Da hier einige Fehlinformationen im Umlauf sind, liefere ich als jemand, der sich mit queerer Geschichte und queeren geschichtlichen Persönlichkeiten ausgiebig auseinander gesetzt hat mal ein paar historische Fakten, bzw. gehe in chronologischer Reihenfolge die gröbsten Falschinfos durch und korrigiere.
Es geht mir hierbei nicht darum, irgendwem böse Absicht zu unterstellen, ich gehe davon aus, dass es sich einfach nur um fehlendes Wissen handelt und möchte aufklären.
Trans Menschen tauchten früher nicht auf, da die med. Transition noch nicht möglich war.
Ich vermute, was gemeint war, ist folgendes: trans Menschen waren früher nicht sichtbar, weil sie ja nicht medizinisch transitionieren konnten. Das ist in sofern falsch, dass ein trans Mensch, der nicht medizinisch transitioniert, immer noch sichtbar sein kann. Ein Charakter kann beispielsweise (aus cisbinärer Sicht) überwiegend „weibliche“ Geschlechtsmerkmale aufweisen und trotzdem als Mann oder als nichtbinäre Person auftreten.
Die Annahme, die dieser Aussage aber auch oft zugrunde liegt, ist diese: trans Menschen sind erst trans, wenn sie medizinisch transitionieren und alle trans Menschen wollen eine medizinische transition.
Aus verschiedensten Gründen entscheiden sich viele trans Menschen (teilweise) gegen eine medizinische Transition. Dazu kommt, dass manche trans Menschen aus gesundheitlichen Gründen einige oder sogar alle Schritte der medizinischen Transition nicht gehen können.
Aber nur, weil jemand nicht medizinisch transitioniert, ist diese Person nicht weniger trans.
Ich musste mich nicht erst operieren lassen oder Hormone nehmen, um in meinem sozialen Umfeld sagen zu können/dürfen: „Ich bin ein Mann, meine Pronomen sind er/ihn, und ich habe einen neuen Vornamen.“
Dazu kommt noch, um wieder aufs Thema trans Sichtbarkeit zurückzukommen, dass viele trans Menschen von „früher“ jahre- oder jahrzehntelang ihre Transgeschlechtlichkeit verheimlicht haben oder verheimlichen mussten, um ihr Leben nicht zu gefährden. Diese Menschen waren nicht unsichtbar, weil sie medizinisch nicht transitionieren konnten, sondern weil das Offenlegen ihrer Transgeschlechtlichkeit sie einem zu großen gesellschaftlichen Risiko ausgesetzt hätte. Ein Beispiel für so einen Fall wäre z.B. die US-amerikanischen Schauspielerin Sandra Caldwell.
Medizinische Transition war erst ab den 1950ern realistisch möglich.
Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube, der unter anderem darin fußt, dass während der Herrschaft des Nationalsozialismus in weiten Teilen Europas sämtliche Forschung zu geschlechtsangleichenden Operationen zerstört wurde.
Das nahm ungefähr mit der Stürmung des Institut für Sexualwissenschaft 1933 seinen Anfang und setzte sich danach in der Verfolgung, Verstümmelung und Ermordung queerer (und insbesondere trans) Menschen in Europa fort. Während der Zeit des Nationasozialismus wurden zehntausende Dokumente und Aufzeichnungen zu Trans- und Intergeschlechtlichkeit verbrannt.
Geschlechtsangleichende Operationen (auch erfolgreiche) gab es aber in Deutschland schon vor dem früher. Spontan fallen mir da Karl M. Baer ein, der sich 1906 erfolgreich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog, und Dörchen Richter, die 1922 und 1931 geschlechtsangleichende Operationen durchführen ließ. Dora Richter ist vermutlich 1933 bei der Stürmung des Instituts ermordert worden. Das sind nur zwei Beispiele.
Hinzufügen möchte ich außerdem noch, dass durch die später folgende AIDS-Krise weitere Verzögerungen dazu kamen, da ein Großteil der queeren Aktivisten insbesondere in den (vom Nationasozialismus verschonten) USA an AIDS verstarben.
Das Transsexuellengesetz hat mit medizinischer Transition irgendwas zu tun
Die medizinische Transition (also Hormontherapie, geschlechtsangleichende Maßnahme und insb. auch geschlechtsangleichende Operationen) haben mit der Gesetzeslage (und damit in Deutschland z.B. mit dem verfassungswidrigen Transsexuellengesetz) rein gar nichts zu tun.
Viele trans Menschen gehen ungefähr gleichzeitig ihre medizinische Transition und ihre rechtliche Transition an, einige machen aber nur das eine oder nur das andere.
Deswegen ist es recht sinnfrei, das Alter des TSG im Bezug auf irgendetwas aufzuführen.
Queere Menschen rücken seit ca. 2000 in den Vordergrund
Tatsächlich gab es in der Vergangenheit immer wieder Phasen queerer Sichtbarkeit. Das Berlin der Weimarer Republik zum Beispiel, aber auch der Hype rund um Madonnas Single Vogue, durch das der Tanzstil der queeren Szene Harlems, das Voguing einige Monate lang weltweite Beliebtheit erlangte. Dass viele Menschen dabei nichts über den Ursprung oder die Inspiration von Vogue wussten, macht es nicht weniger queer.
Insgesamt ist es aber korrekt, dass wir durch so Dinge wie Menschenrechte und Antidiskriminierungsarbeit immer mehr queere Menschen erleben können, da mittlerweile immer mehr queere Menschen sich sicher genug fühlen, offen queer und sichtbar zu sein.
Der Anteil von trans Menschen liegt bei ca. 1:200 (=0.5%)
Nach der aktuellsten Studie in den USA liegt der Anteil von trans Menschen in Gen Z (*1997-2002) bei 1,8% und bei Millenials (*1981-1996) immer noch bei 1,2%. Damit liegt der Anteil von trans Menschen bei Menschen unter 40 bei 1,5%, (=1:99).
Der Anteil queerer Menschen liegt in diesen Generationen sogar bei 12.5%. Das ist jeder Zehnte.
Ich betrachte hierbei bewusst nur die beiden jüngeren Generationen, da diese die ersten sind, die relativ sicher sichtbar sein können.
Bei trans Menschen liegt oft eine Intergeschlechtlichkeit vor
Ich möchte hier ein paar Begriffe klären. Dabei gilt: unsere Sprache unterliegt einem ständigen Wandel. Was ich heute hier schreibe, kann in einigen Jahren oder sogar schon Monaten wieder veraltet sein und es gibt viele verschiedene Auffassung der Begrifflichkeiten. Ich versuche, eine möglichst verständliche und dabei noch korrekte Formulierung zu wählen.
Trans: Das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht (meist durch eine Genitalinspektion nach der Geburt) entspricht nicht dem tatsächlichen Geschlecht der Person. Das Gegenteil von trans ist cis. Beides sind keine Nomen, sondern Adjektive.
Inter: Die körperlichen Geschlechtsmerkmale (primär und/oder sekundär) sind nicht einem binären Geschlecht (also männlich/weiblich) zuweisbar. Das Gegenteil von inter ist dya. Auch das sind Adjektive.
Viele Probleme von trans Menschen und inter Menschen ähneln sich. Es gibt Menschen, die sowohl trans, als auch inter sind. Es gibt Menschen, die nur eins sind. Die meisten Menschen sind cis und dya, also weder trans noch inter. Es gibt Forschung dazu, dass Transgeschlechtlichkeit eine biologische Ursache hat und damit eine Form der Intergeschlechtlichkeit ist. Zu dieser Theorie gibt es allerdings bisher keine wissenschaftlichen Beweise. Tatsächlich müssen in Deutschland Menschen, die trans sind, beweisen, dass nicht in Wirklichkeit eine Intergeschlechtlichkeit vorliegt, um medizinisch transitionieren zu können.
Deswegen: trans =/= inter.
Davon abgesehen:
Fantasy-Tropes, die ich nicht mehr sehen kann:
- Queere Menschen existieren nicht oder leiden nur unter ihrer Queerness
- Weibliche Charaktere sind immer sexy oder ihre gesamte Persönlichkeit dreht sich darum, dass sie plötzlich nicht mehr sexy sind (zuletzt gesehen: Theaterritter-Kampagne)
- Sexuelle Gewalt
- Zauberschulen
- Positive Kolonialismusdarstellungen
Eher generelles Storytelling, aber auch in Fantasy leider sehr verbreitet:
- Plötzliche Plottwists nur für den Schockwert und um die Erwartungen des Publikums zu widerlegen