Beiträge von Bel'Ghor

    Es bleibt die wohl nicht ohne Weiteres zu beantwortende Frage, ob man Göttern und Tierkönigen den gleichen Status der Unsterblichkeit zugestehen möchte, ob Tierkönige auch lediglich derische Avatare besitzen und praktisch reinkarnieren können. WdG legt nahe: Nein, die einen sind PM I, die anderen PM II und letztere können wohl nicht reinkarnieren. Wenn aber andererseits Heilige - ebenfalls keine PM I - reinkarnieren können, warum Tierkönige nicht? Hier bleibt eigentlich nur der Alveraniarsstatus (der Tierkönigen immerhin auch möglich ist).

    Zitat

    Der weilte aber ohnehin nicht mehr unter den lebenden Menschen, und ist deshalb und als Heiliger und damit göttllichem Wirken und Wollen unterliegend auch nicht mit einem Tierkönig vergleichbar.

    Wie eigenständig Heilige und Alveraniare agieren, ist unklar. Ich würde nicht sagen, dass sie lediglich Ausprägungen göttlichen Willens und Wirkens sind. Ihre Leistung besteht ja gerade darin, dass sie mit der Kraft ihres eigenen Willens und Wirkens sich als dem Gott affin erwiesen haben, gewissermaßen selbst ihre Seele in Einklang mit dem göttlichen Wesen brachten, sodass eine Erhebung zum Unsterblichen nicht bloß göttlicher Willkür entspricht (es wäre eine sehr traurige Welt, in der nur eine solche entscheidend obwaltete). Umgekehrt ist es für den Gott eine Möglichkeit des indirekten Eingreifens - das direkte ist ja (wenngleich diffus) limitiert/reguliert -, da er sich ja des freiwilligen, aber affinen Handelns sicher sein kann.

    Dass jener angesprochene Heilige nicht mehr unter den Lebenden weilte - und dennoch eine Form annehmen musste, die vom Dämon bezwungen werden konnte, also einen zerstörbaren Avatar, unterstreicht gerade das Theorem des fortbestehenden Bewusstseins. Von Tierkönigen kennen wir kein solches Beispiel. Vielleicht hat sich ihrer (jedenfalls der meisten) auch kein bedeutender Gott angenommen.

    Begrenzt man die Unsterblichkeit der Tierkönige hingegen auf Altersresistenz und ggf. große Macht, um sich Tötungsversuchen erwehren zu können, dann hätte man schlicht einen anderen Typus Unsterbliche sozusagen nachgeordneten Ranges (und im Grunde nur mächtige, altersresistente Sterbliche). Denn die eigentlichen Unsterblichen im o.g. Sinne gibt es ja in der DSA-Welt. WdG hat dies auch annähernd zu unterscheiden gewusst in der Differenz der Primordialen Mächte I und II, wobei letztere - zu denen die Tierkönige gerechnet werden - durchaus getötet werden können. Im Grunde sind sie nur altersresistente, machtvolle Sterbliche.

    Wenn aber schon gewöhnliche Sterbliche zu Unsterblichen erhoben werden können (siehe jener Heilige), dann mag das PM II ebenso oder sogar leichter möglich sein. Sie könnten als eine Art machtvoller Totengeist verweilen und durchaus über ihren derischen Tod hinaus ihren Gestaltungswillen mit Macht umsetzen. Vielleicht kann auch ein Teil ihres Bewusstseins über ihren Tod hinaus verweilen, ob durch einen extrem starken Willen oder ein Artefakt gebunden. Wenn sie in das Gefolge eines Gottes einziehen - denn warum sollte ihnen verwehrt bleiben, was Menschen u.a. Sterblichen erlaubt ist -, dann mögen sie vermittels dessen Macht (ähnlich wie auch jener Heilige eroben wurde) evtl. auch abermals Avatare formen, in die ihr Bewusstsein inkarnieren kann (in einer konsistenten Götter-Kosmologie könnte man z.B. Tierkönige in Firuns Wilder Jagd vermuten).

    Zunächst zum Begriff der Unsterblichkeit und seiner irdischen Anwendung:

    Die Duden-Definition (ebenso wie die des Wiktionary) beschränkt sich keineswegs nur auf ein endloses Leben, denn sterblich bin ich auch dann, wenn man mich erdolchen oder erschlagen kann, wenn also durch meine lebensnotwendigen Organe, Blutversorgung etc. in "[m]einer natürlichen Beschaffenheit nach dem Sterben unterworfen" bin und dadurch nicht "fähig, dem Tode dauerhaft zu entgehen" (siehe: Wiktionary [1]).

    Es handelt sich um komplementäre Begriffe und nicht um graduierbare Antonyme. Man kann nicht nur ein bisschen unsterblich sein. Und Unsterblichkeit beschränkt sich nicht nur auf die Resistenz vor dem Alterstod - der ein ebensolches Organversagen bedeuten wie eine Schusswunde, Krankheit, ein Gift oder Verbrennungen. Unsterblich ist man streng genommen nur dann, wenn man in keiner Weise sterblich ist. Kann ich es töten, kann es sterben, dann ist es logischerweise nicht unsterblich.

    Irdisch wird der Begriff, wo er nicht ohnehin nur im übertragenen Sinne gemeint ist (z.B. unsterblicher Ruhm), sinnigerweise nur in der Vorstellung absoluter Wesenheiten wie etwa der Gott der monotheistischen Religionen gebraucht, aber auch jener Überwesen (etwa die Engel), die ihm untertan sind, zu seiner göttlichen Sphäre gehören. Andere Kontexte sind auch schwerlich denkbar, da die Konzepte von Ewigkeit und dafür nötiger Transzendenz (denn Ewigkeit gibt es irdisch ansonsten nur im Mythos) von konstituierender Bedeutung für Religionen sind, denen die kantische Grundfrage zugrunde liegt: Was dürfen wir hoffen. Jenseits der Religionen brauchen wir irdisch also niemals über Unsterblichkeit im engeren, eigentlichen Sinne sprechen. Selbst in den feuchtesten posthumanistischen Träumen - in denen Leben als Bewusstsein von organischen Körpern getrennt betrachtet wird - sind wir vergänglich.


    Was bedeutet das für die Betrachtung der DSA-Welt?

    Man könnte natürlich geneigt sein, den Begriff zu relativieren und behaupten, die DSA-Autoren hätten ihn gewiss nicht in dieser Strenge gedacht, als sie die Götter in der H.A. zu Unsterblichen deklarierten (oder auch in früheren Editionen von Unsterblichkeit gesprochen haben). Aus meiner Sicht steckt dahinter jedoch die spannendere Frage, was Unsterblichkeit in einer (fiktiven) Welt bedeuten kann, mit der wir spielerisch interagieren können, denn daraus ergeben sich u.a. auch Handlungsoptionen für Unsterbliche und gewiss moralische Vorstellungen, die dem zugrundeliegend und das etwa das Verhalten Unsterblicher untereinander oder gegenüber Sterblichen bestimmen. So weit zur Hinführung.

    In DSA gibt es die Konzepte von Ewigkeit und Transzendenz - und sie sind ebenfalls miteinander verbunden (da irdische religiöse Vorstellungen Pate standen). Jedes beseelte Wesen trägt mit seiner Seele etwas Unsterbliches in sich, das durch seinen ewigen Bestand den - theoreteisch somit ebenfalls ewigen - Fortbestand der Schöpfung garantiert (was natürlich aufgrund entropischen Abflusses ohne Möglichkeit des Zuflusses nicht in faktische Vergänglichkeit der Schöpfung mündet). Sterbliche Wesen zeichnen sich durch sterbliche Körper aus und dadurch, dass ihre Seele nach dem Tod des Körpers buchstäblich in höhere Sphären aufsteigt (hier entspricht das Bildhafte des irdischen Mythos der fiktionalen Wirklichkeit). Daher gibt es auch einzelne Sterbliche, die vermittels Zeitmagie oder Seelentausch ihre Sterblichkeit hinauszögern und der Unsterblichkeit entgegenstreben. Grundsätzlich unterscheidet sie aber nichts von all jenen, die ihr Leben nur in einem, ihrem eigenen Körper leben. Die Seelen der Verstorbenen verharren dann in der vierten bis fünften, in (unerwünschten) Ausnahmefällen in der siebten Sphäre. Selbst wenn man von Wiedergeburt ausginge (da gab es vereinzelte Theorien; ich spiele das hier nur ob der möglichen Erkenntnis durch), wäre die Seele mit einem neuen Bewusstsein überschrieben. Weiter oben habe ich in der Erwähnung des Posthumanismus von Leben als von organischen Körpern getrenntes Bewusstsein gesprochen. Und im Prinzip steckt darin das Geheimnis der Unsterblichkeit in DSA. Unsterbliche sind im Grunde machtvolle Seelen, die ihre Körper wechseln können, aber ihr Bewusstsein behalten. Deshalb spricht man in Bezug auf ihre derische Erscheinung auch von Avataren, während die Körper von Sterblichen (ohne reinkarnierendes Bewusstsein) ungleich enger an ihre Seele gebunden sind (es bedarf mächtiger Magie oder karmaler Mittel, um diese Bindung zu erweitern oder zu transferieren).

    Es gibt ein G7-Abenteuer, in dem ein Heiliger erscheint, um den SC gegen einen machtvollen Dämon beizustehen. Gemäß Plot fällt der Heilige, aber alle wissen, dass er damit natürlich nicht auf ewig getilgt ist. Auch bei Wesen wie Greifen, die seit vielen Zeitaltern existieren, sollte man von einem ähnlichen Mechanismus ausgehen. Selbst wenn einzelne von ihnen lange derisch präsent sind, so handelt es sich doch nur um Avatare ihrer durch Praios zur Unsterblichkeit erhobenen Seelen (wie eine solche Erhebung als Transgression einer sterblichen Seele, wie z.B. jenem Heiligen, der zuvor Mensch war, sich vollzieht durch göttliches Eingreifen, wäre eine andere, nicht minder interessante Frage, da sie die Gestaltungsmacht der Götter in der DSA-Welt in entscheidender Weise anspricht).

    Auch die Tierkönige würde ich in diese Kategorie einordnen. In der Essenz sind sie mit einem fixen, über den Tod des sterblichen Körpers hinausragenden, quasi unsterblichen Bewusstsein ausgestattete Wesen. Wie bald dieses Bewusstsein reinkarnieren kann, welche Kräfte es sie kostet, was der zumindest zeitweise Verlust für ihr sterbliches Volk bedeutet - all diese Fragen bleiben offen und sollen bitte offen bleiben, da dies ein Erzählpotential birgt, das nicht zerredet werden sollte.

    Auch ob das postulierte unsterbliche Bewusstsein tatsächlich unvergänglich ist, wird (und soll) nicht zur Gänze beantwortbar sein. Kennen wir Beispiele wirklich ausgelöschter Seelen? Die Grenzfälle eines Quasi-Todes markieren ansonsten v.a. Übergänge in ein anderes Jenseits, nicht bloß das von der derischen Sphäre, sondern auch das jenseits der göttlichen, abseits der Schöpfung selbst. Denn - wie ebenfalls angedeutet - der Verlust der theoretisch ewigen Schöpfungsessenz stärkt beständig und irreversibel die Kräfte des Chaos, die letztlich auch das unsterbliche Bewusstsein in einer Art überschreiben und transformieren, dass es jenen Zyklus des ewigen Fortbestandes verlässt und in einen (tatsächlich ewigen, da irreversiblen?) neuen Zyklus beständiger Auflösung und Umkehrung aufgeht. Aber die Frage der Verkehrung von Bewusstsein und Seele in der Siebten Sphäre wäre wiederum eine andere, gewiss interessante.


    Fazit: Unsterblichkeit ist als Gegenbegriff zu Sterblichkeit absolut zu sehen und ist jenseits allmächtiger Wesen vermutlich nur asymptotisch zu erreichen. Für die göttlichen Wesen der DSA-Welt empfiehlt sich ein posthumanistisches Verständnis der Seele als unsterbliches Bewusstsein, während das Bewusstsein Sterblicher so vergänglich ist wie ihre Körper, jedenfalls nicht (oder nur ausnahmsweise) reinkarnierbar. Tierkönige als Unsterbliche besäßen also ein Bewusstsein, das den Tod ihres Leibes, übersteht, welcher deshalb näher als Avatar zu charakterisieren wäre. Einzig eine derartige Verformung der Seele, wie sie sich in der Wandlung im Übergang zur Siebten Sphäre vollzieht, könnte als eine Form der Vergänglichkeit gewertet werden, die dem Sterben gleichkommt.

    Abgesehen von der zitierten Stelle in WdZ (S. 34, Fließtext) und der ebenfalls genannten Relativierung in WdZ (S. 301, drittes Einhorn), wodurch ein gewisser Widerspruch erzeugt wird (insofern "Blutmagie" auf S. 301 wahrscheinlich nicht nur Verbotene Pforten meint, sondern die Selbstanwendung der SF Blutmagie), gibt es zur "Opferung von Eigenblut" noch die Angabe in WdZ (S. 34, viertes Einhorn): "Die Verwendung eigenen oder Tierblutes in der Zauberei ist wegen gefährlicher Nebeneffekte unbeliebt, wenig angesehen (und bei den Magiern des Bundes des Weißen Pentagramms sogar verboten)." [Hervorhebung durch mich]

    Die Textstelle legt nahe, dass die anderen Gilden diese Praxis nicht verbieten und dass nur die Weiße Gilde ausdrücklich zwischen den Verboten Pforten und der Opferung von Eigenblut mittels Blutmagie hinsichtlich der Legalität dieser Praktiken unterscheidet.

    Insofern ist es vielleicht sinnvoller, die erste Stelle auf S. 34 nicht zu generalisieren. Vielleicht heißt, "dass die Helden sich auf Bahnen bewegen, die nicht von der gültigen Moral und nicht vom Gildenrecht gedeckt sind", auch, dass die anderen beiden Gilden das gar nicht explizit geregelt haben. Widerspruchslos ist anzunehmen, dass die Kirchen ebenfalls die Anwendung jedweder Blutmagie verbieten. Vermutlich gilt das dann auch für das weltliche Recht, das in dieser Hinsicht plausibel kaum hinter den kirchlichen Vorgaben zurückstehen sollte. Im Zweifel würde nicht geregeltes Zaubererrecht so sinnvoll ergänzt (und der C.A. ist in der Hinsicht sowieso nur ergänzend zu betrachten: Was dieser Codx nicht regelt, das wird weiterhin durch weltliches Recht reguliert).

    Auch ist der Unterschied zwischen Blutmagie mit Eigenblut und Verbotenen Pforten, so gering er regeltechisch sein mag, in der Anwendungspraxis augenscheinlich: Der Einsatz der Verbotenen Pforten ist ohne entsprechende Hellsicht kaum feststellbar (oder nur insoweit die körperliche Schwächung dem Zaubernden anzumerken ist), der von Blutmagie erfordert eine ersichtliche Opferung von Blut. Andersartigkeit (was häufig Skepsis hervorruft) und Blutkomponente (was klare Assoziationen wecken mag) sind also deutlicher sichtbar (die Bewertung von weltlichem Recht und Kirchen erfolgt wohl nicht unbedingt auf nüchterner magietheoretischer Grundlage, aber selbst die sieht mitunter gefährliche Nebeneffekte vor).

    Hinzu kommt - im Gegensatz zu den Verbotenen Pforten - die Ritualfixierung der Blutzauberei, was - angesichts der sinnvollen Anwendungen (Elementare sollte man z.B. eher nicht mittels Blutmagie rufen; Artefakte sind selten so teuer; irgendwelche Zeit-Rituale nicht bekannt genug und oftmals auch verboten) - im Wesentlichen Dämonologie o.a. verbotene oder fragwürdige Techniken meint. Auch das kommt dem Ruf der Blutmagie nicht gerade zugute.

    In Summa liegt also ein weitgehendes Verbot der Blutmagie mit Eigenblut näher als eine Erlaubnis der Praxis, verpönt (und verpönter als die Verbotenen Pforten) ist sie allemal.