Der Himmel war verhangen. Nieselregen ließ die Straßen verwaschen und dunkel aussehen. Die Nässe legte sich auf die Schultern und Ärmel meines Mantels, ich spürte sie sich auf meinen Scheitel und meine Haare legen.
Wir waren in Jedanis und standen vor Auf dem Weg hatten wir argwöhnische Blicke auf uns gespürt - Leute starrten uns aus ihren Häusern heraus, verborgen hinter ihren Fensterrahmen.
Der bucklige Junge führte uns zu einem großen Haus - vielmehr einer Ruine. Das Dach war eingestürzt, doch die Eingangstüre ließ sich noch öffnen. Wir waren nicht die ersten, die das verfallene Gebäude betraten. Im Inneren war es noch düsterer, auch wenn der Regen und schwaches Licht durch Spalten in den Dachbalken drangen, die uns hier auf Kopfhöhe oder etwas darüber begegneten.
Der Weg zu einer Falltüre war frei von Schutt. "Da runter", wies uns der Junge an. "Ich warte bei Iriadon auf Euch. - Das ist der alte Mann, vorne an der Straße", erläuterte er auf unsere unverständigen Blicke. Damit verschwand er.
Die Falltüre öffnete sich unter Alondros Händen.
Wir stiegen hinab. Alondro hielt die Laterne hoch, doch ihr Licht fand keine Wände vor und neben uns. Wir waren in einer weitläufigen, offenen Kaverne. An der Mauer hinter uns befanden sich viele Vertiefungen, die in fünf Reihen übereinander angeordnet waren. Länglich, etwa zwei Schritt lang. In jedem Alkoven lagen die sterblichen Überreste eines Menschen - bis auf die blanken Knochen skelettiert. Wir drangen tiefer und tiefer in die Dunkelheit vor, irgendwann wich das Mauerwerk dem blanken Fels.
Hier hörte ich plötzlich ein Klackern hinter uns. Ich fuhr herum und spähte in das Dunkel, doch Alondro handelte bereits: Er schleuderte sein Wurfbeil in einen der Alkoven, wo es mit einem ekligen, splitternden Geräusch auf Knochen traf. Der Skelett mit dem geborstenen Schädel verharrte noch einen Augenblick in seiner halb aufgerichteten Pose. Dann legte es sich wieder hin und war fortan still.
Dieses unruhige Exemplar blieb die einzige Ausnahme. Mehrere hundert Skelette lagen hier und warteten... ich vermutete, dass die Nekromanten eine Massenbeschwörung an Nephazzim tätigen würden, sollte eine Bedrohung der Stadt absehbar werden. Nephazzim sind niedere Diener der Widersacherin Borons. Sie können in einem einzigen Ritual in größerer Zahl aus den Niederhöllen herbeigerufen werden und fahren dann in die untoten Leiber ein, um sie zu "beseelen". Wobei sie selbstverständlich keine Seele haben.
Ich fühlte mich schmutzig, als wir aus dieser Grabanlage wieder in das Zwielicht des Tages und in die Ruine traten. Diese Katakomben gehörten eingesegnet! Doch ich war keine Dienerin Golgaris, sondern eine Dienerin Bishdariels. Ich kannte die Liturgie nicht, mit der ganze Boronanger gesegnet wurden - und genau diesen Ritus würde es hier brauchen.
Mir blieb nur, ein inständiges Gebet an den Herrn der Seelen zu richten, während Paske und Alondro sich des Schutts bedienten, um die Falltüre zu versperren. Ich bat Ihn um gnädige Aufnahme der Seelen derer, die dort unter uns lagen, und dass Er es geben möge, dass ihre Gebeine die Ruhe finden würden, die sie nach Seinem Willen verdient hatten.