Und weiter geht es ein bisserl ...
Doch eine solche Gelegenheit ergab sich nicht, denn Jurina war weiterhin blind gegenüber der Auswirkung ihres Verhaltens auf ihre Umwelt, wie Delara unschwer feststellte. Sie hörte von der Geweihten, die sich den Knöchel beim ringen verstaucht hatte und wusste um ihre eigenen Blessuren, die sie beim Übungskampf davon getragen hatte.
Delara schlief in der Nacht in einer anderen Kammer, denn einem Gesprächsversuch hatte sie nur entnommen, dass Jurina verächtlich und abwertend von den Geweihten dachte. Auch Jurina selber verstand Delaras Handeln nicht und zog sich brüskiert zurück.
Am nächsten Tag änderte sich nichts an diesem Zustand: Jurina bordete noch immer vor Kraft und Tatendrang über, doch niemand war mehr bereit, mit ihr zusammen etwas zu üben. Jurina verstand nicht, dass niemand mit ihr etwas zu tun haben wollte und hielt sie alle für verweichlicht. Ihre Verletzungen waren nun fast völlig verheilt und weder Husten noch Brennen bemerkte sie bei sich. Sie drängte Delara dazu, an diesem Tag noch aufzubrechen, doch Delara lehnte ab unter der Begründung von möglichen Spätfolgen. Jurina war nicht sie selbst, egal, für wie gesund sie sich hielt. Delaras Besorgnis, aber auch ihr stiller Zorn, nahmen zu.
Unzufrieden und ruhelos blieb Jurina also im Tempel, übte ihren Körper, betete und kümmerte sich um Rondira, die weiterhin nervös und unruhig war, was sich auch durch leichte Bewegung nicht vertreiben ließ.
In der Nacht wachte sie plötzlich auf. Sie blinzelte in die Dunkelheit und versuchte herauszufinden, was sie geweckt hatte. Kein Geräusch war zu hören, es war still in der Kammer ... Richtig, Delara schlief ja nicht hier, deshalb hörte sie ihren Atem nicht.
Wäre sie doch hier ... Jurina war selber etwas überrascht über diesen plötzlichen Wunsch, auch darüber, festzustellen, wie vertraut ihr die Anwesenheit Delaras mittlerweile geworden war. Auch wenn Delara sich etwas merkwürdig verhalten hatte, verspürte Jurina das Verlangen, mit ihr zu reden. Vielleicht würde sie jetzt erfahren, was mit ihr los war?
Sie setzte sich auf. Der Boden ihrer Schlafkammer war eiskalt. Natürlich war der steinige Boden jetzt im Winter kalt, aber jetzt erschien er Jurina kalt genug, dass die Berührung an ihren Füßen fast schmerzte. Ein Schauder überlief sie. Kälte war sie gewohnt, seit vielen Götterläufen setze sie ihren Körper Entbehrungen aus, dennoch erschien es ihr ungewöhnlich kalt hier.
Aus Gewohnheit legte sie ihre Rüstung an, auch im Dunkeln wusste sie routiniert und schnell die Teile anzulegen. Als sie die Säbelscheide an ihrem Gürtel befestigte, fühlte sie leichtes Unbehagen, doch das verdrängte sie, denn gleichzeitig fühlte sie sich gut und stark. Außerdem hatte sie Lust darauf, sich mit Delara zu unterhalten. Dass es mitten in der Nacht war, daran verschwendete sie keinen Gedanken.