Beiträge von Hinrich

    "Die Auswirkungen (Anm.: von Patzern) sollten nicht tödlich sein, (…)

    Das ist an Eindeutigkeit nicht zu überbieten.

    Der SL muss nicht die Würfel drehen - Patzer ist Patzer - muss aber bei konsequenter Regelanwendung eventuell tödliche Folgen abmildern.


    In DSA4.1 (WdS 7) sind Patzer optional.
    “Vermeiden Sie aber als Meister, einen Helden durch einen Patzer in eine unvermeidlich tödliche Situation zu bringen, nur weil er gerade etwas Würfelpech hatte.“

    Ja, so sind die Regeln, und wenn man sie so konsequent anwendet, gibt’s halt nur eine Lösung: nicht klettern.


    Nebenrechnung

    Mit 3W20 gibt es 8000 mögliche Kombinationen. Vier davon sind Patzer (dreimal Doppel-20, einmal dreifach), also in einem von 2000 Fällen.

    Wenn vier Proben für eine Kletterpartie nötig sind, gibt es in einem von 500 Fällen einen potenziell tödlichen Absturz. (*)

    (Wenn die durchschnittliche Gruppe aus 5 Helden besteht, gibt es an einem von 100 Spieleabenden mit Kletterpartie so einen Unfall.)

    Wohlgemerkt: die Doppel-20 ist unabhängig vom Schwierigkeitsgrad.

    Allein der Mindelheimer Klettersteig in den Allgäuer Alpen hat mehr als zehntausend Besucher jährlich. Bei obigen Chancen (*) müsste es jedes Jahr mehr als 200 tödliche Unfälle geben - verzeichnet sind in den letzten Jahrzehnten aber nur fünf.

    Also: „regeltechnisch konsequent“ ja, aber „realistisch“ ist die beschriebene Anwendung nicht.

    Wenn sich der super krasse NSC Magier nicht sofort mit einer Doppel 20 selbst anzünden soll, dann würfel ich nicht. Wir hatten das öfter. Helden stürmen, kämpfen mit den Schergen des bösen Magiers und dieser patzt. Das ist für den "krassen NSC" doof, aber halt genau so passiert. Wenn ich das nicht will, würfel ich nicht und die Probe gelingt dem NSC (Routineprobe-mäßig).

    Das führt dann zu einem anderen Problem: wie gut gelingt der Zauber? Wenn ich nicht würfle, gibt es keine Doppel-20, aber auch keine Doppel-1, und die Bestimmung der ZfP* bleibt ebenfalls aus.

    In den über dreißig Jahren, die ich jetzt DSA spiele, gab es einige Fälle, in denen mal ein Held dem Tode nahe war (d.h. LE < 0), aber ich erinnere mich nur an einen einzigen Fall, dass tatsächlich ein SC starb, und das war in einer "benachbarten" Spielrunde und war zwischen Meister und Spieler abgesprochen.

    Ich habe einen Helden, der in der Gezeichneten-Kampagne zum "Träger des Almadinen Auges" wurde und damit einige temporäre Mali kassiert hat. Das war im AB so vorgesehen, also beklage ich mich nicht und werfe dem SL auch nichts vor - aber die Figur habe ich seit dem Ende der Kampagne nicht mehr gespielt. Sie macht mir einfach keinen Spaß mehr.

    (...) Mein seit bald 6 Jahren bespieler Hauptcharakter lässt sich halt nicht einfach ersetzen.

    Das ist ein wichtiger Punkt: DSA geht davon aus, dass man mit einem Erststüfler anfängt und dann AP sammelt. Damit sind hochstufige, erfahrene Helden nicht einfach zu ersetzen. Wenn man also AB mit hochstufigen Helden spielen will, muss man sie pfleglich behandeln. Aber das bedeutet ja nichts für ihren Kram.

    Ich stelle mir das gerade mal so vor:

    Die Spieler haben sich am Abend um den Spieltisch versammelt. Chipstüten und Getränke stehen bereit, der Meisterschirm ist aufgestellt, die Würfel rollen probeweise.

    Die Spieler legen ihre Heldenbögen auf den Tisch. Jeder für sich schaut drauf, und dann sagen reihum alle Spieler sinngemäß: "Also, mein Held hat reichlich Geld und genug vom Abenteuerstreß und vom Durchbohrtwerden. Der bleibt heute mal in seinem sicheren Turm. Der Königsbote kriegt eine Absage - soll der König sich doch einen anderen suchen."

    Der Spielleiter nickt und faltet seinen Meisterschirm zusammen. "Ist in Ordnung. Kein Abenteuer heute. Möchte jemand eine Partie Doppelkopf spielen?"

    Auch für Anfängerrunden ist es so gut nicht. Wenn die Elfe, der Druide und der Alchimist sich als Geleitschutz anheuern lassen, dann nicht, weil die Bezahlung sie motiviert, sondern weil die Spieler ihre Helden aufs Abenteuer schicken wollen. Das kann man auch gut daran sehen, dass die meisten Helden praktisch nie als Geleitschutz, Wächter oder Soldaten in ihrer Downtime oder Hintergrundgeschichte arbeiten, sondern immer nur im Abenteuer, wenn es der Plotaufhänger ist.

    Als SL muss ich mir vorher überlegt haben, ob Plothook und Heldentypen zusammenpassen. Eine Gruppe aus Elfe, Druide und Alchimist würde ich nicht als Geleitschutz einplanen. Bei so einer Gruppe würde ich Geld auch sicher nicht als Kriterium sehen.


    (...) Aber, wie ich schon oben bemerkt habe, können Abeneteuerschreiber eben nicht das Abenteuer an die Gruppe anpassen und nehmen deshalb oft den zweifelhaften Söldnerauftrag in der Kneipe. Auch sonst hat nicht jeder Meister Zeit oder Geschick für Nachbesserungen. (...)

    Da gibt es immer noch die Geschichte aus einer unserer Spielrunden, in der die Helden gemeinsam zum Turnier nach Gareth gereist sind, statt dem Aufhänger zu folgen. Das Turnier musste der Meister improvisieren und das Abenteuer mussten später andere Helden lösen, aber der Spielabend soll trotzdem nett gewesen sein. Am Geld lag es sicher nicht.

    Daher ist für mich "Realismus" ein Argument mit begrenztem Nutzwert - wir wollen Immersion im Spiel, aber grundsätzlich die Immersion in positive Erlebnisse. Wie beim klassischen Drama dürfen dafür nach der Exposition durchaus schwierige Komplikationen und eine dramatische Peripetie folgen. Doch am Ende wollen wir in der Regel nicht die Katastrophe, sondern eine "Happy End"-Katharsis erleben dürfen.

    Wollen "WIR" das? Nein.

    Ich will mit meinem Charakter und meinen Mitspielern ein Abenteuer erleben. Es ist zufallsbasierter Realismus (Würfelprobe nach sinnvoller und nachvollziehbarer Wahrschinlichkeit erschwert).
    Ich habe einen Charakter, der an meiner Stelle leiden kann und oft die Zähne zusammenbeißen muss. Denn auch wenn "wir" das meist ausblenden. Auch ein 1W+4 Schwerthieb, tut so hällisch weh, das ich Spieler, nicht Charakter vermutlich sinnlos auf dem Boden herumkugeln würde und Tränen aus meinen Augen schießen. Daher: Konsequentes Rollenspiel heißt auch Kampfwunden tun höllisch weh. Wer sich den Kopf schonmal "richtig" gestoßen hat, weiß dass.

    Aber zurück zur Immersion. Ja, ich will, dass mein Charakter in Gloranas Eis friert, in Orons Raushkrauthallen leidet, auf Maraskan von Insekten zerstochen wird, sich den Geschmack mit Jagannuss verdirbt und die ein oder andere Narbe aus einem Kampf mitbringt.
    Am Ende sollte er natürlich durch all das seine Feinde überwunden oder zumindest zurückgeschlagen haben. Manchmal wenn alle Würfel falsch fielen, kann auch die Heldengruppe besiegt werden. Manchmal, wenn auch sehr selten, kann ein Mitstreiter oder man selbst sterben. Und noch seltener: Die ganze Gruppe.

    Wenn darüber der Plot Armor schweben würde, jede "1" zu einer "16" gedreht werden würde, nur weil mein Kämpfer grad mit 8 verbliebenen LEP kämpft... Ich fände es langweilig mit der Gewissheit zu spielen.

    Du schreibst "Nein", formulierst aber in deinen folgenden Absätzen genau das aus, was ich mit "schwierigen Komplikationen und dramatischer Peripetie" gemeint habe, und mit "Am Ende sollte er natürlich (...)" das prinzipielle Happy End, also sind wir uns eigentlich einig.

    Was "WIR" in DSA nicht suchen, sind regelmäßige, geplante Katastrophen: Dass die Helden nacheinander dramatisch in den Tod gehen und wir jeden Spieleabend mit neuen Figuren starten müssen. Das bleibt die absolute Ausnahme.

    Und dafür braucht es auch keinen Plot Armor: bei wirklich heiklen Aufgaben haben meine Helden zumindest die Chance, anfangs einen Heiltrank zu erwerben, so dass man dem Kameraden, der schon den Luftzug von Golgaris Schwingen verspürt, in letzter Sekunde diesen verabreichen kann.

    Entlohnung ist ein simpler Plotaufhänger. Der Auftraggeber bietet Geld für eine Aufgabe: Begleitschutz, Wiederbeschaffung, Botendienste. Damit motiviere ich als SL gerade eine weniger erfahrene Gruppe sehr schnell.

    Den erfahrenen Kämpferhelden (kennt noch jemand Raidri Conchobair?) kann ich damit nicht ködern. Dem muss ich eine spannende Herausforderung bieten oder seine Neugier ansprechen, und dann dient Geld nur noch der phexgefälligen Abrundung des Auftragsgeschäfts - wenn das überhaupt noch nötig ist.

    Ich denke, (fast) jeder Held kommt irgendwann an den Punkt, an dem Aufgaben nicht mehr des Geldes wegen angenommen werden. In Ordnung, wenn gerade keine Rettung der Welt ansteht, eskortiert man auch mal eine Handelskarawane, doch das muss man nicht mehr ausspielen. So verdient sich die Heldin ihr Geld zwischen den richtigen Abenteuern, als da wären: Prinzen vor Drachinnen retten, Dämonenhorden zu Schleim schlagen, fliegende Städte vom Himmel holen, einen neuen Kontinent erforschen. (Und wenn man erstmal in Uthuria ist: was nützt einem dann das Guthaben auf der Nordlandbank?)

    Weil es zu den Erfahrungen gehört und nicht zu den Objekten, zitiere ich hier einmal quer:

    Zu einem realistischen Abenteurerleben gehört auch all das, was sich "Game of Thrones" nicht scheute zu zeigen: Folter, Verstümmelungen, Vergewaltigungen. Trotzdem hat so etwas am Spieltisch mE nichts verloren - eben wegen der von Sturmkind erwähnten, zitierten Immersion: weil man so etwas bei wirklich guter Immersion miterleben würde.

    Daher ist für mich "Realismus" ein Argument mit begrenztem Nutzwert - wir wollen Immersion im Spiel, aber grundsätzlich die Immersion in positive Erlebnisse. Wie beim klassischen Drama dürfen dafür nach der Exposition durchaus schwierige Komplikationen und eine dramatische Peripetie folgen. Doch am Ende wollen wir in der Regel nicht die Katastrophe, sondern eine "Happy End"-Katharsis erleben dürfen.

    Daher ist mir wichtig, was Sturmkind schrieb: der Meister muss die Situation stimmig darstellen und den Spielern einen Ausweg ermöglichen. Und im allerschlimmsten Fall auch mal mit den Augen rollen und "Willst du das wirklich tun?" fragen.

    Wenn ich recht überlege, dann starten viele meiner Helden schon vorbelastet - soll heißen: sie wurden durch negative und düstere Erfahrungen ins Heldenleben geworfen.

    Mein allererster Held: Als Sklave den Eltern entrissen und dann zum Wegwerf-Werkzeug der Hand Borons ausgebildet

    Meine Magierin: Von den Eltern verkauft, von den Mitschülern gepiesackt und missbraucht...

    Meine Elfe: verlor bei einem Orkangriff fast ihren ganzen Stamm

    Meine Ifirngeweihte: verlor die Mutter bei ihrer Geburt und den Vater, als sie noch ein Kind war, musste sich vor ihrer Spätweihe erstmal allein durchschlagen

    Meine Sharisad: hatte einen oronisch veranlagten "Gönner", dem sie entfloh

    Mein Krieger: wird manchmal ungewollt zum Wolf

    Mein junger Magier: wuchs allein mit der Mutter in einer Globule auf

    Meine Thorwalerin: hat Meeresangst...

    Mein Abenteurer: wurde als Kater geboren

    Mein alter Magier: hatte ein einigermaßen normales Leben, bis er zum Gezeichneten wurde

    Aber ich verstehe immer noch nicht warum ein materieller Wert oder ein emotionaler Wert ein Objekt vor Verlust schützen sollen, egal ob Spieler und/oder SC den Wert niedriger/höher einschätzen.

    Ein emotionaler Wert sollte ein Objekt vor Verlust durch Gedankenlosigkeit des SL oder die gefürchtete "Meisterwillkür" schützen. Wenn der Verlust in die Story hineinpasst - nein: hineingehört - dann muss auch ein liebgewonnener Gegenstand dran glauben.

    Wenn der Verlust aber für das AB keinen Wert hat, dann erwarte ich von meinem SL, dass er sich Gedanken macht - denn für mich ist der SL nicht Gegner, sondern Partner. Wenn das für dich anders ist, dann kommen wir auch nicht auf einen gemeinsamen Nenner. (Was nicht schlimm wäre. Es ist okay, unterschiedliche Spielstile zu haben. Es macht eine Diskussion wie diese hier nur mühsam, wenn jemand nicht sagen kann: "Oh, ich verstehe, ihr spielt eben anders.")

    Vielleicht bin ich altmodisch (und unsere Spielrunde ebenso), aber für mich war und ist essenziell: der SL ist nicht der Feind, sondern der Regisseur und Schiedsrichter, der die Spieler vor Herausforderungen stellt und dann zum Erfolg führt.
    Mit Risiken kann ich umgehen, aber mit einem SL, der sich unfaire Behandlung zum Ziel setzt, würde ich nicht spielen.

    Trotzdem: Die Opferung liebgewonnener Ausrüstung wäre für mich in Ordnung - WENN der SL vor Beginn des Abenteuers erklärt: „dies ist ein AB, bei dem ihr möglicherweise etwas opfern müsst. Ist das okay für euch?“