Ich teile das Ganze mal in zwei Aspekte ein. Den (Meta)Plot und das Setting.
Metaplot
DSA ist (auch) ein Produkt. Ich finde es daher folgerichtig sich mehr auf Dinge und Regionen zu konzentrieren die beliebter sind als andere. Wir machen es in der Politik ja nicht anders. Es darf nicht jede Parei "reihum" ein Gesetz erstellen sondern das macht eben die mehrheitsfähige Regierung.
Ein anderer Aspekt ist die "Welt" als ganzes dieses Produkt ist. Das bedeutet sie will auch als ganzes betreut werden selbst wenn man nur einen Teil davon konsumiert. Sonst verliere ich die Reise- und Handlungsfreiheit die ja Kernkompetenzen eines P&P sind. Dann könnte man genauso gut ein PC-Spiel spielen wo man nur im ausgearbeiteten/dargestellten Bereich/Region/Maps spielen kann weil man über die weißen Flecken nichts weiß oder sie schlicht nicht dargestellt sind.
Was ist also die Lösung dieser diametral entgegengesetzter Anforderungen? Ich möchte meinen: bitte beide Probleme mit unterschiedlichen Medien/Mechanismen anzugehen. Ich finde es nämlich ein Unding dass [ !] Geschichte schreiben so gut wie immer dann passieren muss während man eine Geschichte erzählt. Früher hat sich die Welt über Boten und Briefspiel entwickelt und gelebt und man hat in den Settings Abenteuer erlebt die aber oft wenig in der Welt oder in Setting geändert haben. Das hat super funktioniert. Heutzutage erscheint es mir dass die Ausnahme (Borbarad-Kampagne) zur neuen Regel wird. Keine Setting-Betreuung ohne Abenteuer. Ich finde das grundverkehrt. Blockieren sich diese Sachen doch meist gegenseitig.
Ich hab auch das Gefühl dass früher mehr "bei DSA mitgemacht" wurde. Heute ist es eher ein Produkt was man passiv konsumieren will. Man "wünscht sich xy" (Al'Anfa braucht mal dies, Selem mal das, die Echsensümpfe mal jenes) und hofft auf Erfüllung. Aber DSA ist eben ein nerdiges Nieschenprodukt und kein iPhoneX auch wenn es Geld kostet.
Ich weiß nicht ob die Briefspiele noch laufen und der Bote scheint ja nicht mehr das zu sein was er mal war. Vielleicht muss man jetzt einfach neue Wege gehen um die Welt zu gestalten. Da ist auch Ulisses gefragt. Wenn man keine Kapazitäten hat um die Welt anständig zu betreuen dann muss man seine "Marke" öffnen um mehr Fans die Mitgestaltung zu ermöglichen. Vielleicht ne Website/App bereitstellen wo man sich austoben kann. Da loggt man sich ein und "betreut" eine Region und wenn es der Redax gefällt macht man es offiziell. So laufen weiter alle Fäden bei Ulisses zusammen. Und man muss halt mit der Gefahr leben dass der ein oder andere weniger Produkte kauft weil ihm einige Ideen/Ausarbeitungen reichen die von den Fans kommen. Vielleicht kann man sowas auch mit Gutschienen oder Con-Tickets belohnen um einen Anreiz zu schaffen. Das ist jetzt auch nur ne Idee aus der Hüfte geschossen um ein Beispiel zu bringen.
Wenn man also die Weltgestaltung ausgekoppelt und gesichert hat dann kann man einfach nur gute Abenteuer schreiben ohne gleich den ewigen Independence Day auf Aventurien herabbeschwören zu müssen. Und dann ist auch klar dass dort die meisten Geschichten zu erzählen sind wo die meisten Spielerherzen schlagen.
Setting
Davon ganz getrennt ist jetzt die Betrachtung des Settings. In diesem Faden jetzt speziell das Heilige Neue Kaiserreich vom Greifenthron zu Gareth. Was ich wichtig finde ist dass man die Settings nicht so bedient wie früher indem man einfach Stück für Stück die Beschreibungsdichte erhöht, sondern indem man eine echte Spielhilfe erstellt die genau kommuniziert was das Setting leisten/darstellen soll und die optimal das Charakterspiel und das Spielleiten in selbigem unterstützt. Das schließt auch Beihilfe zum Erstellen von eigenen Plots mit ein. Und ich finde hier herrscht beim MR ein großer Mangel. Es gibt Spielhilfen zu den einzelnen Kulturräumen (HdR, SdR, Siebenwindküste, Flusslande und co.) und die sind auch wichtig und richtig, wenn man weniger im "großen Setting" sondern in der begrenzten Region spielen will, was aber fehlt ist eine Spielhilfe die den großen Rahmen absteckt eine Art Imperium Raulis Spielhilfe. Die Reisende Kaiserin ist zwar ganz nett aber zu kurz und eindimensional gedacht. Das ist wie ein Werk über Anatomie welches nur Herz und Blutbahn beschreibt. Egal wie gut oder schlecht es ist für Kopf und Glieder oder das große Ganze bringt es mir wenig.
So eine Spielhilfe könnte das freie Spiel und die Kreativität in diesem großen Setting unfassbar befeuern. Man könnte darin herumwüten ohne dass die Außengrenzen oder politischen Gegebenheiten sich großartig ändern müssten. Das HRR war unfassbar lange von Außen betrachtet stabil und seine Grenzen haben sich nur langsam verändert obwohl im Inneren immer viel los war. Das gleiche gilt im Prinzip für sein aventurisches Nachahmerreich. Aber so wie das MR aktuell aufgestellt ist gibt es eben nicht viel her. Ich empfinde das MR eher als Bundesstaat denn als feudalen Personenverband. Sprich egal welcher Horst Grausam vom Großen Seehof regiert die Nordmarken können immer getrost behaupten "mia bleim mia". Es gibt keine rechtliche, soziale oder militärpolitische Handhabe für Spaltung, Destabilisierung oder Reorganisation. Überall herrscht ein abgeschlossener unteilbarer Territorislstaat mit sattelfestem Herrscher nach unantastbarer Primogenitur. Selbst die Demographie und Urbanität blockiert jedes Spiel abseits vom Status quo.
Was also würde ich verbessern wollen?
- Erst mal würde ich kucken was man mit Erbfolge so alles anstellen kann. Was sind die Traditionen die Raul überliefert hat, wie haben sie sich in der Geschichte gewandelt (Priesterkaiser, Total, etc.) und wo stehen sie jetzt. Ein Thronfolgekrieg kann auch um einen bestimmten Modus der Erbfolge entbrennen. Die einen wollen eine Art "Erbteilung" (weil z.B. Raul damals fair unter seinen Kindern geteilt hatte. Debrek bekam das MR und das Imperium, Hardo das HR als "Unterkönig"), die anderen wollen eine Wahlmonarchie errichten um selbst mal die Chance auf die Macht zu erhalten und die anderen wollen ein möglichst geeintes stabiles Reich mit Primogenitur. Dann muss man sich überlegen was überhaupt generell mit anderen Geschwistern passieren soll. Je besser man diese "befriedigt" umso weniger Ärger machen sie eventuell. Aber da man sich sowas nicht überlegt hat scheut man als Redax natürlich dem Hause Gareth (oder anderen) eine Kinderflut zu bescheren. Einfach weil man nicht so recht weiß was man mit denen anfangen soll. Also gibt es nur Sonder- und Spezialfälle (Hal, Brin, Zwillinge, Albiron, etc.) oder man verheizt sie einfach stumpf (Selindian-Hal und v.a. Kind z.B.).
- Dann gibt es irgenwie neben dem Kaiser kein nennenswertes Gegengewicht zur Macht. Kein Kurfürstenkolleg, kein (regulärer) Reichs(fürsten)tag mit nennenswerten Kompetenzen. Es gibt die Reichsregierung in Elenvina und die Reisende Kaiserin aber so wirklich klar wird die Problematik nicht. Was kann Elenvina tun um es Rohaja schwer zu machen und v.a. hat daran nur ein Provinzherr einen Anteil. Was ist mit den anderen Reichs fürsten? Wie funktioniert die Politik auch zwischen den Provinzen? Etc.
- Die Hauspolitik ist auch schwierig. Da es Gleichberechtigung gibt ist es auch nicht so einfach. Hier wäre eine sinnvolle und belastbare Regelung, gerne für jede Provinz unterschiedlich, wünschenswert. Hatten wir IRL z.B. Ottonen, Salier und Staufer die mehr oder weniger verwandt und verschwägert waren gibt es im MR nur Garether. Obwohl wir eigentlich Gareth, Almada, Mersingen und Streitzig haben könnten. Auch hier fehlen die Häuser als dynastische Komponente des Spiel um die Macht. Die Oberhäupter der Häuser sind allesamt sanfte Phlegmatiker statt aktive Patriarchen/Matriarchen die den Ruhm ihres Hauses zu mehren versuchen.
- Dezentrale Urbanisierung lässt die Territorien eindimensional wirken. Klar sitzen die Provinzherren fest in ihrem Sattel wenn in ihrem Gebiet nur jeweils eine einzige Stadt nennenswertes politisches und sozioökonomisches Gewicht hat. Der Herzog von Nordmarken ist unangefochten. Gibt es doch nur Elenvina und dann lange nichts. Gleiches für die anderen. Punin, dann lange nichts, Havena, lange nichts, Trallop, lange nichts, etc. pp. Es fehlen die mächtigen Grafengeschlechter als Gegengewicht in den Provinzen, die großen Reichsstädte und Pfalzstädte als regionale Machtfaktoren. Punin 25k, <-> Ragath 3,5k; Elenvina 12k <-> Albenhus 3,5k, Eisenhuett 0,8k, Weidleth wenig. Da habe ich als SL wenig sinnvollen Spielraum.
- Als letzten Punkt sind noch die Kirchen, und hier v.a. die Staatskirche des Praios, zu nennen. Hier sollte es ein Gegengewicht aus einer ganz anderen Ecke geben. Sowas wie Beilunk und Rommilys kann sehr bereichernd sein wenn ihr politischer Einfluss auch vorhanden und kommuniziert ist. Gerade die 12-Götter bieten ein reichhaltiges Angebot an Facettenreichtum an. Almada-Rahja, Albernia-Efferd, Weiden-Rondra, etc. kann so ein politisches Profil abrunden und würzen ohne gleich in unliebsame Religionskriege abzudriften.
Das jetzt mal die wichtigsten Punkte die mir einfallen. So könnte man das Reich lebendig und interessant aber gleichzeitig handlungsunfähig und schwach genug zu halten. Und offizielle Abenteuer nehmen sich dadurch auch keine Handlungsfreiheit. Ob Kriminalabenteuer in Gareth, Wildnisabenteuer im Greifenfurtschen/Weidnischen oder die große politisch apokalyptische Kampagne. Aber gleichzeitig hätte man eine echte und sinnvolle Spielhilfe in der sich der Spielleiter dramaturgisch bewegen kann.
Eine der besten Spielhilfen in diese Richtung ist, finde ich, Reich des Horas. Der Horas(hof) als globaler Spieler samt Palastintrigenspiel und den Kronkonvent als politisch nationale Spielwiese. Dann die vielen plausiblen politischen Veränderungen auch auf der Karte: Provinzgrenzen ändern sich bzw. wurden aufgehoben bzw. "beweglich" gestaltet Fokus auf die Person/Institution als politischer "Big Player". Logen, Geheimbünde, Mächtegruppen, etc. aber jeder der das HR nicht mag muss sich mit vergleichsweise "unnützen" bzw. "minderwertigen" Spielhilfen zurecht kommen. Ich weiß nicht ob das HR einfach die "besseren Fans" hat oder das bessere standing in der Redax aber sowas wünscht man sich doch mindestens für die "Großen Mächte" (MR, HR, Al'Anfa, Aranien) wenn nicht sogar für alle Regionen.
Über den Tellerrand
Was mich zum nächsten Punkt bringt. Ich finde zwar nicht dass das MR zu groß/mächtig ist (die USA geht auch von Eastcoast to Westcoast und biss sich die Zähne an Vietnam aus) falls man aber die politischen dezentralen Kräfte im MR stärkt (mehr größere Reichs-, Grafen- und Pfalzstädte) würde das mit einer größeren Bevölkerung und Wirtschaftskraft einhergehen. Aufs ganze MR verteilt würde seine Bevölkerung wohl auf ca. 3.000.000 steigen müssen. Dann müsste man aber auch in den anderen Regionen nachziehen.
- Im Horasreich müssten neben Vinsalt und Kuslik viele andere Städte anschwellen. Keine bedeutende Stadt (Drôl, Neetha, Methumis, Belhanka, etc.) unter 20k keine wichtige Stadt (Thegûn, Pertakis, Horasia, Bethana, etc.) unter 10k. Landbevölkerung entsprechend. Abgesehen davon ist das HR, wie oben geschildert, herausragend ausgearbeitet.
- Das Alanfanische Imperium müsste, wie das Römische Reich oder die Grieschische Kolonisation als urbane maritime Macht weit ausgreifen und Provinzen/Klientelstaaten eingliedern und neue Städte/Kolonien planmäßig begründen. Die entsprechenden Städte (Mirham, Mengbilla, Port Corrad, Selem, etc.) 10k-20k oder mehr, dazu neue Städte auf der Land"masse" zwischen Port Corrad und Al'Anfa und auf Inseln bzw. Uthuria. Dazu den Rat der 12 schön ausgestalten samt "Parteien" und "Interessengruppen". Dazu die Stadthalter der einzelnen Provinzen/Kolonien als außerstädtische Machtfaktoren. Alles in allem sollte die Bevölkerung von 120.000 (mit Al'Anfa und Sklaven) auf min. 800.000 (imperiumweit) anschwellen.
- Das Maharanyat Aranien sollte man irgendwie mehr von MR und den Tulamiden emanzipieren. Die Peraine-Kirche noch mehr einbinden und als globalen Faktor aktiv werden lassen. Rituale und traditionsreiche Sippenpolitik müsste man facettenreich ausarbeiten um das weibliche "Schachspiel" um Macht und Einfluss interessanter zu gestalten. Mehr auf die weibliche Stammesherkunft fokussieren. Bauburen, Nebachoten, etc. über die Mütter hergeleitet. Dazu die jeweiligen urbanen Zentren anschwellen lassen: Baburin, Elburum, Llanka 20k. Kleiner Zentren (Palmyrabad, Nasir Malkid, Anchopal) auf 10k+ und Zorgan zur 40k Metropole. Die Land- und Stammeslandbevölkerung entsprechend.
Diese Big Players würden sich dann die Waage halten und kleinere "Staaten" halten sich in ihrem Schatten relativ stabil. Kleinere Anpassungen müssten noch gemacht werden. Brabak müsste etwas weiter ausgreifen und ein paar Städte gründen auch an der Westküste vom Regengebirge und/oder verbünden/vereinen sich mit Trahelien und machen Hôt Alem dem MR abspenstig etc.
So würde ich das machen. Ein paar Zahlen drehen und etwas Politik ausarbeiten. Mehr Klarheit im Setting. Und alles aus "einer Hand" bearbeitet und abgestimmt. Und von dem Punkt aus arbeitet man dann weiter. Sowohl offiziell als auch in der heimischen Gruppe. Zerschlagung des MR, nein. Dezentralisierung, ja. Sowohl innerstaatlich als auch kontinental betrachtet.
Gruß.