hohe Säulen strebten vor dem Gebäude in die Höhe und trugen das Dach. Goldene Paneele waren in der Mauer verbaut und schimmerten sachte unter dem wolkenverhangenen Praiosauge. Dies alles erweckte den Eindruck eines Tempels, doch ein Gotteshaus des Götterfürsten konnte ich daran nicht erkennen.
Eine Parkanlage umgab das hohe Haus. Während wir uns dem Bau näherten, sein wir Menschen, die offenbar meditierten. Und da entdeckte ich den Kreis mit den sieben Zacken über den Portal. Donna Rahjadis und Ritter Paske musste ich seine Bedeutung nicht erklären. Alondra gab ich eine hektisch geflüsterte Unterweisung, die hauptsächlich aus den Schlagworten "Borbarad", "Dämonenmeister", "Kult um Borbarad nach dessen Tod", "sogenannte Borbarad-Kirche" bestand. Ich wollte es für ihn einfach halten.
Alles in allem stellten wir uns im Gespräch mit der Hohepriesterin nicht sehr geschickt an. Wie waren bei unserer Geschichte geblieben, dass wir die wachhabenden Untoten inspizieren mussten. "Die Kavernen liegen doch ganz am anderen Ende der Stadt!", informierte sie uns mit deutlicher Überraschung ob unserer Unkenntnis. "Wenn Ihr Hilfe wollt, dann wendet Euch doch an Guntian Todesherr. Der Hohepriester von Thargunitoth", fügte sie zuletzt noch an, nachdem sie in mindestens einem Gesicht abermals Unverständnis erkannte.
Wir dankten ihr und gingen.
Bei ihr konnten wir uns nun nicht mehr blicken lassen.