Alexander Naumenko-Kühne hat sich die Mühe gemacht, alles zum Thema Gerichtsbarkeit in Aventurien zusammenzutragen und die Ansätze mit dem historischen Recht (u.a. römisches Imperiums, mittelalterl. Recht, etc.) abzugleichen:
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Inspiration waren neben zahlreichen DSAPublikation
vor allem ihre historischen Vorbilder.
Hierzu zählen für das Mittelreich und Horasien die
Bamberger Halsgerichtsbarkeitsordnung und die
Constitutio Criminalis Coralina aus dem Jahr 1532,
das römische Recht für Al’Anfa, die islamische
Scharia für das Kalifat sowie der Kodex
Hammurabi für die Tulamidenlande und die
Schriften über die Mayakultur für die Achaz. Die
kirchenrechtlichen Ausführungen sind an das
Praios-Vademecum und Götter, Kulte, Mythen
angelehnt, greifen aber vor allem die
umfangreiche Literatur über mittelalterliche
Inquisitionsprozesse auf, wobei die Details zur
Durchführung der peinlichen Befragung auf der
Abhandlung von Benedictus Carpzovs Practica
Nova Imperialis Saxioniae rerum criminalum
beruhen.
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Ich zitiere daher aus seiner grandiosen Spielhilfe (gibt's im Scriptorium pay-what-you-want) - die Hervorhebung wurde durch mich getätigt.
Zum Thema Zeugenaussagen:
"Die Zeugenaussagen werden vor Gericht keinesfalls
gleich bewertet, vielmehr herrscht fast überall in
Aventurien die Meinung vor, dass mit der sozialen
auch die moralische und ästhetische Niedrigkeit
einhergeht, sodass der ‚Gemeine‘ im Wortsinn in
einem Verfahren als gemein gilt. Wichtigstes
Beweismittel sind daher die Aussagen von Kläger
und Beklagtem, die sie zur Bekräftigung freiwillig
beeiden können, sowie von jeder Seite aufrufbaren
Zeugen. Sie bezeugen den Tatverlauf (testes ex
propriis sensibus) oder als Leumundszeugen bzw.
Eidhelfer die Rechtschaffenheit einer Seite, wobei
ihre Anzahl und ihr gesellschaftlicher Stand den
entscheidenden Einfluss auf ihre Glaubwürdigkeit
haben.
Nicht zugelassen sind Zeugen, welche nur einen
mittelbar bezeugten Tatverlauf wiedergeben
(testes de auditu) sowie Fremde und Unfreie,
sofern kein Fürsprecher für sie bürgt. Ebenfalls
zulässig sind Sachbeweise wie die minderwertige
Ware oder eine äußere Leichenschau."
- Seite 14
Zum Thema Kinder:
"Generell dürften nur freie Erwachsene in die
Gerichtsschranken treten. Unfreie werden durch
ihren Herrn vertreten, der Haushaltsvorstand
spricht für seine Schutzbefohlenen (Kinder,
Lehrlinge, unverheiratete Geschwister)."
- Seite 14
Zum Thema Klageberechtigung:
Ein Kläger bedarf des Bürgerrechts oder eines
entsprechenden Fürsprechers. Adelige, Magier,
anerkannte Pilger und Geweihte haben ein
Klagerecht, Händler und Handwerker nur, wenn es
ihre Heimatstadt ebenfalls gewährt. Ein Advokat
ermöglicht als mietbarer Rechtsbeistand und
Fürsprecher Fremden und Nichtbürgern die
Einreichung einer Klage."
- Seite 14
Zum Thema Eide und Magie zur Wahrheitsfindung:
"Heilige Befehle oder ähnliche Liturgien
gelten bei weltlichen Prozessen als Einmischung in
das Verfahren und im Widerspruch zum Codex
Raulis und Ius Concordia stehend.
Das Garether Pamphlet verbietet den Einsatz
jeglicher Magie zur Wahrheitsfindung in
weltlichen und kirchlichen Verfahren. Ihr
erkannter Einsatz führt zur Nichtigkeit einer
Zeugenaussage. Die Gültigkeit mittelbar auf diese
Weise erlangter Beweise - etwa dem Auffinden
einer Tatwaffe durch einen Hellsichtszauber - ist
in der aventurischen Rechtslehre umstritten."
- Seite 16
Zur Gerichtsbarkeit allgemein:
"Ein Prozess in Aventurien hat wenig mit der
modernen, irdischen Gerichtspraxis zu tun. Dies
beginnt damit, dass es fast überall ohne Kläger
keinen Richter gibt und die Anklageerhebung an
finanzielle und persönliche Voraussetzungen
gebunden ist. In weiten Teilen des Kontinents
dominiert ein frühmittelalterliches Rechtsverständnis,
dem es vor allem um Wahrung des
Friedens und Wiedergutmachung geht, um so
Blutfehden zu verhindern.
[...]
Das häufigste Verfahren vor Gericht und vielerorts
einziger gewaltlos-formale Weg zur Gerechtigkeit
ist das Schiedsverfahren, auch Akkusativprozess
genannt. Hier macht ein privater Kläger seinen
erlittenen Schaden vor Gericht geltend, um einen
Geldanspruch durchzusetzen oder die Gegenpartei
zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen.
Angezeigt werden können Angelegenheiten des
Geschäftsverkehrs – z.B. ein Vertragsbruch, ein
Streit über Eigentum und Erbe oder ein Anspruch
auf einen Schadensersatz - aber auch ein
Verbrechen. In einem Schiedsverfahren sind
Leibstrafen selten, zielt es doch primär auf den
Ausgleich des erlittenen Schadens."
- Seite 6
Wie Schattenkatze zutreffend schreibt, müssen die Helden ihre Unschuld beweisen. Das konnten sie nicht. Als in einem Prozess (zurecht) verurteilte Fremde stehen die Karten sehr schlecht, selbst eine Anklage vorbringen zu können. Die Kinder können dies (s.o.) ohnehin nicht. Ich bleibe dabei: Der SL hat in diesem Falle fast alles richtig gemacht.
Nur das Strafmaß für die Helden würde mich noch interessieren. Mindeststrafmaß wäre eigentlich Brandzeichnung.