Beiträge von Gecq

    Was das Design Tharuns angeht, hat das Geschlechterverhältnis in der Tat eine große Rolle in der Diskussion gespielt. Ausgehend von der ursprünglichen Vorlage durch Ulrich Kiesow und Hadmar von Wieser wollten wir einerseits möglichst viele der Setzungen erhalten und andererseits auch eine möglichst erwachsene Modernisierung des Settings vornehmen. Das weitgehend geschlechtsneutrale Herrschaftsdesign in Aventurien betrachten wir als eines der gößten Verdienste von DSA. Dass in den Veröffentlichungen und an den Spieltischen aber eine Spannung
    zwischen den gesellschaftlich verinnerlichten Sexismen und der Design-DNA des Spiels entsteht, ist ein Problem, das auch oft zutage tritt. Wenn ein SL ohne großes Bewusstsein für sexistische Standards ein Abenteuer improvisiert und Gardisten aus dem Ärmel schüttelt, sind das meistens Männer. Der lokale Herrscher eines Dorfes ist meistens ein Mann, der Anführer eines Heerhaufens, der Wirt in der Taverne, meistens erstmal Männer. Die Schankmaid ist dann aber eben meistens eine Frau usw. Es sei denn, man ist sich dessen bewusst und gewöhnt sich daran, diese Automatismen bewusst zu überschreiben.


    Tharun hatte da einen anderen Ansatz im Original. Hadmar hat den neulich auch ausführlich erklärt. Die gesellschaftlichen Strukturen in Tharun sind – wenngleich gar nicht so weit weg von irdisch-historischen Relaitäten zu früheren Zeiten an vielen Orten – so extrem, dass sie eben nicht nur bei Besucher_innen (aus Aventurien, Myranor bzw. der Erde) widerständische Reflexe erzeugen, sondern auch bei den in diesen Gesellschaften aufgewachsenen und verstrickten Individuen. Die Strategien, sich darin zu bewegen und vielleicht sogar zu befreien, sind sehr unterschiedlich und mitnichten immer kollektive. In einer totalitären Gesellschaft entwickeln die Menschen zunächst einmal individuelle, egoistische Strategien, um ihre Situation zu verbessern.

    Wir bevorzugen einen bewussten Umgang mit gesellschaftlichen Zwängen – auch im Spiel. Dass auch weibliche Charaktere in Tharun viele Optionen haben und auch Spielerinnen darin hoffentlich ihren Spaß finden können, war ein wichtiges Ziel in unserem Welt- und Spieldesign. Dass das kein Lippenbekenntnis ist, lässt sich an zahlreichen Stellen in den Werken belegen. In 'Welt der Schwertmeister' haben wir eine Erklärung vorangestellt, der auf diese Thematik eingeht. Das Kapitel zum Spiel in Tharun in 'Wege nach Tharun' enthält viele Hinweise dazu, wie Frauenfiguren, NSCs wie SCs in Tharun eingefügt werden können und ich denke 'Schwerter und Giganten', der Abenteuerband, bietet viele Beispiele dafür, wie das in der Praxis aussehen kann.

    Ich will zur Lektüre der Bücher ermuntern. Nach dem, was oben diskutiert wurde, denke ich, dass sich in den Texten viele Antworten auf die aufgeworfenen Fragen und scheinbaren Probleme finden, denn ich denke, dass all das tatsächlich berücksichtigt wurde – nicht nur, was das Geschlechterverhältnis angeht.

    Auch wenn damit nicht zu rechnen war, und auch niemand damit rechnete, lief Tharun im Verkauf erstaunlich gut. Der Settingband lief exzellent, sodass der erste (ambitionierte) Print Run nicht reichte, der Regelband immer noch überdurchschnittlich gut. Über den Abenteuerband können wir nur spekulieren.

    Es war geplant, eine Serie von Reichsbänden nebst dazugehörigen Abenteueranthologien zu beginnen. Ebenso sollten splatbooks gemacht werden.

    Es gab da verschiedene Auffassungen. Viele Tharun-Interessierte fanden es gut, dass die Weltbeschreibung "Die Welt der Schwertmeister" ohne Regeln erschienen ist.
    Mittlerweile ist aber auch der Regelband "Wege nach Tharun" erschienen und der Abenteuerband "Schwerter und Giganten" wird auch noch in diesem Jahr erscheinen.