Seit der RatCon wissen wir, dass wir nächstes Jahr mit einem neuen DSA-PC-Spiel rechnen dürfen: Book of Heroes. Nachdem die ersten Artikel dazu raus sind, lässt sich darüber diskutieren, was wir erwarten dürfen. Dies ist auch ein guter Grund, einmal auf das erste DSA-Computerspiel zurückzublicken und in Erinnerungen zu schwelgen: Die Schicksalsklinge, Teil 1 der Nordlandtrilogie. Ich habe mir zu der Frage Gedanken gemacht, inwiefern Book of Heroes von den Erfahrungen der Schicksalsklinge profitieren kann.
Zunächst einmal muss ich sagen, dass die Schicksalsklinge für mich ein besonderes Spiel ist, da es mein persönlicher Türöffner zu Fantasy und Pen-and-Paper gewesen ist. Dass es bei mir und bei vielen anderen so einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, dafür mache ich vor allem vier Gründe aus:
1. Einmaligkeit erzeugt Wertschätzung
Rollenspiele am PC waren zu Beginn der 1990er Jahre im Gegensatz zu heute eine Seltenheit. Die Tatsache, dass die Schicksalsklinge eben nicht austauschbar war, hat dazu geführt, dass sie etwas ganz Besonderes gewesen ist. Das erste Mal den Druiden Gorah besiegt. Dann das Totenschiff ausfindig gemacht und versenkt. Die Schicksalsklinge gefunden. Thorwal gerettet! Ein unbeschreibliches Gefühl war das damals, wie ich es seither nicht mehr erlebt habe.
2. Einfachheit erzeugt Entschleunigung und Fantasie
Da Computertechnik und Grafik noch nicht so weit vorangeschritten waren, war die Schicksalsklinge sehr nahe am Pen-and-Paper dran. Es wurde unheimlich viel lediglich mit Worten beschrieben. Keine Animationen. Keine Videosequenzen. Kein wirres Mausgeklicke. Diese Einfachheit hat dazu geführt, dass man nicht im Schweinsgalopp durch das Spiel gehastet ist, sondern durch die Entschleunigung des Lesens Zeit hatte, sich die Situation vor seinem geistigen Auge auszumalen, was zu einer immensen Steigerung des Spielgenusses führte.
3. Anstrengung erzeugt Ehrgeiz
Viele Rätsel waren beim ersten Mal echt hart. Zum Lösen der Probleme war man auf ein paar Freunde und sich selbst gestellt. Kein Internet. Keine Foren mit Tipps und Cheats. Keine Lösungsseiten. Hey, wenn ich im Tempel meine Waffen segnen lasse, dann brauche ich ja gar keinen Fulminictus, um den Heshthot zu besiegen! Und wenn ich ´ne Wurfaxt mitschleppe, muss ich zwischen x und y keinen Umweg laufen! Was war das für ein gutes Gefühl, wenn man dann wieder ein Rätsel gelöst hatte und es den anderen mitteilen konnte.
4. Warten auf die Fortsetzung erzeugt Reflexion
Zur Schicksalsklinge gab es ja zwei Fortsetzungen – aber wie lange hatte man darauf warten müssen, bis diese endlich rauskamen! Dies hat dazu geführt, dass man die Schicksalsklinge (später auch Sternenschweif) wieder und wieder gespielt hatte und jedes Mal dabei neue Details aufgefallen sind. Im Dorf x wartet NSC y in Taverne z. Ist das Spiel auch ohne magiebegabte Helden spielbar? Welche Hintergrundgeschichte könnten meine Helden haben? Brauche ich wirklich ein halbes Dutzend oder sind 3 oder 4 nicht viel stimmiger?
Wir waren so begeistert von der Schicksalsklinge, dass wir unser Taschengeld zusammenkratzten und anfingen, DSA2-Boxen zu kaufen. Und dann kam der Wow-Effekt schlechthin: Thorwal ist ja nur soooo klein auf der Aventurienkarte! Krass, was man da alles für Abenteuer erleben konnte! Und irgendwann hat man dann gar kein PC-Spiel mehr benötigt.
Das ist lange her. Ich weiß, dass mir dieses Gefühl kein Book of Heroes oder auch sonst kein Spiel mehr geben kann, und das muss es auch nicht. Allerdings, und das würde ich mir von einem Book of Heroes wünschen, dass es in jungen Spielerinnen und Spielern von heute die gleiche Freude auslöst wie damals die Schicksalsklinge in mir. Und dass diese dann idealerweise ebenfalls damit beginnen, ihr Taschengeld zusammenzukratzen und die Einsteigerbox kaufen.
Allerdings sind die Voraussetzungen dafür heute anders. Wahrscheinlich wird Book of Heroes für viele, die eine Erstbegegnung mit DSA haben werden, nicht die erste Begegnung mit einem Fantasy-Rollenspiel sein. Dafür ist das mediale Spieleangebot innerhalb der letzten 20 Jahre wohl zu sehr gewachsen. Deshalb sollte man seitens Ulisses darauf achten, dass es ein DSA-Spiel wird und eben kein Baldur’s Gate oder ähnliches. Einmaligkeit erzeugt Besonderheit, alles andere Austauschbarkeit.
Was die Einfachheit anbelangt: Natürlich kann man der Spielerschaft von heute keine Grafik mehr von vor 25 Jahren andrehen (Warum eigentlich nicht?), aber – und das sollte man bedenken – Pen-and-Paper kommt eben auch ohne Grafik aus. In diesem Fall ist weniger (und damit meine ich nicht nichts) tatsächlich mehr.
Was den Ehrgeiz anbelangt: Grundsätzlich finde ich kurze Spielsequenzen schön – bekanntlich liegt ja in der Kürze die Würze – aber man kann es auch untertreiben. Hier bleibt zu wünschen, dass die Questen nicht auf ein lineares Dungeon-Aufräumen beschränkt werden. Die Hoffnung ist durchaus berechtigt, da ja angekündigt wurde, dass Rätsel ein elementarer Bestandteil von Book of Heroes werden sollen. Allerdings stelle ich mir schon die Frage, wie komplex ein Rätsel ist, wenn ich eine gesamte Queste in 20 Minuten absolvieren kann.
Bleibt zu guter Letzt der Punkt mit den Fortsetzungen. Ich würde mir wünschen, dass es nicht zu einer Inflation an Questen kommt, da dies meines Erachtens zu Lasten der Reflexion führen würde. Ich wünsche mir ja schließlich, dass möglichst viele, die dieses Spiel spielen werden, es als Sprungbrett zum Pen-and-Paper sehen und eben nicht in eine passive Konsumentenhaltung verfallen und nur darauf warten, das nächste Häppchen portionsgerecht serviert zu bekommen.
Fazit: Ich sehe Book of Heroes definitiv als Chance, neue Leute für DSA zu begeistern, indem man sie dort abholt, wo man sie heute am ehesten antrifft: In der digitalen Welt. Allerdings sehe ich es nur dann als Chance, wenn es gelingt, die Besonderheiten und Vorzüge von DSA und Pen-and-Paper erlebbar zu machen. Macht man dies nicht oder nur in zu geringem Maße, könnte der Schuss auch nach hinten losgehen, indem man sich eine Generation passiver Konsumenten heranzieht. Ergänzend dazu sei gesagt: Wenn das jemand möchte, ist das natürlich sein gutes Recht. Nur ich persönlich finde, wenn das zu viele tun, geht dann dadurch eben das Flair von DSA in gewisser Weise verloren. Ich selbst werde mir das Spiel wohl nicht kaufen – meine Zockerjahre am PC sind vorbei – aber ich wünsche jeder und jedem, der es kauft, von ganzem Herzen dieses Gefühl zu erleben, das ich beim Spielen der Schicksalsklinge hatte!