An diesem ersten Abend in Altzoll statteten wir dem leergepflügten Totenacker gemeinsam einen Besuch ab.
Wir waren nicht allein. Ein paar Karren und Menschen - sie bewegten sich wie Lebende - reihten sich an der Zufahrt eines Gebäudes auf, das am Rand des Geländes stand. Durch die geschlossenen Läden schimmerte Licht. "Grünes Licht...", murmelte Alondro. Unauffällig spazierten wir näher.
Ein ärmlich gekleideter Mann sprach mit einer anderen Person. Ihren Gesten und den Satzfetzen nach zu urteilen, die wir mitanhörten, holte er drei voll beladene Wägen für seine Herrin ab. Seinen Gegenüber sprach er als "Leichenherren" an. Und blanker Knochen blitze unter dessen Ärmelsäumen seiner schwarzen Kutte an beiden Armen auf.
Wir schlenderten näher, wie um uns das Haus näher zu besehen. "Da lebt ja noch einer!", meckerte er plötzlich und klang sehr unerfreut. Nun gab es keinen Zweifel mehr: Sie handelten mit Toten. Wieder stieg der Abscheu in mir hoch wie ätzende Galle. Diese Frevler! Mögen sie noch in diesem Leben ihre Strafe erhalten, und nicht erst, wenn sie auf Rethon ihr letztes Urteil erhalten!, schrie alles in mir. Es war nicht meine geduldigste Stunde...
Der Mann empörte sich weiter in Namen seiner hohen Herrin - die er jedoch leider nicht mit ihrem Namen nannte. "Das haben wir gleich", entgegnete der Kuttenmann. Er zückte ein Messer und schob den anderen entschlossen beiseite.
Wir sahen uns panisch an. Was sollten wir tun? Unsere Tarnung riskieren, schon an unserem ersten Abend, um einen Menschen zu retten? Ja! Ein kurzes Nicken und Rahjadis trat vor. An ihre genauen Worte erinnere ich mich nicht mehr, aber sie redete mit Alveranszunge auf die beiden Männer ein und erstand den Lebenden. Für eine Dukate. Ein trauriger Preis für eine Menschenseele, aber unserem schrumpfenden Geldsäckel kam es leider zugute.
Die beiden Männer wurden sich handelseinig und die Karren setzten sich in Bewegung. Was war ihr Ziel? Wer war die Herrin dieses Mannes? Das gedachten wir herauszufinden. Der treue Paske brachte den ächzenden Menschen, der kaum bei Bewusstsein war, geschweige denn unauffällig einen Karrenzug verfolgen konnte, in die Knochenfaust. Der Rest - Donna Rahjadis, Alondro und ich - folgte den Wägen.
Bald brach die Grandessa die Verfolgung ab. Ihre Armreifen klirrten riskant und sie zog sich hastig zurück. Alondro und ich schlichen weiter hinterdrein.
Die kleine Kolonne kam vor einem Tor zum Stehen. Als sie wieder anfuhr, handelte der Jäger schnell und sprang auf den letzten Wagen. Ich zögerte zu lange. So schaffte ich es nicht mehr und musste mitansehen, wie sich das Tor hinter den Karren schloss.
Nun war Alondro auf sich allein gestellt. Ich schickte ein Stoßgebet gen Alveran, dass er unentdeckt blieb!
Dann sah ich mich um. Es war ein größeres Anwesen, in das Alondro gekommen war. Das Tor war Teil einer hohen Mauer, die zwei Gebäude - so weit ich es von außen sehen konnte - umschloss. Und ich war ganz in der Nähe unseres Hotels, der Knochenfaust.
Ich konnte nichts mehr für Alondro tun. Also kehrte ich in unsere Bleibe zurück.
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