Warum ich so traurig bin...

  • Alles war so gekommen, wie ich es vorraus gesehen hatte. Alles, abgesehen von ihr...

    Das Gespräch in der billigen Kaschemme 'Einkehr' mit Holdichandro genauso, wie der Handel mit Erik, den ich wie erwartet um mehrere Silbertaler hatte im Preis drücken können. Danach war Erik so aufgedreht gewesen, wie er es immer wurde, wenn er einen vermeidlich guten Handel abgeschlossen hatte. Dass ihm dieser Handel zu Verhängnis werden würde, war damals für mich nicht abzusehen. Vielmehr war es geplant, dass der rote Fuchs und seine Männer den Wagen mit den Kohlen anhalten, durchsuchen und die Kiste zu Tage fördern würden, welche die Steine enthielt. Der rote Fuchs war nicht dumm, und was wollte er mit Kohle? Sicherlich würde er Erik nicht töten, weil das unnötig war und ihm die Sympatie in den Dörfern wegnehmen würde. Erik gehörte eher zu den bescheidenen Händlern, mit nur einem Wagen und einem Ochsen, der schon viele Meilen gelaufen war, ihren Lebensunterhalt bestreiten. Solchen Leuten gegenüber war der Fuchs bisher immer freundlich, wenn auch bestimmt aufgetreten. Und vermutlich würde er auch die Falle wittern, die dieser Transport war. Also war Vorsicht angebracht, da schon der kleinste Fehler die Aktion platzen lassen oder Eriks Leben gefährden könnte. Und deshalb hatte ich mich auch entschlossen, Erik nicht in Kenntnis zu setzen. Man wirkte am natürlichsten während eines Überfalls, wenn man nicht schon vorher wusste, was passiert. Und heldenhaft konnte man Erik nicht zählen. "Maurice, ich sage dir: Diesen Fuchs, diesen Halunken, lässt man am besten in Ruhe, wenn man ihn sieht. Oder noch besser: Man guckt weg." hatte Erik gesagt. Genau die richtige Einstellung für das, was Manika, meine direkte Vorgesetzte beim KGIA, mich angewiesen hatte, zu tun. "Finde heraus, wer dieser rote Fuchs ist und sieh zu, dass er uns keine Probleme mehr bereitet..." das war mein Auftrag. Klar, präzise, kurz formuliert, wie immer. Es war keine Anweisung, den Fuchs zu töten, das hätte man vielleicht auch einfacher haben können. Ausserdem war ich kein Mörder. Aber man musste sich versichern, dass er keine Bedrohung darstellte, indem er zu viel Geld unter das einfache Volk brachte und sich somit Sympatien erkaufte, die vielleicht einmal in einem offenen Aufstand gegen einen Baron gipfelten könnten. Oder in einer noch grösseren Räuberbande. Und so hatte ich mich entschlossen, erst einmal das Versteck des Fuchses herauszu finden. Schnell war ich über Beziehungen, Freundschaften und einen Teil der Spesen an den Kristall gekommen, den die Herrn von den Kunchomer Akademie freundlicherweise für diese Zwecke zur Verfühgung gestellt hatten. Vielleicht war er auch einfach gestohlen worden, mir war es egal. Ich wollte es gar nicht so genau wissen, wichtig war, der Kristall war hier, sah genauso aus, wie die anderen funkelnde Steine, welche ich in einer Kiste zwischen den Kohlen verstecken wollte und würde somit den Banditen hoffentlich nicht auffallen. Und, noch wichtiger, Ferdinando Mulgore de Travelaz de Holdichandro, Akademiemagier und bestechlicher Hurensohn, war im Dorf und konnte angeblich jederzeit herausfinden, wo der Stein gerade war. Soweit alles kein Problem, soweit lief alles nach Plan. Soweit...

    Vielleicht war es zu nachlässig, darauf zu vertrauen, dass Erik auf seine Touren immer alleine war. Vielleicht hätte ich im Dorf seine Abfahrt beobachten sollen, auf die Gefahr hin, dass ich den Ort des vermuteten Überfalls nicht rechtzeitig erreichen würde. Nur kurz seinen Weg streifen, zu Fuss, freundlich winken und vielsagend zwinkern. Oder vielleicht hätte ich ihr gegenüber am Tag vorher nicht andeuten sollen, dass ich bald wieder das Dorf verlassen müsste, dass sich meine Termine nicht verschieben lassen würden. Vielleicht war es falsch von mir, von Bernard zu erzählen, der im Nachbardorf das Gasthaus hatte, wo er mich immer übernachten lies. Möglicherweise hatte sie das auf die Idee gebracht. Im Nachhinein bin ich nicht sicher, wo genau ich den Fehler gemacht habe. Nur eines weiss ich. Ich würde meine Seele dem Namenlosen opfern, wenn ich die Dinge jenen Tages ungeschehen machen könnte. Doch ich kann es nicht. Phex, vergib mir...

    Erik war spät. Vielleicht war sein Ochse wieder Stuhr vor der Fuhrt stehen gebleiben, wie er es manchmal, besonders an kalten Tagen, gerne tat. Oder vielleicht hatte Erik eine Brotzeit unterwegs eingelegt, sein Bauch war ihm schon immer sein liebstes, was man ihm aber nicht ansah. Jedenfalls hatte ich meinen Beobachtungsposten auf der alten Eiche am Waldrand schon einige Stunden bezogen, und auch den Späher des Fuchses hatte ich schon entdeckt. Er war einige Male gegen den Horizont auf dem Hügel zu sehen gewesen, von wo sich der kleine Bach hinunter schlängelte. Wenig später war ein Trupp Berittener selbigen Hügel herunter gekommen und hatte sich mit Pferden im gegenüberliegenden Waldstück versteckt. Die Pferde waren ruhig, und nur ab und zu lugten einige der Reiter aus ihrem Versteck hervor, sahen die Strasse herauf und herunter. Ich jedoch war in meinem Versteck, über den Baumkronen auf der anderen Seite der Strasse in der Krone der alten Eiche, gut versteckt und unentdeckt geblieben. Man erwartet als Wegelagerer auch das Opfer oder potentielle Bedrohungen selten von oben, wie ich anmerken möchte. Leise pfeifte der Wind durch die Blätter, spielte mit meinem Hemd und pustete leicht in die Beine meiner braunen Hose. Und er trug das Geräusch eines Wagens heran, der sich rumpelnd über Steine und Matsch hinweg auf uns zubewegte. Das rumpeln von eisenbeschlagenen Rädern auf Steinen, das Knirschen auf Sand. Und noch ein Geräusch, welches mich zutiefst erschreckte: ein leises Kinderlied, gesungen von einer kindlichen Stimme.

    Nochmal lauschte ich auf dieses Lied, und tatsächlich hörte ich es wieder. Auf dem Wagen war Erik nicht allein. Nun, das waren beunruhigende Neuigkeiten. Der Fuchs war mit fünf weiteren Leuten hier, und somit würde ein Kind natürlich nicht seinen Überfall gefährden. Aber Kinder waren selten allein. Und dieses Kind hatte ich nicht vorraus gesehen. Was, wenn seine Eltern dabei waren? Dann wären schon vier Reisende mit dem Wagen unterwegs. Und wenn der Vater einer dieser Helden war... Ich überlegte fieberhaft, aber mir wollte einfach nichts einfallen. Auf den Gedanken, von meinem Spähposten herunter zu klettern und zu rufen: "Hey, Fuchs, besser, du überfällst diesen Wagen nicht!" bin ich natürlich nicht gekommen. Würde ich noch einmal entscheiden, wäre das wohl meine erste Wahl, ungeachtet der versteckten Bewaffneten mit ihren Bögen und Schwertern.

    Langsam zottelte der Wagen um die Biegung, das singende Kind wurde lauter, und man konnte Erik auf dem Kutschbock sitzen sehen. Aber das Kind sah ich nirgens. Vielleicht war es hinter der Kutsche, oder darin, unter der verrussten Plane, spielte zwischen den Kohlen. Dafür sah ich jemand anders, und meine ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die Person, welche neben Erik auf dem Kutschbock sass. Aus dieser Entfernung konnte man das Gesicht nur erahnen, doch wusste ich um jede Rundung, um jede Sommersprosse, um jedes Fältchen, welches sich in ihrem Mundwinkel bildete, wenn sie glockenhell und herzhaft auflachte. Ich wusste, dass ihre Augen tiefblau und wunderschön waren, das blonde Haar seidig und doch voll, Schulterlang, bezaubernd anzusehen und noch schöner zu berühren. Rajha selbst musste ihr die Schönheit gegeben haben, eine Schönheit, die sonst nur den Elfen zuteil wurde. Aber ihre Ohren waren rund, kleine, hübsche, silberne Stecker ruhten in ihr, welche ich ihr aus Festum mitgebracht hatte. Sie trug eine einfache, rote Bluse, an welcher der unterste Knopf fehlte, den sie auf dem Tsafest verlohren hatte, als sie in Eile an der Tür zur Einkehr hängen geblieben ist. Und dazu die braune Hose aus leichtem Leder, an welcher ich in einer warmen Sommernacht unendlich lange Herzschläge lang gezurrt und gerissen hatte, bis ihre warmen Hände mir aus der Scham halfen, sie nicht öffnen zu öffnen. Dann hörte ich ihr Lachen. Dieses Lachen werde ich nie vergessen. Klar und rein wie Quellwasser. Unschuldig wie das eines Kindes. Und dann sah ich den Jungen, der links um die Kutsche herumgewetzt kahm. Rondrajan, ein kleiner Ritter, der Erstgeborene der Fassbrechers. Ein tüchtiger Junge, stark für sein Alter, schnell mit dem Holzschwert, gerade und prajosgefällig. Und sofort wusste ich, dass der Überfall des Fuchses ein Problem werden würde.

    Als der Wagen nah heran war, spazierte der Fuchs aus seinem Versteck, als wäre dies sein Wald. Sein Schwert hing lässig in seine Rechten, der Bogen hin über der Schulter, und mit freundlicher Stimme forderte er Erik auf, den Wagen anzuhalten. Eriks Gesicht war eine Mischung aus Überraschung und Angst, wie ich erwartet hatte. Er sah sofort zu Boden. Und vermutlich hätte sie auch es an Respekt nicht mangeln lassen, wäre da nicht der Junge gewesen. Rondrajan lies sein Holzschwert fallen, und noch bevor es mit dem Griff den Boden berührte flog sein besseres Schnitzmesser in sein Rechte, während er auf den Fuchs zustürmte. Da hielt es sie auch nicht mehr au dem Kutschbock. "Du Schurke wirst uns nicht überfallen!!!" rief Rondrajan mit seiner hohen, knabenhaften Stimme, "..Ich werde dich"

    *PENG*

    Mit lautem Knall hatte der Fuchs die breite Seite der Klinge gegen den Kopf des Jungen geschlangen, eine einzige schnelle Bewegung, welche den wagemutigen Ausruf des Jungen abschnitt wie eine Schere ein Stück Stoff. Ich hörte mehr als ich sah, dass er zu Boden fiel. Sie aber lief heran und bückte sich, um nach dem Jungen zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt überlegte ich schon, ob ich eingreifen sollte, oder nicht. Aber was konnte ich schon tun? Vermutlich waren die Komplizen vom Fuchs mit gespannten Bögen in Position, bereit, jeden Wiederstand, jede Gefahr nieder zu schiessen. Und der Fuchs war bekannt dafür, dass er sehr gute Schützen in seiner Bande hatte. Als sie neben dem Junge kniete, tritt der Fuchs zwei schnelle Schritt auf sie hinzu, nahm sie am langen Haar und zerrte sie auf die Beine. Mein Liebes hat er angefasst, ihr weh getan. Von meiner Position konnte ich in ihr Gesicht sehen, und ich bilde mir bis heute ein, dass sie mich auch angesehen hat. Der Fuchs sprach irgendetwas von "Keine Dummheit machen..." oder so, ich bin mir nicht mehr sicher. Ich kann mich aber noch genau daran erinnern, dass sie sich gewehrt hat, versuchte, sich wegzustoffen, auf seine Brust schlug. Und dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig:

    Der Fuchs schrie laut auf, und grosser Schmerz lag in seiner Stimme. Zur gleichen Zeit hatte sie ihn von sich weg gestossen, und sah zu mir herauf. Ihre ganze Liebe lag in ihrem Blick, ihr Vertrauen darauf, dass ich ihr schon helfen würde, wie ich es immer getan hatte, wenn Probleme unsere Zweisamkeit störten. Und diese Liebe wurde hinweggefegt, zerrissen, vernichtet, als ein Pfeil von einem Kurzbogen ihren makellosen Hals durchbohrte und ihren Körper nach hinten riss. Sofort sprangen zwei der Banditen aus ihren Verstecken, bewaffnet mit Säbeln, bereit, jeden Angreifer zu töten, der ihren Anführer verletzen wollte, jeden Versuch dieses Frauenzimmers, ihren Anführer zu schädigen, mit blankem Stahl abzuwehren. Doch sie hatte keinen solchen getan. Der kleine Junge jedoch, Rondrajan, stach zum zweiten mal mit seinem Messer in den Fuss des Fuchses, der daraufhin wieder aufschrie und nach hinten fiel. All dies sah ich aber nur am Rande, mein Blick hing in diesem Moment an ihr. Das Blut lief ihr aus dem Hals, Flux um Flux, Becher um Becher, und spritze in feinen Tröpfchen davon, wenn sie versuchte, auszuatmen. Ihre goldenen Haare sogen es auf, so wie der Boden, begierig zuerst, dann langsam, die Lache verbreiternd. Mehrmals schluckte sie, versuchte, ihr eigenes Blut hinab zu würgen, um zu Atem zu kommen. Ihr Körper schüttelte sich kurz, dann lag er still, und das Blau in ihren Augen, schöner als Efferd es für sein Meer schuf, verbleichte, wurde einen Abfluss hinweg gespühlt, aus ihren Augen, fort von ihr, ins Nichts. Ihre Lippen, blutgetränkt und bebend, formten ein letztes Wort.... meinen Namen.

    Ich weiss nicht, wie lange ich dann auf dem Baum gesessen habe. Und damit meine ich wirklich, dass ich mich nicht mehr erinnere. Als ich herunter stieg, war es immer noch hell. Ich muss geweint haben, weil mein Hemd nass und meine Augen trocken waren. Aber offenbar war ich leise genug geblieben, dass die Männer des Fuchses mich nicht gehört hatten. Ich weiss nicht, ob der Fuchs den Schützen für das bestraft hat, was er getan hat, oder ob es ihnen egal war, dass sie eine Frau getötet hatten, obwohl sie dem Fuchs nichts angetan hatte. Anhand der Spuren auf der Strasse vermutete ich, dass Erik den Wagen weiter gefahren hat, mit dem Jungen zusammen, was sich später als richtig herausstelle sollte. Sie jedoch lag noch da, tot, verblutet, erstickt an ihrem eigenen Blut, herausgerissen aus dem Leben, weg von mir. Ihre Augen hatten den Glanz schon verloren, ihre Seele war bereits unterwegs zur grossen Waage. Sicherlich ist sie gewogen und für würdig befunden worden, ins Paradies einzuziehen. Vermutlich geht es ihr dort gut und sie blickt auf mich herab, wenn die Nacht die Sterne enthüllt. Aber diese Gewissheit tröstet mich bis heute nicht. Sie ist tot. Und ich bin allein, zurück gelassen.

    Ich bin ganz allein. Für immer...

  • Gefällt mir sehr gut :lol:
    Man kann die Gefühle des Protagonisten gut nachfühlen

    Die gut gesetzten Absätze und die Rechtschreibung machen den Text sehr enfach zu lesen (sollte selbstverständlich sein, ist es aber leider in vielen Geschichten nicht :))

  • LOL... hab die selbe Story woanders gepostet, und da war sie nach 5 min ins Korrekturforum verschoben... Zitat: "Unlesbar durch schlechte strukturierung und Rechtsschreibung"

    ^^

  • Ein recht moderner, schwarzer und schicksalsergebener Schreibstil. Alles läuft wie eine unveränderliche, große Tragödie ab das niemand beeinflussen kann. Die ersten Zeilen sind schwierig zu lesen dadurch, aber bald findet man sich in den harten Rhytmus des Erzählstils hinein. Präzise wie ein Uhrwerk. Große Klasse!
    Es passt perfekt zur eigentlichen Kurzgeschichte. Der Erzähler wird einem nicht wirklich sympathisch. Er bleibt im Halbdunkel. Alles wie ein kurzer Flash in der Nacht, wo etwas unwirkliches sich abspielt.

    Zitat

    Zitat: "Unlesbar durch schlechte strukturierung und Rechtsschreibung"

    Über das Zitat kann ich nur lachen. Kampfmagier hat recht mit seiner Aussage. Wie erwähnt ist dein Schreibstil unerbittlich und 'hetzt' (Stilmittel) die Story wie eine Eisenbahn durch den Tunnel. Eine Novelle Noir, wer hier Farbe sucht ist im falschen Film.

    Du nennst MICH einen Ork? Schmecke meine Waffe!

    Ich liebe DSA 3

    Nieder mit den Heptarchen!!