Nächtliche Arbeit

  • „ Es war einmal ein junges Mädchen namens Yaxha. Sie wuchs in edlen
    Verhältnissen auf und ihr Vater war dabei einen guten Bräutigam für sie
    zu finden. Doch jeder Anwerber verstieß die stolze Häuptlingstochter.
    Sie streifte mit Pfeil und Bogen durch den Wald, während der Häuptling
    wieder einmal viele neue Bewerber aus anderen Stämmen versammelte und
    beschloss, derjenige, der den großen Bären Uaxactún besiegte, solle
    seine Tochter zur Braut bekommen. Als das Mädchen heimkehrte und von
    dieser Lösung hörte war es außer sich vor Wut und packte ihre Sachen und
    verließ den Stamm ihrer Eltern. Sie kam an einen magischen Ort, auf
    einer Lichtung im Walde standen Steine unserer Ahnen und dort war auch
    der böse Bär. Er hatte bereits einige ihrer Verlobungsbewerber getötet
    und war dabei zwei weitere, die ängstlich an einen der Steine gepresst
    standen, zu töten. Yaxha spannte ihren Bogen und schoss mehrere Salven
    auf das Ungetüm. Und so besiegte die junge Kriegerin den Bären und
    erhielt als Preis ihre eigene Hand.“, beendete Ixlu seine Geschichte.
    Das Neristu- und das Menschenkind schauten ihn mit großen Augen an.
    „Das war aber spannend, alter Ohm!“, staunte das Menschenkind.
    „Erzählst du uns morgen noch eine Geschichte?“, fragte der kleine Neristu.
    Der
    alte Wolfalb lächelte milde: „Sehr gerne. Ich freue mich darüber, wenn
    Kinder aus der großen Stadt die Geschichten meines alten Volkes
    lauschen.“
    „Nun ist aber gut!“, eine Nerista trat ein und wischte
    ihre öligen Hände mit einem Lappen ab. „Tcheko muss ins Bett und du
    Neretulario wirst sicher zu Hause erwartet! Und Ixlu wird von mir
    gebraucht, er wird schließlich bezahlt!“
    Die Jungen murrten und stoben auseinander.
    Tcherkoni
    reichte dem alten Wolfalb eine Hand: „Wenn du meinem Jungen weiter
    solche Flausen in den Kopf setzt wird er noch ein schlechter Mechaniker
    und träumt nur an Märchen!“
    Der alte Mann lächelte mild: „Er hat doch
    noch genug Zeit um so Gefühlskalt wie der Rest eures Völkchens zu
    werden.“ Die Nerista schnaufte nur: „Na darum sind wir keine Sklaven der
    Menschen mehr und hervorragende Handwerker. Wir haben einen schärferen
    Verstand und ein gutes Denkvermögen, vielleicht würde euch das auch
    einmal ein wenig im Leben helfen!“
    Ixlu seufzte: „Ihr liebt die
    Wissenschaft und die Feinmechanik, ich liebe die alten Legenden, lassen
    wir es dabei gut sein… Nur schade, dass euch überschäumende Lebensfreude
    fremd ist, es würde euch gut tun, euch Neristu.“
    „Warum führen wir immer wieder dieses Gespräch. Es ist reine Zeitverschwendung!“
    Der
    Alte lachte auf: „Weil es mir Freund macht mich mit dir über andere
    Sachen als die Mechanik zu unterhalten und ich verwette einen meiner
    letzten echten Zähne dafür, dass es dir insgeheim auch Spaß macht!“
    Sie
    schüttelte nur stumm ihren Kopf und führte ihn in die Werkstatt: „Ist
    alles in Ordnung mit deinen Zähnen, die ich dir gestern eingesetzt
    habe?“
    „Alles wunderbar, beim Abendessen haben sie etwas gedrückt, aber jetzt ist alles in Ordnung.“
    „Gut.
    Nun denn…“, die Nerista rieb sich ihre zwei Paar Handflächen
    aneinander. „Wollen wir das Stück für den fetten Wirt beenden. Er will
    es seiner Enkelin schenken. Ich habe keine Ahnung, wie es jemand aus der
    Unterstadt schafft mich zu bezahlen…“
    „Na, wir sitzen doch selbst in
    der Unterstadt.“, murmelte Ixlu. „Die Konkurrenz ist unglaublich groß
    in Sidor Echiba. Es ist die perfekte Stadt für Handwerker und diese
    Quoran. Ihr Neristu fühlt euch dazu hier in diesen dunklen, steinernen
    Hallen wohl. Hier ist so wenig Natur und man sieht den Mond nicht…“
    „Du
    und dein Mond! Du solltest ihn in deinem Herzen tragen. Mir reicht es,
    nach getaner Arbeit in die Oberstadt zu spazieren, aber wenn du wieder
    in der Natur schlafen willst, dann sag mir wenigstens Bescheid! Bei
    deinem letzten Ausflug musste ich dich so lange suchen! Ich kenne mich
    doch nicht in der Natur aus!“
    „Lass jetzt gut sein…“, der alte
    Wolfalb hatte keine Lust die Neristu weiter anzustacheln und befingerte
    das technomantisches Huhn das vor ihnen auf der Werkbank lag.
    „Dieses Ding will er seiner Enkelin schenken?“
    „Sie soll einen
    Hühnerzüchter heiraten.“, Tcherkoni zuckte mit den Achseln, während all
    ihre vier Hände gleichzeitig mit etwas anderem Beschäftigt waren, redete
    sie im Plauderton weiter: „Das diese widerlichen Tiere hier unten
    überhaupt überleben, sie bekommen doch kein Tageslicht!“
    „Ich glaube
    hier unten werden auch neue Tierarten gezüchtet.“, überlegte Ixlu. „Wie
    hießen sie noch, diese, ähm, na, diese Phraisopos sind ganz interessiert
    an den Möglichkeiten der Unterstadt. Die Berge als neuer Lebensraum der
    Menschen mit ihren Haustieren. Es reicht doch für die Grolmur und die
    Zwerge. Selbst ihr Neristu fühlt euch hier wohl, weil es dunkel ist und
    die Steine tot sind, aber ohne den Mond werdet auch ihr traurig…“
    „Ich
    habe dem Huhn hölzerne Augen eingesetzt.“, unterbrach die Mechanika den
    philosophischen Fantasien des Alten. Er war nützlich für sie, er konnte
    gut Dinge verzaubern, sie selbst besaß keinerlei magische Fähigkeiten.
    Aber sie beide waren doch ein zu ungleiches Paar. Er hing Träumereien
    und Romantiken nach, Dinge mit dem kaum ein Neristu etwas anfangen
    konnte. Sie war wahrscheinlich noch zu nachsichtig, ein anderer ihres
    Volkes hätte ihn schon bereits längst vor die Tür gesetzt, den auch die
    Geduld eines Neristu war mal zu Ende mit unpraktischen Gedanken und
    diesen zeitverschwenderischen Gesprächen. Aber irgendwie war der Alte
    ihr ans Herz gewachsen. Sie war damals im Wald gewesen um Materialien zu
    prospektieren, er hatte sie damals gerettet und ihr sehr in der Natur
    geholfen. Sie hatte sein Talent für die Verzauberung entdeckt und konnte
    mit ihm ihr mechanisches Repertoire um technomatische Dinge erweitern.
    Es war schwer, denn es gab genug Handwerker die auf Technomantie
    spezialisiert waren und eine spezielle Ausbildung erhalten hatten. Die
    beiden arbeiteten unabhängig voneinander und improvisierten oft, wenn
    sie mit ihrem Magiewissen nicht weiterkamen. Das Geschäft ging
    schleppend und sie wusste, dass sie bald ihre Werkstücke zu Dumping
    Preisen verkaufen musste um überhaupt Geld in die Tasche zu bekommen.
    „Könntest du sie verzaubern. Vielleicht können sie sich rollen oder von
    links nach rechts schauen. Sieh, ich habe Pupillen geschnitzt…“
    Während
    Ixlu sich murmelnd über die Augen hermachte, drehte sich die Nerista
    einem anderen Werkstück zu und verband einige Drähte und Zahnräder
    miteinander.
    „Ich werde auch versuchen die Flügel zum Flattern zu bekommen. Das wird ihr sicher gefallen!“, sagte der Wolfalb.
    „Ist
    es nicht egal was es kann…“, schnaufte die Nerista. „Es ist überhaupt
    nicht sinnvoll! Es hilft nicht bei der Arbeit. Es wird einfach auf dem
    Tisch hin und her laufen, warum beschäftige ich mich überhaupt mit
    solchem sinnfreien Kram!“
    „Es ist ein Geschenk zur Hochzeit und wird
    Freude bringen. Außerdem“, fügte er hinzu. „Bringt es uns Geld und das
    ist doch sinnvoll, dass musst selbst du zugeben!“
    Das Licht in der
    Werkstatt flackerte und erlosch. Es handelte sich um eine gläserne
    Kugel, die von der hing und in der elektrische Blitze flackerten.
    „Oh nein! Die Magie ist erloschen…“, murmelte der Alte. Ohne diese Lichtquelle war es stockdunkel in dem Raum.
    Die
    Nerista seufzte: „Ich werde ihn rufen, damit er das Licht wieder
    auflädt…“ Tcherkoni wanderte durch den Raum, sie hatte Nachtsicht,
    während Ixlu nur während der Dämmerung besser als die Dorinther sehen
    konnte. Neben der Tür hing ein kastenförmiger Apparat mit einem Gestell
    an dem ein Holzzylinder hing. Diesen Holzzylinder nahm sie in die Hand,
    er war mit einer Schnur an dem Apparat verbunden.
    „Sagt ihr bitte
    Triandáfilos serr Patholon Bescheid.“, sagte sie klar in den
    Holzzylinder. „Wir brauchen seine Blitze!“ Und legte den Zylinder zurück
    in das Gestell. Die Nerista wand sich um und sprach in der Dunkelheit
    zu Ixlu: „Es wird wohl sicher noch einen Moment dauern. Wer weiß wo er
    gerade in der Unterstadt ist um irgendwelche Fackeln neu zu entzünden…“
    „Zum
    Glück haben wir hier unten den Elementaren Rat, falls wir mal die Hilfe
    bei Elementen brauchen.“, kam die Stimme des Alten aus der Dunkelheit.
    „Wahrscheinlich schickt er irgendeinen Feuerelementarlehrling her…“
    Sie
    schwiegen und nach einigen Momenten klopfte es an der Tür, Tcherkoni
    öffnete und herein trat ein sehr junger Amaunir von vielleicht 13
    Jahren. Dies war aber schwer zu beurteilen, weil sein Gesicht hinter
    einer Maske verborgen war, die einen Drachen zeigte. Er hielt die Pfote
    nach vorne auf der eine kleine Flamme brannte.
    „Warum tragt ihr diese Masken?“, fragte der Wolfalb.
    „Wir
    sind von der Elementargarde und als solche soll man uns erkennen, meint
    der Elementarrat.“, erklärte der Junge sachlich. „Die Feuergarde, die
    überall Feuer und Licht bringt, trägt Drachen oder Feuersalamander als
    Zeichen, Luft haben Vogelköpfe, Wasser Fische und Erz erzerne Masken.
    Neuerdings sind sogar einige Humusleute unterwegs, was wirklich seltsam
    ist und der Rat weiß nicht wo sie herkommen. Sie sind als Heiler
    unterwegs und tragen hölzerne Masken. Nun, wo ist Euer Behälter für den
    magischen elektrischer Strom , werte Herrschaften?“ Die Hausherrin
    zeigte an die Decke und schob einen Stuhl heran. Der Junge kletterte
    hinauf und berührte das Glas mit einer Pfote. Von der Stelle der
    Berührung aus verbreiteten sich Blitze in der Kugel, bis sie wieder
    vollständig gefüllt war.
    „Wie viel?“, fragte die Nerista und kramte in ihren Taschen.
    „3 Obulos.“
    Tcherkoni holte eine Handvoll loser Münzen aus ihrer Tasche und zählte die Münzen ab.
    Der Amaunir verbeugte sich und verließ wieder den Raum.
    „Und
    das alles nur wegen deiner Sehschwäche.“, sagte die Nerista. „Wärst
    du doch nur auch ein Neristu… Außerdem würdest du mich dann mit deinem
    Gerede nicht so sehr nerven…“
    Ixlu lachte auf und rückte seine Brille
    zurecht: „Nur weil ich nicht wie du in der Dunkelheit sehe.“ Er
    zwinkerte und machte sich weiter an die Arbeit.
    „Euer Gott des Mondes
    heißt doch Annereton, oder?“, plauderte der alte Wolfalb munter. „Wir
    beten auch den Mond an, als unsere Urwölfin Maadalaq. Schon komisch, wer
    alles den Mond anbetet auf so unterschiedliche Weise und mit anderen
    Namen. Ich glaube anderorts heißt er, sie oder es auch Mada und ich
    habe auch gehört, dass…“
    Ein Knirschen war zu hören. Die Nerista
    hatte einen kleinen Metalldraht zerbrochen, sie drehte sich um und sagte
    ganz ruhig: „Könntest du bitte schweigen? Mit deinem unsinnigen
    Geschwätz kann ich mich nicht konzentrieren und habe jetzt auch noch
    einen Draht kaputt gemacht.“
    „Verzeih mir bitte…“
    Schweigend arbeiteten sie weiter.
    Irgendwann
    streckte die Nerista ihre vier Arme aus und ließ ihren Rücken knacken.
    „Dieses rumsitzen macht mich ganz steif! Vielleicht hilft uns ein
    Spaziergang?“
    „Hast du etwas dagegen, wenn ich dabei rede?“, lachte der Alte.
    Dies
    fand Tcherkoni gar nicht lustig und sah ihn verständnislos an, aber er
    winkte nur ab: „Na, schon gut, meine kleine Prinzessin . Ich bin
    leider nicht mehr der Jüngste und nicht ganz so nachtaktiv wie ihr
    Neristu. Obwohl ich nicht einmal weiß, ob es überhaupt Nacht ist? Na,
    eigentlich ist hier unten immer Nacht, nicht wahr? Haha, aber die
    Müdigkeit steckt in meinen alten Knochen egal welche Tageszeit es
    ist. Hast du was dagegen, wenn ich das Huhn morgen früh fertig stelle
    und, während du schläfst, es direkt zum Wirt bringe? Dann würde ich mich
    jetzt für einige Stunden aufs Ohr hauen. “
    „Mach, wie du meinst.“, sie zuckte mit den Schultern und warf sich ihren Umhang über. „Dann sehen wir uns morgen.“
    Tcherkoni
    verließ das Haus und ging die steinerne Straße hinauf. Die Straße
    machte allerlei Abbiegungen, auch in Bingen, aus denen Arbeitslärm zu
    hören war. Nur in manchen brannte Licht. Jeder wusste dass die Untoten
    Sklaven kein Licht zum Arbeiten benötigten. Die Nerista erinnerte sich
    an das Gespräch mit dem alten Wolfalben als sie auf einen kleinen
    Marktplatz gelangte und ein verhüllter Mensch seine neusten Schöpfungen
    vorstellte. Eine Gruppe von Krabbenmenschen standen neben ihm.
    Sie hörte dem Mann eine Zeit lang zu. Er preiste sie als fleißige
    Arbeiter und gute Kämpfer. Man würde damit Aufmerksamkeit erregen, wenn
    man mit so einem Leibwächter unterwegs war.
    Tcherkoni sah wenig Sinn
    in diesen Wesen, sie benötigten doch ständig Wasser. Daher verließ sie
    den Marktplatz aus Langeweile. Sie ging noch einige Schritte in die
    andere Richtung, bis sie doch wieder Richtung ihres Hauses wanderte. Ja,
    der Alte hatte Recht. Hier in der Unterstadt herrschte eine andere
    Zeit, es war als wären sie alle in einer eigenen Zeit Globule. Hier war
    immer Nacht und immer Leute unterwegs. Die Straßen waren nie leer, es
    gab Wesen die die ganze Zeit arbeiteten wie die Untoten. Die anderen
    Wesen haben sich einen eigenen Rhythmus angeeignet. Außer diejenigen,
    die Kontakte zur Oberstadt hatten mussten sich noch immer an der Sonne
    und dem Mond orientieren, aber die die hier lebten und arbeiteten gingen
    zu Bett wenn sie müde waren, egal was in der Oberstadt für ein Gestirn
    stand. Sie war ganz in Gedanken, sodass die Explosion sie zusammen
    zucken ließ. Es kam aus ihrer Straße. Sofort rannte die Frau los und als
    sie um die Ecke bog, sah sie, dass das Alchemistenlabor, welches direkt
    neben ihrem Haus stand und von ihrem Bruder betrieben wurde in die Luft
    gegangen war. Viele ihrer Nachbarn waren auf die Straße gekommen um
    sich die Sache anzusehen. Dort standen auch Ixlu, der den jungen Tcheko
    an den Schultern vor sich hielt und seine Mutter war erleichtert. Ihr
    Bruder hatte wieder irgendein dämliches Experiment gemacht und hatte
    dafür gebüßt, so war eben der Kreislauf des Lebens hier in der
    Unterstadt.