Verbitterung ist kein Ausdruck. Missbehagen, Unversöhnlichkeit, Rachsucht – all das geht Partach durch den Kopf, als er sich zügigen Schritts ans Gjalska-Ufer begibt, um den Barbaren ob seines Ratschlags aufs Neue aufzusuchen. Bartakh ist gerade auf Durchreise in Niellyn und der Anstand gebietet es dem Yalding, den fremden Ehrenmann in seiner Hütte nächtigen zu lassen. Trotz all seiner Bemühungen vermag es dabei dem Oberhaupt des ältesten Haerads nicht gelingen, dem größten aller Gjalsker Krieger mit Offenheit gegenüberzutreten. Zu tief sitzt noch die Niederlage des letzten Gon‘da Gon Palenkels in den Gedanken des Yaldings.
„Lass uns in deine Hütte gehen“, fordert Ifrunndoch Partach auf. „Hier ist es zu stürmisch.“
„Von welchem Sturm sprichst du?“, wundert sich Partach. „Heute ist es doch geradezu windstill.“
„Du bist abgestumpft, Yalding“, stellt der Barbar fest. „Außerdem möchte ich deinen Met vorkosten, den du Bartakh bren Yuchdan auszuschenken gedenkst.
Kurze Zeit später, das Methorn in der Hand, nimmt Ifrunndoch einen großen Schluck, setzt ab und beginnt zu erzählen.
„Kannst du dich noch an die beiden Gaukler erinnern, von denen ich dir vor kurzem erzählt habe?“
„Wie könnte ich das vergessen? Du erzähltest mir davon, als wir unsere letzte große Niederlage beim Gon‘da Gon Palenkel erlitten und dieser Dammagon-Durro-Dûn von Bartakh in und über Niellyn triumphierte.“
„Ich sehe“, fährt der Barbar fort, „du kennst die Geschichte. Zwei Gaukler tippelten über ein Seil, unter dem ein Netz gespannt war. Einer schaffte es, einer fiel ins Netz.“
„Du sagtest, ich sei der ins Netz gefallene Gaukler“, spinnt Partach den Gedanken weiter. „Und weil ich nicht liegen geblieben, sondern wieder aufgestanden bin, sollte ich Ifrunn doch ein großes Opfer geben, was ich zähneknirschend dann auch getan habe.“
„Zähneknirschend? Dann war dein Fall nicht tief genug“, bemerkt der Barbar spitzfindig. „Nun denn, höre, wie die Geschichte weiter geht: Nachdem die Gaukler einige Tage in dem südlichen Haerad verweilt hatten, machten sie sich auf, um weiterzureisen und an einem anderen Ort ihre Kunststückchen vorzuführen. Dabei gerieten sie in einen gewaltigen Sturm, der ihnen ihr Netz wegwehte. ‚Nicht so schlimm‘, dachte der eine, ‚dann kaufen wir eben ein neues‘. Der andere hingegen war ganz und gar darauf aus, das verloren gegangene Netz wiederzufinden. So sage mir, Partach, welcher der beiden, wird es wohl sein, der das vom Sturm verwehte Netz wieder beschaffen wollte?“
„Derjenige, der beim letzten Palenkel ins Netz gefallen ist, er wird es um jeden Preis wieder zurück holen wollen“, antwortet der Yalding ohne zu zögern.
„Auch dieses Mal hast du richtig geurteilt“, bemerkt der Barbar zustimmend. „Sage mir jedoch auch, mit welcher Begründung er dies tun möchte.“
„Mmh…“, überlegt der Stammesführer. „Er verdankt diesem Netz sein Leben. Wie könnte er da zusehen, wie es vom Sturm fortgetragen wird?“
„Schon wieder die richtige Antwort“, lobt der Barbar. „Denke daran, Yalding, du bist dieser Gaukler. Damit du überhaupt die Entscheidung treffen konntest, im Angesicht der Niederlage wieder aufzustehen, musst auch du vorher in ein Netz gefallen sein.“
„Was für ein Netz? Spiele nicht mit mir, Ifrunndoch“, gibt sich Partach ungeduldig.
„Ich weiß nicht, welches Netz dich getragen hat“, erklärt der Barbar ruhig. „War es deine Selbstachtung, deine Liebe zu Niellyn, die Ehrfurcht gegenüber Ifrunn oder was auch immer – ich sage dir, es spielt keine Rolle für mich. Entscheidend ist, es hat dich getragen. Ohne dass du es gemerkt hast.
„Das ist wahr.“
„Und jetzt lässt du es zu, dass ein Sturm in Form von Bartakh dir dein Netz wegtreiben lässt? Das Netz, das dich wieder hat aufstehen lassen? So geh‘ hin und mache dich auf, es schnell wieder einzufangen, denn heute Abend, Gaukler, steht dein nächster Auftritt an: Die Bewirtung Bartakhs, und da sollte dein Netz besser nicht fehlen!“