Der Betrüger

  • Mundungus klopfte nervös an die Tür. Er räusperte sich lang und
    ausgiebig, bis sich endlich die Tür öffnete. Eine junge Frau im
    schäbigen Bauernkleid, einen Kleinkind an der Hand und ein Baby auf dem
    Arm stand vor ihm. Der Mann vor ihr räusperte sich ein weiteres Mal und
    setzte schließlich ein süßliches Lächeln auf. „Was für eine Schönheit,
    meine Dame! Ich darf doch!“, es war keineswegs eine Frage, mit eleganten
    Schwung wirbelte er um sie herum und trat ein. Das Bauernhäuschen
    bestand aus einem großen Raum und drei weitere Kinder hockten auf einem
    großen Bett. Mundungus verzog weniger als einen Herzschlag seine
    Mundwinkel und drehte sich wieder der jungen Frau zu. „Herrlich, ein
    Palast hier! Aber Ihr wollt sicher Euer Hab und Gut schützen?“
    Die
    Frau schloss die Tür und murmelte: „Ich sollte warten, bis unsere
    Eltern…“ Sie starrte auf den Boden und öffnete wenig den Mund, damit man
    ihre fehlenden Zähne nicht sehen konnte.
    „Ach, papperlapp, Ihr seid
    alt genug!“, er gluckste und strich sich über den samtenen Wams. „Ich
    muss schnell weiter. Barone und Herzöge wollen meine Dienste, aber
    heute, einmalig, mache ich Euch ein Angebot, dass Ihr unmöglich ablehnen
    könnt, werte Dame!“ Mit einer schwungvollen Handbewegung zog er ein
    kleines Kästchen aus der Innentasche seines Wams. „Dieser kleine Ring
    nämlich ist die Lösung all Ihrer Probleme, meine Hübsche!“


    Etwas
    war anders. Als Mundungus den kleinen Feldweg entlang ging und die
    letzten Ersparnisse der Bauernfamilie in seiner Tasche verstaute. Das
    Hochgefühl, das ihn sonst beflügelte, wenn er wieder einen guten Deal
    gemacht hatte, wollte sich nicht so richtig einspielen. Er hatte keine
    Gewissensbisse wegen der Familie, aber es wurmte ihn, dass er nicht mal
    den richtig großen Coup landen konnte.
    Er bog an einer Gabelung
    Richtung Stadt ein, die von ihm ausgenommenen Menschen schämten sich zu
    sehr auf ihn reingefallen zu sein, sodass er nichts zu befürchten hatte.
    Er hatte nicht vor hier lange zu bleiben, hier hatte er schon genug
    verdient, es war Zeit weiter zu ziehen.


    Mundungus ließ sich von
    einer üppigen Frau den Rücken einseifen. Nach einigen Tagen hatte er
    endlich eine Stadt erreicht mit einem Bad, wobei ihn nicht die
    Zehennägel aufrollten. Er streckte sich und gab der kichernden
    Rothaarigen einen Kuss auf den Mund. Die Tür öffnete sich und ein junger
    Mann mit schmutzig braunen Haaren und feingeschnittenen Gesicht trat
    ein. Die Wäscherin hob den Kopf und grüßte ihn: „Wie schön, Sevastianus,
    ich komme gleich zu dir, Süßester!“ Sie zwinkerte.
    Der junge Mann
    lächelte und knöpfte sein Hemd auf. Sein Blick huschte über Mundungus
    und über dessen Kleidung auf dem Stuhl neben dem Zuber.
    Erfrischt und
    hungrig kehrte Mundungus in sein Gasthaus zurück. Er setzte sich an
    einen Tisch und bestellte sich ein großes Menü.
    Beim Essen trat Sevastianus, der Mann aus dem Badehaus zu ihm und setzte sich ohne ein Wort zu sagen.
    „Was beim Namenlosen!“, polterte Mundungus.
    „Verzeiht
    der werte Herr, aber ich finde es nicht rechtens, wie Ihr Euer Geld
    verdient!“, sagte der Mann ruhig, fast als würde er über das Wetter
    sprechen.
    Mundungus starrte ihn an und vergaß völlig seine Stimme zu
    verstellen, anstatt mit dem Andergastischen Dialekt, sprach er nun in
    seiner angeborenen nostrischen Mundart: „Was meint Ihr damit? Ähm, habe
    ich Verwandte von Euch…?“
    „So ist es.“, sprach der Mann, noch immer in seinem lässigen, unbekümmerten Tonfall.
    Mundungus runzelte die Stirn: „Ihr wirkt nicht wie Einer aus einer Familie, die normalerweise meine Opfer sind…“
    „Vor
    einigen Tagen wart Ihr bei meiner Zwillingsschwester Hildgard und habt
    ihr einen Ring verkauft, der angeblich magische Kräfte besitzen soll.“
    Mundungus
    hatte wenig Lust nach Ausreden über ausgebrannte Zauber zu diskutieren,
    da der Mann ihn scheinbar eh ertappt hatte, sagte er: „Irgendwie muss
    ich doch überleben.“ Jetzt schaute er auch das erste Mal in die tiefen,
    grünen, unergründlichen Augen von Sevastianus. Er stockte, ihm wurde
    schlecht. So etwas hatte er noch nie erlebt.
    „Es gibt auch andere Möglichkeiten!“, sagte der Mann ruhig. „Nicht nur andere, auch woanders!“
    „Wie… wie… meint Ihr das?“
    „Kommt
    mit mir! Ich bitte Euch! Dies hier ist kein Leben für so einen klugen
    Mann wie Ihr es seid.“, Sevastianus lächelte. „Ich kann Euch
    gebrauchen.“
    „Ge… gebrauchen? Also bitte!“, Mundungus räusperte sich.
    „Ich meine, ja, schon, also Andergast gilt doch aventiurienweit als
    doch ziemlich rückständig und ich glaube, dass ich im Horasreich mehr
    Geld machen könnte… aber mit Euch?“
    „Ich bin Lehrmeister.“, der junge
    Mann hatte seine Stimme gesenkt. Er zog einen kleinen Fuchsanhänger
    hervor. „Ich bin durchs ganze Land gereist um jemanden wie Euch zu
    finden!“
    Mundungus öffnete den Mund, sagte aber nichts, sondern
    starrte abwechselnd auf das Amulett und in diese wunderschönen, tiefen
    Augen.
    Er verstand noch nicht so recht, aber hatte eine vage
    Vermutung, dass die beiden Männer die ganze Nacht sprechen würden.
    Mundungus wollte, dass dieses Gespräch niemals enden würde und er wollte
    mehr. Er gab sich dem Traum hin mit diesem hübschen Mann durch
    Aventurien zu ziehen, kleinere und größere Coups zu landen und…
    Mundungus schloss die Augen und ballte seine Hände auf einen Knien
    zusammen, mehr, er wollte Sevastianus berühren am gesamten Körper, ihn
    spüren, seinen heißen Atem auf seiner nackten Haut…
    Ein Wispern in Mundungus Ohr ließ ihn erwachen. „Es wird Zeit! Wir sollten gehen.“