Das erfundene Mittelalter (Heribert Illig)

  • Zitat von "Ecuvaro "


    ich habe irgerndwie immer noch nicht gecheckt wie das geht.
    wieso wird der Zeitunterschied von 2,7 Tagen mal der Anzahl von Jahren, die es braucht um auf einen neuen Frühlingsanfang zu kommen, genommen?

    Und wenn es diese Unregelmäßigkeit gitb, wodurch wird sie ausgeglichen?

    Du liest doch das Buch. Wenn der Autor das nicht plausibel und verständlich erklären kann, gibt es noch einen weiteren Grund das Buch nicht weiterzulesen. :lol2:

  • Ecuvaro

    Ich erkläre dir gerne, wie gerechnet wird:

    Verstehst du, wie Papst Gregor darauf kommt, daß die Frühlings-Tag-Nacht-Gleiche im Jahre 1582 genau 10 Tage früher stattfindet, als sie eigentlich sollte?

    Seid wachsam gegenueber den Maechtigen und der Macht, die sie vorgeben, fuer euch erwerben zu muessen! (Kurt Tucholsky)

  • weil die Zeit von 128 Jahren, die die Verschiebung von 11 Minuten 15 Sekunden braucht, um einen Tag voranszuschreiten, dann zehnmal vorüber sein müssen?

    mfg ecuvaro

    Qui labores, pericula, dubias atque asperas res facile toleraverant, iis otium, divitiaeque, optanda alias, oneri miseriaeque fuere. (Sallust, Cat 10)

  • Genau! Wenn du 1257 Jahre (die Differenz zwischen 325 und 1582) in sekunden umrechnest und diese dann durch 11 Minuten 15 Sekunden (mußt du natürlich auch umrechnen) teilst, bekommst du ca. 236 Stunden raus. Und das entspricht knapp 10 Tagen.

    Illig sagt nun: Gregor XIII. hat sich nicht auf das Konzil von Nicäa bezogen, als er den 21. März zum Frühlingsanfang erklärte, sondern auf das Jahr 46 v. Chr., als Julius Cäsar den Julianischen Kalender einführte.
    Nehmen wir jetzt mal an, daß die Phantomzeit wirklich existierte, also zwischen 46 v. Chr und 1582 genau 1628 Jahre liegen. Wenn jetzt diese Selbe Rechnung wie oben ausführts (oder 1628 durch 128 teilst), bekommst du 12,7 heraus. Dies sind die Tage, um die der Julianische Kalender falsch geht, wenn das Jahr 46 v. Chr. als Bezugspunkt gesetzt hat. Gregor hat aber nur 10 Tage aus dem Kalender gestrichen.
    Illig schließt daraus: Gregor XIII wußte, daß die Phantomzeit fehlt. Zwischen der Kalenderreform Cäsars und seiner Kalendereform liegen seiner Meinung nach nur 1257 Jahre (statt 1628). Die Differenz sind genau jene 371 Jahre, deren Existenz Illig abspricht.

    Ist dir die Argumentation von Illig jetzt klar?

    Seid wachsam gegenueber den Maechtigen und der Macht, die sie vorgeben, fuer euch erwerben zu muessen! (Kurt Tucholsky)

  • Ich verstehe sie aber finde sie irgendwie als wäre sie an den Haaren herbeigezogen und vollkommener Schachsinn!
    Die spannende Frage ist nun:
    Will Illig lieber über das Frühmittelalter herfallen oder will er seine haarsträubende These begründen?

    mfg ecuvaro

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  • Wenn wir uns die Naturwissenschaft und die Quellen ansehen, dann sehen wir folgendes:

    1. Die Frühjahrs-Tag-Nacht-Gleiche liegt auch dieses Jahr auf dem 21. März. Dies bedeutet, daß Papst Gregor durch seine Kalenderreform tatsächlich den Fehler des Julianischen Kalenders behoben hat.

    2. In der päpstlichen Bulle Inter Gravissimas, in der Papst Gregor XIII. den neuen Kalender einführt, bezieht sich der Papst eindeutig auf das Konzil von Nicäa im Jahre 325.

    Zitat

    Damit nun aber das Frühlingsäquinoktium*, das von den Vätern des Konzils von Nikäa auf den 21. März (XII. Kal. Aprilis) festgelegt worden war, auf eben diesen Platz zurückgeführt werde, ordnen wir an und befehlen wir, dass von dem Monat Oktober des Jahres 1582 zehn Tage vom 5. Oktober einschliesslich (III. Nona) bis zum 14. Oktober (pridie Idus) herausgenommen werden, und der Tag, der folgt dem Fest des St. Franciscus, das man am 4. Oktober (IV. Nona) zu begehen pflegt, solle der 15. Oktober (Idus Octobris) genannt werde.



    *Frühjahrs-Tag-Nacht-Gleiche

    Zusammen mit 1. folgt damit, daß bereits im Jahre 325 die Frühjahrs-Tag-Nacht-Gleiche auf den 21. März fiehl. Ob bereits unter Augustus dieser Tag als Frühjahrs-Tag-Nacht-Gleiche gefeiert wurde und ob vielleicht das Konzil von Nicäa den Kalender neu eingestellt hat, können wir nicht überprüfen und es ist auch irrelevant. Bezogen auf das Jahr 325 stimmt die Kalenderänderung durch Papst Gregor XIII.

    Was will nun Illig? Schwer zu sagen! Die historische Fachwissenschaft bezeichnet seine Ausführungen als Scharlatanerie und Bauernfängerei. Vermutlich will er sich nur wichtig machen und einen schönen Batzen Geld abgreifen. Vielleicht ist er auch wirklich von seiner Theorie überzeugt und sieht sich als fanatischen Verkünder der Wahrheit. (Soetwas kommt ja bei Verschwörungstheoretikern immer wieder vor.)

    Beängstigender ist hingegen, daß er so viel Publicity bekommt und so viele Leute seine Bücher kaufen. Offenbar hat die Fachwissenschaft den Kontakt zur nicht fachlich ausgebildeten Bevölkerung verloren. Offenbar glauben viele Menschen, daß die Fachwissenschaft ihnen etwas verheimlicht, wohlmöglich als Teil einer großen Weltverschwörung, die den Bibelcode, die Roswell-Aliens, die Phantomzeit und wer weiß noch was vertuschen will. Aber da ist mMn die Fachwissenschaft selber schuld. Wir überlassen nunmal das öffentliche Auftreten der Geschichtswissenschaft solchen Marktschreiern wie Illig oder Guido Knopp (die Bildzeitung unter den Historikern). Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich solch ein Quatsch verbreitet.

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  • Nun ja Lesenswert ist das Buch auf jeden Fall. Auch wenn nur totaler mist drinsteht!
    Echt spannend.

    mfg ecuvaro

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  • Ecuvaro
    Wieso ist denn ein Buch interessant, in dem nur "Mist" steht? Das interessiert mich jetzt aber. Schreibt dieser Illig einfach gut? Was ist daran spanend?


    Zitat von "Ronald_Saveloy "


    Beängstigender ist hingegen, daß er so viel Publicity bekommt und so viele Leute seine Bücher kaufen. Offenbar hat die Fachwissenschaft den Kontakt zur nicht fachlich ausgebildeten Bevölkerung verloren. Offenbar glauben viele Menschen, daß die Fachwissenschaft ihnen etwas verheimlicht, wohlmöglich als Teil einer großen Weltverschwörung, die den Bibelcode, die Roswell-Aliens, die Phantomzeit und wer weiß noch was vertuschen will. Aber da ist mMn die Fachwissenschaft selber schuld. Wir überlassen nunmal das öffentliche Auftreten der Geschichtswissenschaft solchen Marktschreiern wie Illig oder Guido Knopp (die Bildzeitung unter den Historikern). Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich solch ein Quatsch verbreitet.

    Ich würde eher sagen: sie hatte ihn noch nie (den Kontakt zu Laien). Ich glaube aber nicht, dass die Menschen glauben, die Wissenschaft würde ihnen etwas verheimlichen. Es interessiert sie einfach nicht so sehr, was die da in ihren "Elfenbeintürmchen" veranstalten. Verschwörungstheorien sind da schon attraktiver und Bücher wie "Sakrileg" sollen ja auch gut geschrieben sein.

    Ich habe ja die These, dass solche Verschwörungstheorien auch ein Bedürfnis nach einer Weltlogik, einem ultimativen Plan für die Welt, befriedigen. Irgendwo gibt es reiche und mächtige Männer, die die Fäden in der Hand halten. Nicht alles ist zufällig, Dinge sind planbar und werden geplant. Ähnlich wie die Religion im positiven Sinne. Also: Verschwörungstheorien sind die Religion der Skeptiker und Pessimisten. :lol2::idee:

  • Die Theoie wird anschaulich aufgebaut und in sich schlüssig und verständisvoll erklärt.
    Das macht das Buch spannend Auch wenn Illig manch wichtiges Detail wie z. B. die 128 Jahre auslässt...

    mfg ecuvaro

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  • Ist nicht böse gemeint, aber widerspricht sich das nicht? Du hast doch vor Ronalds Erklärung nicht verstanden, wie Illigs Theorie funktioniert. Wie kann sie da in sich schlüssig und verständisvoll sein?

  • Ich wäre in diesem Fall dennoch vorsichtig, von Scharlatanerie zu sprechen, oder zuviel in diese Wertung reinzubringen. Wissenschaft besteht nun mal darin, und kommt auch nur dadurch vorwärts, daß Thesen aufgestellt und ggf. wiederlegt werden oder auch nicht.

    Bei einer nicht-exakten Wissenschaft wie Geschichte kann man eben auch mal etwas länger streiten, was man als widerlegt ansieht, und was nicht. Aber meistens sind auch widerlegt Vermutungen irgendwie eine Bereicherung fürs Ganze, weil sie 1. neue Sichtweisen aufzeigen und 2. u.U. neue Lösungsansätze fordern.

    Ich sehe Illig's These auch nicht als haltbar an und kann mir gut vorstellen, daß er schon deshalb so dick aufgetragen hat, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aber beides halte ich eigentlich für okay, denn immerhin ist seine These nicht einfach indiskutabel (vgl. Holocaustleugner, Jüdische Weltverschwörung, van Helsing etc.) und verweist auf Fragestellungen, die eben noch ungelöst sind.

  • Zitat von "Ronald_Saveloy "


    .....
    Ist dir die Argumentation von Illig jetzt klar?


    Danke für die wirklich lesenswerten Beiträge und Erklärungen der Kalenderreformen lieber Ronald!

    Zitat von "Condor "


    Ich sehe Illig's These auch nicht als haltbar an und kann mir gut vorstellen, daß er schon deshalb so dick aufgetragen hat, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aber beides halte ich eigentlich für okay, denn immerhin ist seine These nicht einfach indiskutabel (vgl. Holocaustleugner, Jüdische Weltverschwörung, van Helsing etc.) und verweist auf Fragestellungen, die eben noch ungelöst sind.


    ..was also bedeuten würde, dass Wissenschaft auch aus „Scharlatanerie“ Erkenntnisse oder Fortschritte herausdestillieren kann, so sie nur wissenschaftlich bleibt. Ein schöner Gedanke, der einen manchen Schwachsinn leichter ertragen lässt. Das meine ich keinesfalls zynisch, sondern beruhigend.

    Du nennst MICH einen Ork? Schmecke meine Waffe!

    Ich liebe DSA 3

    Nieder mit den Heptarchen!!

  • Was sagt die Forumsgemeinde zu den Theorien zu Karls Nichtexistieren bzw. seiner Illumination (Karl~Christus?)

    mfg ecuvaro

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  • Zum Thema: warum haben Leute wie Illig so viel zulauf.

    Heutzutage wird ja (leider) vieles über Publicity erreicht. Das geschiet ja in vielen Bereichen.

    Im Kino kommt ein noch so guter Film (oft) nur an, wenn er auch entsprechend beworben wird. Und umgekehrt wird (immer wieder mal) ein grottenschlechter Streifen zum Kassenschlager, nur weil genügend Budget in die Werbung gepackt wird.

    In der Musikbranche muss man nicht der beste sein, es reicht, das irgendwer jener "Popstar" oder "DSDS" macher unserer Jugend erzählt:"Den und den müsst ihr jetzt gaaanz toll finden", und schon verkaufen sich die Platten wie blöd (zumindest gut genug, als das der Produzent seinen Schnitt macht).

    Und in der Wissenschaft ist es halt gelegentlich genauso. Korrekte Fakten sind irrelevant, solange ich mit entsprechender Rhetorik (dem Zielpublikum angepasst - der Durchschnittsbürger dürfte Argumentationsweisen, wie ein Wissenschaftler sie normalerweise nutzen würde, nur selten folgen können) meine "Fakten" dem Publikum gut genug verkaufen kann.

  • Zitat von "Ecuvaro "


    Was sagt die Forumsgemeinde zu den Theorien zu Karls Nichtexistieren bzw. seiner Illumination (Karl~Christus?)

    Karl d. Gr. ist eine Schlüsselfigur zum Verständnis weiter Teile des Mittelalters. Ihn aber Christus entsprechen zu lassen greift erheblich zu weit, ihn gar nicht als historische Person anzuerkennen doch wohl erheblich zu kurz. Wie kann man den gleichen Namen/Person nur derart krass zeichnen? Entweder eine nett erfundene Sagenfigur oder die wichtigste irdische Person des christlichen Glaubens...? Stell die Theorie doch einmal sinngemäß in den Raum.

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  • Also es gibt viele Indizien, die ihn zum Endzeitkaiser, also des zweiten Christus(...frag mich nicht zu viel so ganmz habe ich das auch net begriffen...)
    Illig versucht den ganzen Karl zur Fiktion zu machen, indem er Otto 3. zu einem zweiten Endzeitkaiser mahct oder so...

    mfg ecuvaro

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  • Das Karl in der Überlieferimg überhöht wurde ist klar. Otto III. selbst ist bestimmt wieder eine Wendefigur, setzt er doch in altrömisch/kaiserlicher Art im Osten diverse starke fremdländische Herzöge zu Kaisern ein und erlaubt ihnen die Bildung eigenständiger Kirchenorganisationen die sie nicht länger mit seiner Reichskirche verbinden. Durch die Errichtung von Erzbistümern in Gnesenund Gran (Ungarn und Polen) verliert das deutsch/reichseigene Episkopat die Möglichkeit im Osten Bischöfe einzusetzen, denn die neuen Erzbischöfe dort machen das von nun an alleine. Im Wesentlichen stoppt damit auch die politische Expansion des Reiches nach Osten, wobei die bisherigen östlichen Markgrafschaften noch keineswegs vollständig konsolidiert sind. Mit Ottos Nachfolger Heinrich II. stirbt dann die ottonische Dynastie aus: Ein deutlicher Rückschlag für die Ausgestaltung der Herrschaft im Heiligen Römischen Reich, weil das Wahlprinzip zum deutschen König sich hier wieder Raum brach. Die Vererbung der Krone im Hause der Luidolfinger (Ottonen) war zu der Zeit nahezu etabliert. Wie sehr das so war, zeigt die schnelle Etablierung Heinrichs II. nach Otto III. als regierender Kaiser, obwohl seine Ansprüche auf den Thron nicht so felsenfest waren. Otto III. war kinderlos gestorben und Heinrich II. stammte aus einer entfernten Nebenlinie der Luidolfinger.
    Otto III. ließ das Grab Karls öffnen und soll sich mit ihm sehr verbunden gefühlt haben. Die Idee eines letzten Kaiserreichs auf Erden vor der endgültigen Wiederkunft Christi zieht sich durch das ganze Zeitalter bis hin zu 1806, als das HRR aufgelöst wurde. Das HRR wurde während dieser Zeit häufig als das christliche Endreich identifiziert, wessen Untergang die Apokalypse, also das Ende der Welt einleiten würde.

    Aber wenn ich deine Antwort so lese, dann ist Illig die Vermittlung seiner Ideen nicht so recht gelungen. Wie soll er da überzeugen?

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  • Er macht eben auf die vielen Unstimmigkeiten in Karls Lebn aufmerksam
    vor allem in Ökonomie und Bauwerken.
    Und ein Teil ist eben auch diese Endzweitthese, in der er versucht zu zeige, dass OTTO 3.
    eine ziemlcih genaue
    Übereinstimmung hat und die "Fälscher" ihn sozusagen als Vorlage genommen haben für Karl...
    aber das ist mir nicht so recht klargeworden...

    mfg ecuvaro

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  • Okay. Ich denke ohne Illig selbst zu lesen ist es unmöglich sich näher mit seinen Ideen zu befassen. Andererseits widerstrebt es mir jetzt noch mehr mir sein Werk anzusehen, geschweige denn es zu kaufen. Zumindest scheint er ein guter Erzähler zu sein.

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