Im Heerlager
Beim Frühstück, bei dem Rudger von Mersingen uns beiden Gästen hauptsächlich beim Essen zusah und zufrieden nickte, erkundigte er sich nach unseren weiteren Plänen. Ich berichtete von meinem Vorhaben, in Warunk ein Ordenshaus zu eröffnen. Für die nähere Zukunft hatten jedoch weder Donna Rahjadis noch ich genauere Pläne.
Rudger nutzte dies, um für einen Besuch in Devensberg Werbung zu machen. Rinder und Manufakturen, sagte er, gebe es dort. Letzteres klang schon spannender. Darüberhinaus lagerte derzeit der Markgraf in seinem Heerlager nördlich der Stadt. Gewiss würde er sich über die Kunde von Rodgers Genesung freuen.
Ein Heerlager. Eine Zeltstadt. Bilder aus meiner nächtlichen Traumvision stiegen vor meinem inneren Auge auf. Dies könnte der Weg sein, den mein Herr mir vorgezeichnet und gezeigt hat.
Rudger beschreib uns den Herrscher als einen brillanten Fürsten und Taktierer sowie einen ungestümen Diener der Kirche, des Landes und der Familie.
Donna Rahjadis sandte den Knaben los, um uns bei dem Markgrafen anzukündigen, und wir brachen auf. Es war kein langer Weg. Vom Nordtor der Stadt aus mussten wir nur der Straße folgen und erhielten bald darauf einen wunderbaren Überblick über das Lager. In einer Senke zog sich eine helle, frisch gezimmerte Palisade um ordentlich aufgestellte Zelte. Es war riesig - das mussten mehrere hundert Menschen an Kriegsvolk sein, die diese kleine Stadt aus Holz und Tuch bevölkerten. Außerhalb standen weitere Zelte, wobei dem Tross die militärische Ordnung fehlte. Fuhrwägen versorgten das Lager mit den vielen Dingen, die Soldatinnen und Soldaten benötigen.
Niemand hielt uns auf - die südländische Magierin und die Bleiche Ordensschwester - auf unserem Weg zum Zentrum des Heerlagers. Dort hatte man ein schwarzes Zelt errichtet, dass ein weißes Rabensymbol trug. Es war das größte Zelt, selbstverständlich. Vor dem Eingang war ein junger Krieger postiert, der uns bekannt vorkam. Sein Kettenhemd verdeckte ein Wappenrock mit einem Löwen. Es war derselbe Mann, der uns gestern in der Herberge kurz beobachtet hatte. Sein Blick fiel auf uns, er nickte uns zu und verschwand umgehend in dem Zelt.
Kurz darauf bedeutete er uns, einzutreten verschwand auch selbst wieder umgehend im Zelt. Das Innere beherrschte ein großer Tisch, der mit Karten belegt war. Ein paar einfache Stühle standen darum herum. Kalte Feuerschalen waren an den Wänden aufgereiht. Ich schätze, dass etwa das hintere Drittel des Zeltes mit einer Wand aus Stoff abgetrennt war. Alles in allem war es eine weitaus bescheidene, kargere Einrichtung, als ich es mir für einen markgräflichen Heerführer vorgestellt hatte.
Der Löwenritter und ein Mann im dunkel brünnierter Kettenrüstung traten von dort zu uns. Sein Wappenrock war schwarz mit goldenen Stickereien, das Wappen war ein schwarzes Schild mit zwei silbernen Adlerschwingen, unter denen in weiß Zacken waren. Sie symbolisieren ein Gebirge, wahrscheinlich die Trollzacken dachte ich mir. Es war Gernot von Mersingen.
Abgesehen von der gerüsteten Erscheinung machte der Markgraf einen agitierten Eindruck. Sein Gesicht war gerötet, er sprach hektisch, als wir ihm die frohe Botschaft von der Genesung seines Cousins Rudger überbrachten. Meine Menschenkenntnis sagte mir, dass seine Aufregung nichts mit Rudgers Zustand zu tun hatte. Er stand unter einer großen Anspannung, die schon länger anhielt. Endlich erfuhren wir auch den Namen des Löwenritters: Paske von Rabenmund. Auch mit dieser Adelsfamilie war ich noch nicht vertraut.
Donna Rahjadis fragte ihn - den Markgrafen - nach der aktuellen Situation. Ein heerlager bedeutet schließlich Krieg? Der Todeswall ist eine unnatürliche Barriere zur Rabenmark. Er hatte das Heer einberufen, um das Land jenseits des dämonischen Walls bis nach Altzoll zu befreien und die Nekromanten, dort noch immer de facto herrschen, zu vertreiben. Der Todeswall... Während der Dritten Dämonenschlacht hatten Hunderte und Aberhunderte ihr Leben dort gelassen. Nun patrouillieren dort Skelette. Er ist nicht von dieser Welt, auch wenn er sich hier in seinem unheiligen Dasein festkrallt.
Späher trauen sich nicht sehr nah an ihn heran. Ihnen fehlt priesterliche Unterstützung. Sie haben Geweihte, aber es sind hauptsächlich Dorfgeweihte. Außerdem sind Spähtrupps meist zehnköpfig, aber diese Anzahl reicht bereits aus, damit sich die Untoten regen.
Und hier brachte ich Rahjadis in die Bredouille: "Donna Rahjadis, verfügt ihr nicht über Fähigkeiten, die uns dabei helfen könnten?" Sie stimmte jedoch zu meiner Überraschung gleich zu. Und Gernot von mersingen weiter uns ein. In drei Tagen müsse der Zug mit den gesamten Soldaten losgehen, weil es sonst zu spät werde und sie in den Winter geraten würden. Doch aus den vorgenannten Gründen wissen sie kaum etwas über den Wall und was sie dort erwartet. Er bat uns inständig, etwas über den todesfall herauszufinden, denn jedes bisschen an Wissen würde ihnen weiterhelfen.
Diese Bitte aus seinem Munde war mir ein Befehl, selbst wenn er kein Kirchenmann war. Auch Donna Rahjadis erwies sich als götterfürchtige Frau und war bereit, das Wagnis auf sich zu nehmen.