Mittelalterliche Tunierregeln

  • Also da im Tread "Kleinigkeiten schnell geklärt" gerade das Thema Tunier war, möchte ich die Gelegenheit nutzen um über echte mittelalterliche Tunierregeln was sagen.

    Maßgeblich kommt das Wissen über die mittelalterlichen Tunierregelnwir durch mittelalterliche Lyriker, wie Walter von der Vogelweide, Reinmars von Hagenau und Neidharts von Reuental.

    Ich habe jetzt nicht die Regeln von DSA5 zum Turnier zur Hand, also werde ich nur die realen Regeln erzählen, und nicht auf die Umsetzung für DSA5 eingehen.

    Für Ritter waren nur zwei Spiele (so der mittelalterliche Bezeichnung für verschiedene Tunierformen) interessant: die Tjosten und das Gedränge.

    Der Name Tjost leitet sich anscheinend von den üblicherweise drei Lanzengängen ab, so wird angenommen das Wort ursprünglich 'Trijost' (drei Stechen) war und dann verkürzt worden ist. Eine Sache, die in vielen Ritter-Filmen leider immer vergessen wird, war, daß das aus dem Sattel werfen garnicht das Ziel war. Sondern es gab ein Punkte System: Treffer auf dem Schild gab Punkte; Körpertreffer wurden zwar als Treffer gewertet, gaben aber keine Punkte; und Treffer gegen Kopf oder Pferd führten zum Bann (Disqualifikation) des Ritters. Treffer gegen den Schild gaben 1 oder 3 Punkte: wenn der Schild zwar getroffen wurde, aber die Lanze nicht zerbrach, sondern vom Schild abglitt, bekam man einen Punkt. Die vollen 3 Punkte bekam man nur, wenn die Lanze auch zerbrach. Die war aber nur möglich, wenn der Ritter der Schild seines Gegners ziemlich zentral traf. Ein aus den Sattel werfen war im Hoch- Spätmittelalter, aufgrund der Ausrüstung (Lanze, Rüstung, Sattel hauptsächlich) so selten, daß es extra erwähnenswert war!

    Üblicherweise meldeten sich Ritter für ein Turnier an und ritten dann gegen jeden anderen gemeldeten Ritter. Allerdings konnten auch nicht gemeldete Ritter einen gemeldeten Ritter herausfordern: Jeder gemeldete Ritter bekam ein Zelt, in das er sich während seiner kampffreien Zeit zurückziehen konnte. Vor diesem Zelt war eine Standarte auf gestellt am der das (ein) Schild des Ritters befestigt war. Ein Herausforderer konnte nun den Schild mit seiner Lanze berühren und so klar zeigen gegen wen er reiten wollte. Aber auch hier gab es eine Besonderheit: üblicherweise wurde der Schild mit dem hölzernen Schaft der Lanze berührt und zeigte die Herausforderung an. Aber falls der Herausforderer denn Schlid mit der Lanzenspitze berührte, oder gar das Schild von der Standarte stieß, zeigte dieses einen ernsten Zwist an, der nach dem Lanzengang häufig zu einem Zweikampf zu Pferde oder zu Fuß führte, bei dem der Gewinner Pferd und Rüstung des Unterlegenen bekam!

    Den Siegespreis der Tjosten stellte der jeweilige Veranstalter, aber dies war häufig nur ein Preis für den Gewinner.

    Für Tunierritter viel interessanter, aber auch gefährlicher war das Gedränge.

    Ein Gedränge war im Prinzip eine Schlacht zwischen zwei Gruppen von Rittern, und es war nicht unüblich das hierbei Rechnungen beglichen wurden!

    Das Gedränge hatte nur wenige Regeln:

    - keine Angriffe gegen die Pferde

    - nur hölzerne stumpfe Waffen

    - keine Angriffe gegen am Boden liegende

    Wenn man einen Gegner ausschaltete, entweder indem man ihn wirklich KO schlug, oder er vom Pferd stürzte und nicht wieder von alleine aufstehen konnte, hatte man das Recht auf Lösegeld: nach den Regeln gehörte einem nun Pferd und Rüstung des Besiegten, allerdings war es üblich einen gewissen Geldbetrag zu erhalten um beides wieder auszulösen. Je höher die Stellung und der Wohlstand des Unterlegenen, desto das Lösegeld. Dieses war fast 'standartisiert', sodaß man für einen Baron in jedem Königreich in etwa dasselbe bekam!

    "Wenn 2 Menschen ein Geheimnis teilen, ist es einer zuviel" (chinesisches Sprichwort, etwa 200 AD)

    "Jede Geschichte hat mindestens 3 Seiten, die der Beteiligten und die Wahrheit!" (chinesisches Sprichwort, etwa 200 AD)

    Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt!

  • Einiges zum Turnier (u.a.) steht hier -> http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/tric…kon_1742?p=1114

    Was dem Begriff "tjost(e), tjust, tjüst, host, just" (es gab keine einheitl. Schreibweise) angeht, wird es allgem. mit "Turnier-, Zweikampf (mit dem Speer/ der Lanze); Lanzen-, Speerstoß" übersetzt.

    Hm, der Zweikampf selbst hiße "tjostiure, jostiure oder justiere"; hoffentlich entstand daraus nicht das Wort "justieren" ;)

    (Kleines (von wegen) Mittelhochdeutschnes Wörterbuch, S.319)

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Tjost

    http://www.ritterturniere-im-mittelalter.de/seite-11.html

    Die beiden Quellen widersprechen deiner Regel-Idee oben.

    //

    Mit widersprechen meine ich nicht im Ganzen sondern nur wieder im Detail: Das herausheben aus dem Sattel und den Kopftreffer.

  • Ich kann mich da an eine Doku erinnern, ich der die mit einem Crash-Test-Dummie, die Wucht getestet haben. Dabei wurde festgestellt, dass der Volltreffer auf den Thorax, zu Herzstillstand, Lungenkollabieren und ähnlichem führen kann. Ähnliches gilt wohl bei Kopftreffern, Genickbruch, Schädelbasisbruch oder Traumata des Gehirnes die zu unmittelbarem Tod führen können.

    Alles Möglichkeiten die aber bei jedem Treffer auftreten können. Das war den altvorderen wohl auch bekannt. Ich denke das der normale Menschenverstand gebietet diese Risiken bei einem „Sport“ durch entsprechende Regeln zu minimieren. So mal, gerade im 16ten Jahrhundert fast der komplette Hochadel und fast alle Könige, diesem „Sport“ frönten. Das grenzt ja schon an Wahnsinn ständig die Führung einem tödlichen Risiko auszusetzen. Heinrich II. ist wohl der Beweis das etwas passieren kann, aber nicht ständig etwas passiert ist.

  • Heinrich II. ist wohl der Beweis das etwas passieren kann, aber nicht ständig etwas passiert ist.

    Heinrich der II. ist wohl der Beweis, dass Gott doch würfelt... *grins*

    Bestätigte Angriff mit 1 und Patzer bei Parade und Reitenprobe...

    Edit sagt: Interessant, dass es dazu Untersuchungen gibt... Mir reicht meine Abriss Erfahrung Lehmann, meinem Vorschlaghammer, dass ich weiß, was ein wie ein Warunker Hammer bei einem Treffer wirkt...

    Nietzsche und Amazeroth - Also sprach Zarathustra (zweiter Teil):

    Was erschrak ich doch so in meinem Traume, dass ich aufwachte? Trat nicht ein Kind zu mir, das einen Spiegel trug?

    "Oh Zarathustra - sprach das Kind zu mir - schaue Dich an im Spiegel!"

    Aber als ich in den Spiegel schaute, da schrie ich auf, und mein Herz war erschüttert: denn nicht mich sah ich darin, sondern eines Teufels Fratze und Hohnlachen.

  • Bei einem Buhurt wurden die Regeln später etwas entschärft:

    Die schöne Helmzier der Ritter galt es dann unter anderem abzuschlagen, was zusätzliche Punkte gab.

    Und die Knappen durften mitmischen indem sie leicht bewaffnet zu dem gestürzten Ritter eilten und ihn so lange verteidigen und neu bewaffnen durften bis er wieder am Kampf teilnehmen konnte.

    So ein Buhurt muss ein echtes Spektakel gewesen sein :D

  • Es gibt -leider- zu wenige "Zeitzeugen", kaum etwas ernsthaft schriftliches, um zu "Wissen" wie einst eine Tjoste verlief, wie oft und überhaupt. Oder einfach hollywoodisch.

    Naja, jedenfalls taucht das Wort "Turniker" so ab dem 12.Jht. auf, wohl erstmals im nördl. Frankreich. So wiie auch der Papst 1130 dagegen wettert.

    Weil es häufig Tote gab, so um 1175 der Erzb. von Magdeburg die 16 Ritter des Jahres exkommunierte, weil sie bei Turnieren starben.

    Gut, es gibt wohl - dank der Beliebtheit - mehr Querllen, die Aussagen , das T.des 12.Jht. eine zieml. rauhe Angelegenheit waren ... und kaum von richtiogen Schlachten zu trennen. (Das Rittertum, S.131f)

    Dies führte -später- zu den Turnierregeln, so das ab dem 13.Jht. (ausgehend von England) die Brutalität abnahm.

    Es wurden stumpfe Waffen eingeführt, und beim Buhurt spezielle Turnierwaffen aus Leder einhesetzt. Gar eine Art Schiedrichter wird erwähnt.

    Die Tjost bekam ebenso genaue Regeln und bildeten eher ein Scheinduell, wie das Turnier eion Scheinkrieg darstellte. (S.134f)

    (Wahh, viel Text, es geht noch weiter ... aber das laß ich.)

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Naja, das wettern der Kirche hat nicht verhindert, das die guten Christenmenschen die auszogen das heilige Land zu befreien, sich gegenseitig an die Gurgel zu gingen. Als dann die Kirchenoberen auf die Idee kamen zu sagen das Christen nicht das Schwert gegeneinander ziehen würden, schlau und mordlustig wie sie waren, erfanden die Kreuzfahrer kurzerhand den „Morgenstern“... (wenn ich mich da recht erinnere sogar schon beim 1. Kreuzzug)

    So wurden natürlich auch des Öfteren bei Turnieren Rechnungen beglichen. Aber, da bin ich mir sicher, wohl eher beim „ritterlichen“ Zweikampf, weniger beim „Lanzen brechen zu Pferde“.

  • Moment, das eine ist der Krieg gegen Heiden und das andere nennt sich "Kampfsport". Außerdem rief anfangs nicht die Kirche dazu auf ... aber wir sind hier ja beim lustigen Turniere. Diese einfache Thema beginnt im "Das Rittertum" im 5. Kapitel "Die Entstehung des Turniers" auf S.129 und endet auf S.156, u.a. mit folgedem Satz: "Obwohl es Unterschiede im Recht des Siegers gab gegenüber einem Gefangenen im Krieg und einem Gefangenen im Turnier und obwohl die Abstufungen des Lösegeldes beim Trunier besser geregelt waren, konnten die Turniererfahrung des Verhältnisses Sieger-Besigter beider Parteien Lehren über die Beachtung gewisser zivilisierter Konventionen (damals hätte man das 'ritterlcih' genannt) im richtigen Krieg vermitteln."

    Fazit: Ohne das Turnier kein Rittertum.

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Fazit: Ohne das Turnier kein Rittertum.

    Da hättest du noch ebenfalls auf Seite 156 hinzufügen können:
    "[...] das der vergleichsweise subtile Einfluß des Turnierwesens auf lange Sicht mehr zur Förderung ziviler Verhaltensregeln beitrug, als päpstliche Verbote [...] jemals hatten leisten können."

    Turniere und das Rittertum sind nicht losgelöst voneinander zu betrachten. Es handelt sich nicht um verschiedene Instanzen mit nur einer geringen Schnittmenge sondern sind Ausprägungen der selben Sache.

    Es geschah nicht selten, dass fernab der Turniere und direkter kirchlicher Obacht "ritterliche" Verhaltensweisen, wie wir sie heute nennen würden, zweitrangig wurden und letztlich sogar in Vergessenheit gerieten. Raubrittertum, Brandschatzungen, Diebstahl, Vergewaltingung, Mord. Alles Dinge, die im Heiligen Land aufkamen. Selbst die Tempelritter (und Ritter anderer Orden) mussten erst wieder eingenordet werden nachdem sie aus den Feldzügen zurück nach Europa kamen, wo wieder Sitte, Anstand und Ordnung herrschen.

    Turniere sind der idealisierte Krieg, etwas erhabenes und geregeltes im sonstigen Chaos.

    Später würde daraus das Duell unter Gentlemen werden.
    Es geht nicht darum, was es ist, sondern wie man es ausübt, denn das unterscheidet den Ritter vom barbarischen Pöbel aber führt zugleich dem einfachen Volk vor, wie es anders sein kann, und übernimmt die Vorbildfunktion in Sachen Verhalten und allgemeinem Umgang.

    Wir sprechen von einer Zeit wo die reale Welt größer, die soziale Welt um ein vielfaches kleiner war. Die Unfähigkeit vieler Lesen und Schreiben zu können, die Arbeitsbedingungen, das schwierige Reisen und vieles mehr führten dazu, dass z.B. Bauern, die nur ein bis zwei Tagesreisen von Paris entfernt lebten die Stadt nur wenige male in ihrem Leben von innen sahen und in Sachen Informationen abgeschnitten waren.

    Das ganze Universum einer Dorfgemeinschaft war das Dorf und der einzige moralische Kompass war der des Büttels oder des Schultheiss. Wenn etwas so gemacht wurde, dann, weil es schon immer so war.

    Plötzlich bietet sich die Gelegenheit eines Turnieres und es ist eine gänzlich andere Welt. Natürlich auch vieles nur gespielt wie der pompöse Wohlstand oder ungebrochene Eitelkeiten, aber es war auch zugleich das optimale Medium eine Art von Lehre und auch Propaganda unter Menschen zu verbreiten, die sonst keinen Zugang haben.

  • (Es steht da so einiges das wir den ganzen Text veröffentlcihen müßten ... aber natrülich nciht dürfen. Habe lange nicht mehr in ideses Büchlein geschaut. Danke für die Anregung.)

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)