Mein Kommentar zum Thema:
Zunächst möchte ich betonen, dass ich nicht das Wissen, die Einsicht und vor allem die Verantwortung einer Verlagsleitung habe, die, wovon ich ausgehe, ihr Bestmöglichstes tut, um die Existenz sowohl von DSA als auch ihrer Angestellten zu sichern. Ich habe größten Respekt vor der gesamten Redaktion und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ich manches vielleicht anders sehe. Ich wollte diesen Job nicht machen und bin denjenigen, die das tun, sehr dankbar dafür, dass sie das tun. Insofern ist alles Folgende nur der kleine Einblick eines Außenstehenden aus einer begrenzten Perspektive.
Selbst wenn ein Autor oder eine Autorin bei der Verwirklichung seines Konzepts größtmögliche Freiheit hat, so sehe ich hier die größte Beschränkung in dem bereits geschriebenen Metaplot. Mit der Zeit ist Aventurien dermaßen beschrieben worden, dass es für Metaplot-Gestaltende immer schwieriger wird, frei Flecken zu finden, sei es in zeitlicher oder räumlicher Dimension. Und genau diese Einengung zieht meiner Meinung nach Folgen mit sich, die jeder für sich selbst beurteilen kann. Anbei mein Versuch einer Einordnung:
Auf der einen Seite lässt sich sicherlich mit Goethes Worten sagen:
Wer Großes will, muss sich zusammenraffen;
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.
(aus: Goethe, Natur und Kunst)
Insofern gibt es am derzeitigen Status quo nichts auszusetzen: Gleiche Chancen für alle.
Andererseits, wie ich bereits in dem anderen Thread geschrieben habe, gehe ich davon aus, dass potenzielle Neuautorinnen und Neuautoren erstmal tief in die Tasche zu greifen haben, um sich auf den aktuellsten bzw. historischsten Stand zu kaufen und dann nochmal eine beachtliche Zeit dort hinein zu investieren haben, um das Gelesene zu verwirklichen, um dann die kleine Lücke zu finden, die es vielleicht noch gibt (die dann aber gerade in diesem Moment durch eine neue Regionalhilfe oder ein neues Abenteuer geschlossen oder verändert wird). Dies führt dazu, dass heute – zumindest nach meinem Empfinden – deutlich weniger Leute den Metaplot gestalten als früher, wobei gerade die Möglichkeit, dass viele das offizielle Aventurien mitgestalten können – ich mir für DSA wieder mehr wünschen würde. Auch die Anzahl der Jungautorinnen und Jungautoren ist nach meinem Empfinden deutlich zurückgegangen. Viele namhafte Autoren waren bei ihrem Metaplot-Debüt unter 25 (z.B. Römer, Masberg), manche knapp darüber (z.B. Jödemann). Einige waren sogar unter 20 (z.B. Raddatz, Weste). Wo sind die Römers, Raddatzs, Masbergs und Westes von heute?
Ferner führt die Tatsache, ein Heldenwerk als Erstlingswerk zu schreiben dazu, dass man sich auch sämtliche Regelbände aneignen muss, um darauf reagieren zu können. Welchen Zauber könnte ein Magier in der Hinterhand haben, wenn ich dies oder jenes beschreibe? Welches Wunder könnte eine Geweihte wirken? Auch dies ist zu DSA3-Zeiten deutlich einfacher gewesen.
Des Weiteren darf man nicht vergessen, dass DSA früher über lange Jahre nicht nur Rollenspielsystem gewesen ist, sondern auch regelmäßig den Büchermarkt mit Fantasy-Romanen versorgt hat. Auch wenn es heute immer noch Romane gibt, so erscheinen diese heute (zumindest gefühlt) lange nicht mehr in der Intensität früherer Zeiten (Ausnahme: Phileasson-Saga). Dadurch gibt es eben auch deutlich weniger Autorinnen und Autoren, die sich auf Romane spezialisiert haben.
Ich weiß auch nicht, ob all die namhaften DSA-Autorinnen und DSA-Autoren, die den Namen „DSA“ in den Bücherläden der Republik am Leben hielten, unter heutigen Bedingungen ihre damaligen Romane hätten publizieren könnten, wenn sie sich zuvor dermaßen geld- und zeitintensiv in die die DSA-Welt hätten einlesen müssen, wie das heute der Fall ist. Wenn jemand beispielsweise über das Leben eines Efferd-Geweihten schreiben will, dann ist das ein anderer Aufwand, sich über eine Kirche zu informieren, als wenn jemand ein Heldenwerk schreiben muss, und sich eben in die Rollen, Zauber, Liturgien und Fertigkeiten aller Geweihten, Magier etc. einlesen muss – denn ein Spieler könnte ja einen Magier spielen wollen. Und einer einen Praios-Geweihten etc.
Schlussfolgernd lässt sich die Situation für mich am besten mit einem Konditor vergleichen, der eine Torte zu verzieren hat. Selbst wenn er sich noch so viel Mühe gibt, irgendwann ist die Oberfläche der Torte voll. Dann ist es Zeit für ihn, sein Kunstwerk zu genießen und am nächsten Tag mit einer neuen Torte zu verzieren anzufangen. Was ich sagen möchte: Ich persönlich empfinde die DSA-Metaplot-Torte als zu voll. Das heißt nicht, dass sie hässlich oder unnötig oder anderweitig negativ zu bewerten ist – sie ist schön, einzigartig und erfüllt ihren Zweck – aber in meinen Augen ist sie am Limit. Und wenn man neuen jungen Autorinnen und Autoren wirklich eine Chance geben will, wenn man wirklich Aventuriens Next Topautor sucht, dann hilft meiner Meinung nach nur der Reset-Knopf.
Auf der anderen Seite möchte ich jedoch auch ganz klar sagen, dass ich den größtmöglichen Respekt vor all denjenigen habe, die ihre Zeit und ihr Geld darein investieren, die geforderten Anforderungen zu erfüllen, sich ganz klein durch Smalltalk, Hilfsarbeiten, Präsenzzeigen auf Cons Stück für Stück hocharbeiten, und das teilweise seit Jahren und Jahrzehnten. Wenn es jemand verdient hat, den Metaplot zu gestalten, dann seid ihr das und ich gönne euch das von ganzem Herzen!