Fantasyautoren haben keine Geschichte studiert, und kein Leser erwartet histroische Fakten - weil es Fantasy. Schon an dne Drachen, Orks und magischen Schwertern klar zu erkennen.
Du hast eine sehr eingeschränkte Sicht auf Fantasy, scheint mir. Fantasy-Autoren sind meistens Menschen, die nebenberuflich angefangen haben, zu schreiben, und bei Erfolg dann vielleicht auch hauptberuflich davon leben können. Selbstverständlich haben die vorher irgend etwas gelernt oder studiert, und häufig finden sich davon auch Bruchstücke in ihrem Werk. Es ist auch jetzt nicht extrem unwahrscheinlich, dass ein Mensch, der sich für Fantasy interessiert, Geschichte studiert hat.
Im Übrigen laufen hier im Thread (den ich übrigens sehr amüsant, interessant und spannend finde, also an der Stelle ein Lob an alle Beteiligten) ja bezüglich "Fakten" immer wieder zwei Diskussionsstränge: Das eine ist die Frage, ob etwas so "war" ("Gab es Lederrüstungen im Mittelalter?"), das andere die Frage, ob etwas so "sein kann" ("Kann ein Pfeil eine Rüstung durchschlagen?").
Bei der zweiten Sorte von Fakten sammelt ein Autor selbstverständlich bei mir Pluspunkte, wenn er seine Recherche gemacht hat. Er (oder sie) können sich auch entscheiden, solche Fakten zu ignorieren, und den Fokus auf die Handlung, die Charaktere, den Plot zu legen, und dafür dann in der "Action"-Sequenz mehr Drama reinzubringen. Aber natürlich fühle ich mich als Leser mehr und besser abgeholt, wenn mir Dinge logisch erscheinen. Genau dasselbe erwarten ich und viele andere ja schließlich auch von Krimi-Autoren oder anderen Genres: Es macht deutlich mehr Spaß, wenn Dinge realistisch ablaufen. Natürlich gibt es da immer einen Punkt, wo ein Autor abwägen muss, wie viel Realismus eine Geschichte verträgt, denn häufig ist die Realität ja nun einmal recht langweilig. Polizei-Arbeit in der Realität ist sehr viel Akten lesen und Berichte schreiben. Das will auch kein Leser dann im Krimi haben. Ähnliches gilt dann zweifellos für Fantasy, schließlich braucht es für einen sich entwickelnden Plot auch mal den Zufall, die Verwicklung, die drei Personen, die ausgerechnet mit ihren unterschiedlichen Plänen aufeinander prallen.
Und ja, ich finde es sogar super, wenn eine Autorin ihre Hausaufgaben gemacht hat, und mir ein historisches Detail präsentiert, wie es tatsächlich war, das den Klischees zuwiderläuft, und das dann in ihre Handlung mit einbaut.
Ich lese übrigens auch schon lange keine Fantasy mit "Elfen, Zwergen, Orks und magischen Schwertern" mehr. Zum Glück hat das Genre mittlerweile erkannt, dass es ohne diese Tropen existieren und trotzdem "Fantasy" sein kann. Der zentrale Eckpfeiler meiner Fantasy ist vermutlich Magie (oder sonstige mythische, unerklärliche Phänomene), und Magie hat natürlich den großen Vorteil, dass sie sich nicht an wissenschaftlichen und historischen Vorbildern orientieren muss. Und auch hier gibt es ja heute grob zwei Denkschienen an Autoren: Diejenigen, die versuchen, Magie so gut wie möglich mit inhärenter Logik und Regeln auszustatten, sodass Probleme im Finale mit Magie gelöst werden können, ohne dass es wie Deus-ex-Machina scheint (vokal präsentester Verfechter: Brandon Sanderson) und eben jene, für die es wichtig ist, dass Magie möglichst mythisch, unerklärlich und mystisch wirkt. Dazu würde vermutlich aktuell GRRM zählen, es sei denn, er liefert zum Ende der Serie noch eine Erklärung.
Vor allem bin ich aber froh, dass Fantasy-Literatur aktuell vom Mittelalter fort kommt, und wir den ganzen europäischen Mittelalter-Klischees mal eine Verschnaufpause gönnen können, sodass sie sich selbst wieder regenerieren und dann hoffentlich irgendwann in frischer Kraft wieder strahlen können. Meine Fantasy-Bücher, die ich in den vergangenen Wochen gelesen haben, waren jedenfalls Aliette de Bodard (Fantasy im Vietnam-Setting), K.S. Villoso (Fantasy im Philippinen-Setting), C.L Clark (Fantasy im Nordafrika-Setting), Tasha Suri (Fantasy im Indien-Setting), Nisi Shawl (Fantasy in Westafrika) und jetzt liegt noch "She Who Became The Sun" auf meinem Nachttisch, das ist Fantasy mit China-Hintergrund.
Alles übrigens in fiktiven Welten und fiktiven Ländern und mit historischem Fokus (also keine moderne Urban Fantasy, etc.), aber das Setting ist eben nicht Mittelalter-England. Ich habe nichts gegen England, ich liebe Tolkien, ein englisch angehauchtes fiktives Setting ist ein großartiger Schauplatz für Fantasy, aber wie hier schon jemand schrieb, es ist auch ein klein wenig totgeritten und auf untoten Pferden reitet es sich schlecht.