Gene Wolfe- Mythgarthr

  • Von seinem Kollegen Neil Gaiman als "Der klügste, subtilste und gefährlichste Schriftsteller unserer Zeit" beschrieben legt der in Deutschland relativ unbekannte Autor mit dem "Ritter" und dem "Zauberer" eine zweibändige Fantasyreihe vor, die beim Klett-Cottaverlag zum happigen Preis von jeweils 25,00 in sehr schicken Hardcoverausgaben erhältlich ist.

    Ich persönlich liebe inzwischen alle beide Bücher und freue mich, wenn es mir möglich ist, durch meine folgenden Rezensionen euch diese beiden Perlen näher zu bringen.

    Gruß Rogolan :laechel: .

    Das Leben ist hart, unnachgiebig, brutal, langweilig, kurz, tränenreich, gefühllos,
    arm an Freude und Wundern, aus kosmischer Sicht nutzlos und schlichtweg schön.
    Gibt es einen besseren Grund um zu lächeln?

  • http://imageshack.us

    Der junge Art gelangt ,ohne zu wissen wie, in die magische Welt von Mythgarthr. Dort wird er von der Dryade Disiri, zum Mann und von sich selbst zum Ritter gemacht.

    Um seiner Geliebten würdig zu sein, begibt er sich auf die Suche nach dem legendären Schwert Eterne und muss dabei, nun als "Sir Able", viele Abenteuer bestehen, bevor er das sagenumwobene Artefakt endlich in den Händen hält.

    Was sich hier wie die Inhaltsangabe eines, zugegeben sehr spannend klingenden, Märchens liest, ist tatsächlich der Beginn einer Reise durch den Kopf Art's/Ables, seiner Fantasien und Sehhnsüchte, in einem von ihm erstellten Fantasiegespinst.

    Mag die Welt im ersten Band noch, trotz der recht offensichtlichen Inspirationsquellen Arts ( König Arthur und seine Ritter, die nordische Götterwelt, das Hochmittelalter, verschiedene Manifestationen griechischer und keltischer Sagengestalten) zumindest teilweise recht plausibel wirken, so wird es im Nachfolger immer deutlicher, dass der Leser es hier mit einem Jungen zu tun hat, der den Tod seiner Mutter nicht verkraftet hat, der sich von seinem von ihm vergötterten Bruder vernachlässigt fühlt und sich in eben jene Traumwelt flüchtet, in der er langsam vergisst wer er war und immer mehr sich in den Weiten dieses mystischen Gedankengespinns verliert.

    Zugegeben, beim ersten Lesen, mag das einem nicht auffallen, denn wie auch Art, taucht man ab in diese Welt, verliert sich in ihren endlosen Weiten, nur um sich dann verwirrt am Kopf zu kratzen, wenn mal wieder etwas geschehen ist, was so gar nicht in die bisherige, in Briefform gehaltene, Erzählung, die man gemeinsam mit Arts Bruder Ben liest.

    Wolfe spart hier mit Beschreibungen, egal ob es sich nun um Kämpfe, Personen- und Ortsbeschreibungen handelt, sodass Ben/der Leser einem nichts Anderes übeig bleibt, als sich anzustrengen, was den Effekt des Abtauchens umso mehr verstärkt und die Ich-Erzählperspektive Art's trägt ungemein zur Atmossphäre bei, da er es versteht die Gedankengänge seines Hauptprotagonisten, auf Grund des einfachen Stils sehr plastisch zu Papier zu bringen.

    Ja der Ritter ist brillant, aber auch trotzalledem schwierig zu verstehen, wenn man nicht aufmerksam liest und selbst DANN muss man ihn sich nach dem ersten Mal durchlesen, nochmal KONZENTRIERT zu Gemüte führen, um überhaupt nur einen Teil der zahlreichen subtilen Andeutungen auf Mythen, Arts Persönlichkeit und seinem Weg nach Mythgarthr zu entdecken. Dazu kommt noch, dass man den Ritter ruhig als eigenständiges Werk sehen kann, die eigentliche Handlung und die losen Fäden, die zurückbleiben jedoch erst im zweiten Band zu Ende geführt werden.

    Nichts desto trotz, kann man als anspruchsvoller Leser ruhig zugreifen, da man hier wirklich viel für sein Geld bekommt und Wolfe es einem, dank der minimalen Seitenzahl der einzelnen Kapitel (es sind über sechszig) , ermöglicht das Buch auch stückchenweise zu lesen, sodass man sich bei besonders schwierigen Abschnitten zurücklehnen und über das soeben Gelesene nachsinnen kann.

    Das Leben ist hart, unnachgiebig, brutal, langweilig, kurz, tränenreich, gefühllos,
    arm an Freude und Wundern, aus kosmischer Sicht nutzlos und schlichtweg schön.
    Gibt es einen besseren Grund um zu lächeln?

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    Mit dem Zauberer bringt Gene Wolfe seine zweibändige Reihe, die mit dem Ritter ihren Anfang nahm, zu Ende und es gelingt ihm das Niveau des Vorgängers zu halten, sogar zu steigern. Dies liegt vor allem daran, dass "der Zauberer" etwas besitzt was seinem Vorgänger selbst abging: Einen dichten roten Faden. Der wird aber in der ersten Hälfte des Buches nicht durch den Hauptprotagonisten Sir Able getragen, sondern durch Nebenfiguren aus dem Vorgängerband, die aber scheinbar auch nichts anderes zu sein scheinen als schizophrene Ausgeburten von Arts(der junge Mann der diese Geschichte in Form eines Briefes aus der Ich-Erzählperspektive aufschreibt. Das vergisst man aber aufgrund des "magischen" Schreibstils nur allzu schnell, da es Wolfe wie auch schon im Vorgänger gelingt, trotz Mangel an ausgeschriebenen Emotionen, die Figuren auf Grund ihrer ausschweifenden Gedankengänge und der Interaktion mit den anderen sehr lebendig wirken zu lassen) Persönlichkeit sind und scheinbar nur deswegen die Handlung vorantragen, da er sich in der nun geradezu übermächtigen Haut seiner Überpersönlichkeit "Sir Able" nicht mehr wohl zu fühlen scheint.

    Dies legt sich jedoch im Laufe der Zeit und Able selbst rückt nun wieder in das eigentliche Licht der Handlung, in der alle losen Fäden aus dem ersten Teil logisch und konsequent zusammengeführt werden und schlussendlich zu einem Happy End führen, welches jedoch bei genaueren Lesen, sich im Grunde als das genaue Gegenteil herausstellt, was aber auch wieder rein vom Blickwinkel des Betrachters abhängt.

    Wie auch der Ritter kann man den Zauberer auf vielschichtige Art und Weise lesen. Mal als schönes Märchen im Stile klassischer Rittergeschichten, in denen es um Ehre, Liebe und ehrenvolle Kämpfe (von dem es übrigens noch mehr als im Vorgänger gibt) geht. Dann wieder als psychologische Charakterstudie des jugendlichen, unsicheren Autors, der sich aus Furcht vor dem realen Leben in diese brutale, gnadenlose Fantasiewelt flüchtete und sich dort indirekt mit seinen eigenen Wünschen, Ängsten und Perversionen auseinandersetzt, um schlussendlich zu erkennen, dass er dort nicht ewig bleiben kann. Dem Einen mag das Gefallen, dem Anderen weniger. Auch die nun noch deutlich werdendere Bezüge auf die nordische Götterwelt und der Sage um König Arthurs Tafelrunde( an manchen Stellen deutlich zitiert), werden wohl nicht jedermanns Nerv treffen, genau wie die manchmal wirr erscheinenden(Aus Fieberträumen des verletzten Art geboren?) Textpassagen und Andeutungen, die einem wie schon im Vorgängerband sich verwirrt am Kopf kratzen lassen und dem unvorbereiteten Leser dazu bringen könnten das Buch verärgert aus der Hand legen.

    Wer jedoch den Ritter schon liebte oder zumindest interessant fand, wird mit dem Zauberer mehr als nur hervorragend bedient sein und sich erneut von der sagenumwobenen Welt Mythgarthr bis zum Ende verzaubern lassen und es mit dem Gefühl ein Meisterwerk moderner Literatur gelesen zu haben, zufrieden lächelnd aus der Hand legen.

    Das Leben ist hart, unnachgiebig, brutal, langweilig, kurz, tränenreich, gefühllos,
    arm an Freude und Wundern, aus kosmischer Sicht nutzlos und schlichtweg schön.
    Gibt es einen besseren Grund um zu lächeln?