Klar gibt es Situationen wo die Spieler irgend etwas "heldenhaftes" tun, aber ich persönlich würde meinen Charakter jetzt nicht als Held bezeichnen.
Held ist für mich ein Begriff für Gestalten aus klassischen Sagen und Mythen, und ich sehe mich im Spiel eher als Individuum. Wenn ich z.B. eine normale Heilerin und/oder Bäuerin aus Andergast bin,
unterscheidet mich das ja nicht wirklich so sehr von meiner NSC-Nachbarin, die nebenan wohnt und ggfs. die gleiche Profession hat; außer, dass ich vielleicht mit anderen meine Heimatstadt verlasse, um einem Suchauftrag nachzugehen.
Ich persönlich verwende den Begriff "Held" und "Meister" kaum noch bzw. empfinde deren Verwendung teilweise sogar als abschreckend und kindisch (verzeiht, wenn sich jemand angegriffen fühlt: ich spreche nur von meinen persönlichen Gefühlen und möchte keine pauschalisierende Aussage treffen) . Ich spiele verschiedene Systeme und deshalb sind für mich Charakter und Spielleiter_in die allgemeingültigen Begriffe.
Gleichzeitig bin ich aber überaus froh, dass ich parallel zu AD&D mit den gängigen DSA-Bezeichnungen sozialisiert wurde.
Die klassische Fantasy-Pen and Paper-Gruppe spielt nämlich (abgesehen von speziellen Spielsystemen oder Experimenten) in einem Setting, in welchem die Spielwelt (und somit der Spielleiter mit seiner Abenteueridee) generell davon ausgeht, dass die Spieler "das moralisch Richtige tun", also z.B. Entführte retten, Schwache beschützen, keine Städte durch Brunnenvergiftung auslöschen, etc. "Helden" sind also "die Guten", deren Wege zwar oft brachial, ungehobelt oder sogar gänzlich gesellschaftsschädigend sein mögen, aber deren Ziel es ist "zu Helfen" (und ganz nebenbei Ruhm und Reichtum zu sammeln). Demnach macht die Moral das heldenhafte aus, denn der Begriff trifft nicht nur auf strahlende Ritter, sondern sowohl auf tiefgraue Charaktere, wie auch auf Bauern zu, wenn sie an den entscheidenden Momenten des Lebens richtig handeln und immer tiefer in wichtige Angelegenheiten hineingezogen werden.
Die Bedeutsamkeit des Handelns ist natürlich Vorraussetzung.
Das Lieblingsschnupftuch der traurigen Holzfällerin im Wald zu suchen mag zwar moralisch das Richtige sein, aber es ist wahrscheinlich keine heldenhafte Tat. Wäre dieses Schnupftuch jedoch der Schlüssel, um den Fluch über der gesamten Region zu lösen, der aus der unglücklichen Liebe zwischen der Holzfällerin und einer Fee entstanden ist, dann wahrscheinlich schon.
Je gewöhnlicher ein Charakter zu Spielbeginn wirkt (also beispielsweise eine einfache Profession wie Flickschuster oder Melkhilfe besitzt) desto überraschender mag die Wandlung zum Helden wahrgenommen werden. Tolkien hat mit der Figur des Sam Gamdschi (mehr noch als bei Bilbo Beutlin) einen einfache Person (Gärtner vom Lande) geschaffen, die in welterschütternde Ereignisse hineingezogen wird und sich durch Loyalität, Mut und Entschlossenheit zum eigentlichen Helden der Geschichte wandelt (von den Historikern aber selbstverständlich gar nicht wahrgenommen wird, weil es ja immer nur um Harry Potter Frodo geht^^).NAch einem ähnlichen Schema funktionieren auch einige Heldengenerationen aus der Shannara-Reihe.
Auch sehr graue Charaktere können "gute Helden" werden, weil sie zufällig/vom Schicksal auf die "richtige Seite" gespült wurden (und aufgrund des Gruppendrucks nicht mehr auskönnen ) oder weil sie die andere Seite aufgrund persönlicher Vorerfahrungen/ individuellen Einstellungen/ egoistischen oder opportunistischen Überlegungen nicht wählen wollen oder können. Raistlin aus dem Dragonlance-Zyklus ist zu Beginn so eine graue Figur, die lange Zeit auf der Seite des Guten steht, da er die SC kennt, diese auch braucht und weil er viel zu arrogant ist, sich der Finsternis zu beugen, die seine Heimat überrollt (ich spreche vom jungen Raistlin wohlgemerkt!^^).
Zwischenfazit: Es ist egal ob DU ein strahlender Ritter, ein egoitischer Schwarzmagier oder ein 1 Meter großer Bauerntölpel bist. Wenn die Ereignisse stimmen und DU auf der Seite des Guten stehst, dann wirst auch DU zum Helden!
Blöd ist halt, wenn es gerade keine weltbewegenden Vorkommnisse gibt, aber zum Glück kann das eure Spielleitung direkt beeinflussen...
Doch jede Tat, so klein sie auch erscheinen mag, kann "Heldentum" mehren. Wenn man der kleinen Alrike ein Holzschwert schnitzt, wird man wahrscheinlich auf Ewigkeiten in ihrem persönlichen Heldenhimmel weiterleben.
„Perspective, you see a hero, they see the final boss of the dungeon crawl.“
Rettet man eine Dorfbevölkerung vor den Zorganpocken, so wird man regional und in manchen Gelehrtenkreisen wahrscheinlich zum Helden gekürt. Für die Überlebenden ist man entweder ein halber Gott oder aber ein hassenswertes Objekt, wenn sie beispielsweise die Wahrheit kennen, mit welchen drastischen Mitteln die Seuche eingedämmt wurde...
Die Mohas hingegen haben noch nie von dieser Tat gehört, sie erzählen sich lieber die Heldengeschichte wie Tapam-He die Sonne stahl.
Fazit:
Kleine Taten - kleiner Personenkreis, der den Heldenstatus (an)erkennt
Große Taten - großer Personenkrei, der den Heldenstatus anerkennt
Großartige Helden werden oftmals gar nicht als diese erkannt, da Alrike Ogerschlächterin ja wahrscheinlich 2 Meter groß war, goldfarbene Zopfe trug und eine glänzende Hellebarde führte. Die echte Alrike Ogerschlächterin, ehemalige Schankmaid mit roten Haaren, die sich als Weibel an der Trollpforte mit Ogerblut und Ruhm bekleckerte, führt danach ein einfaches und bescheidenes Leben, unbeachtet von den meisten Mitbürgern (ausser ihrem ehemaligen Trupp und einem Grafen, der sie ab und an besucht), während die Legende sich verselbständigt hat.