Hi Frederic,
ich bin Kreativität im Rollenspiel grundsätzlich positiv eingestellt. Meist geht es dabei ja darum ein aktuelles Problem auf eine ungewöhnliche Art zu lösen. Das ist auch klasse: Das Problem ist beseitigt, die Spieler fühlen sich gut und es kann weitergehen. Sollte exakt das gleiche Problem wieder auftauchen, so kann es wohlmöglich erneut auf die exakt die gleiche Weise gelöst werden: Das Problem ist beseitigt, die Spieler fühlen sich ... mäh.
Dies kann ja leicht damit umgangen werden, dass den Helden von der SL nicht immer die gleichen Probleme vorgeworfen wird, jedoch kann die SL nicht bei allem aushelfen.
Gerade Magie und Götterwirken haben durch die Schwierigkeit der "Verregelung" dieser ein nicht kleines Potential dazu Universallösungen dazustellen, wenn eben erwähnte "Verregelung" nicht präzise genug alle Regellücken schließt. Gegenmaßnahmen führen aber zu recht langweiligen Zaubern/Liturgien und unnötig langen Regeltexten und das will ja keiner. Aber Universallösungen zerstören das Rollenspiel, indem sie ihm die Spannung nehmen und anderen Spielern/Helden die Möglichkeit zu glänzen.
Man kann mit dieser Situation nun verschieden umgehen:
Man kann sich die Komponente (den Zauber o. die Liturgie) ansehen und überlegen, was die Intention dieser ist: Bei manchen Komponenten mag dies einfacher (Ignifaxius macht Schaden) und bei anderen schwieriger (einen QS6 Flim Flam kann man kaum anschauen: Was sind die Mali dafür? Kann ich angegriffen werden, wenn ich einen solchen über dem Kopf schweben hab?) --> Der Motoricus ist nicht als Kampfzauber gedacht. Mit ihm sollten keine Kampfprobleme gelöst werden.
Dies führt zu eben bedachter Eingeschränktheit, aber auch zu einer gewissen Fairness: Der Motoricus ist ein recht billiger Zauber (AP-technisch), wird durch keine ZK oder SK erschwert und ist schnell ausführbar. Wenn du einen Ork für ca. 15 AsP x-Schritt in die Luft hebst und durch den Fall tötest, hast du mit vergleichbaren AsP und AP deutlich mehr im Kampf geleistet, als ein Kampfmagier mit einem Ignifaxius. Doch den Motoricus kannst du auch außerhalb des Kampfes deutlich sinnvoller einbringen als den Ignifaxius. Für den Spieler des Kampfmagiers ist das ziemlich deprimierend.
Man kann sich die Ingamephysik ansehen und darüber argumentieren --> Mit dem Motoricus kannst du Objekte hochheben und bewegen wie du willst.
Das ist logisch, öffnet aber auch anderen Regellücken das Tor. Es gibt genügend weitere: Mit dem Drachenleib kann ein Held bis zum negativen KO-Wert kämpfen, der Axxeleratus lässt sich mit dem Sturmangriff kombinieren, den geweihten Schmiedehammer, den keiner außer dem Geweihten hochheben kann, kann man als Ersatz für Fesseln, Barrikaden usw. verwenden.
Das macht bestimmt kurz Spaß, wird aber für die SL schwierig zu managen, da viele Herausforderungen umgangen werden können und die Geschichte leidet.
Man kann Kompromisse eingehen, mit der SL oder der Gruppe: Im Kern wollen alle am Tisch ja nur Spaß haben. Also sollte man versuchen, diesen in erster Linie nicht zu untergraben oder in zweiter zu fördern. Ich kann dir jetzt natürlich sagen, was ich von den Ideen zum Motoricus halte, aber das ist irrelevant. Du spielst nicht mit mir, ich weiß nicht wie du in deinen Runden spielst, oder das Klima in diesen ist. Rede mit ihnen und frag sie ob sie die Ideen gut finden. Komm nicht mit irgendwelchen Foreneinträgen an den Tisch und nimm sie als Argumente, dass es so funktionieren soll, wie du möchtest. Aber ich will dir dieses Vorhaben auch gar nicht unterstellen, mir vielleicht nur etwas von der Seele tippen...
Zurück zum Thema: Rein regeltechnisch ist alles von dir beschriebene möglich. Und um nun doch noch meine Meinung dazu zu sagen: Ich finde die Ideen gut! Aber wenn einer meiner Spieler damit den anderen den Spielspaß verdürbe, dann würde ich das ansprechen und klären, vermutlich stark einschränken. Aber wenn dein Held das zum Todesstoß erhobene Schwert des über deinen Kameraden gebeugten Feindes mit einem Motoricus fortreißt, wird sich sicherlich keiner beschweren. Es gibt einen schmalen Grat zwischen kreativem Einsatz von Fähigkeiten und Power Gaming. Auf ihm zu schreiten heißt balancieren und sich bei jeden Gleichgewichtsverlust neu aufzurappeln. Aber wem dies gelingt, der ist ein Quell spannender Situationen, glücklicher Rettungen und Lacher am Spieltisch. Ganz ohne Meisterwillkür.
Dein Bane