Ich persönlich hätte die OP Forderung tatsächlich eine gute Sache gefunden, ich kann mir aber ein paar Narrative Gegenargumente vorstellen.
Einer der großen "Realitätsbrüche", die Aventurien schon immer willentlich in Kauf genommen hat, ist dass die verschiedenen in sich relativ schlüssig oder "realistisch" wenn man das wort benutzen möchte sind, nach außen aber nicht wirklich. Das alte Klugscheißer-Argument, dass jeder, der sich seit etwa einem Jahr mit Aventurien beschäftigt im halbjahrestakt in die Spalten irgenwelcher Foren ballert (We've all been there, myself too) ist ja "Wenn die Horasier doch so fortschrittlich sind, warum beherrschen sie dann nicht den Kontinent?" Und da gibt es ein paar innerweltliche Antworten "Es sind nicht so viele" "Magie kontert Technologie bis zu einem gewissen Grad" "Innere Intrigen halten sie auf" aber der Elefant im raum ist ja die außerweltliche Begründung: "Weils erstens scheiße Langweilig wäre und zweitend doof für die Fans aller anderen Settings."
Und so ist es im Prinzip mit allen Settings/Fraktionen, wenn sie miteinander in Konflikt kommen. das passiert zwar, aber in der Regel nur, wenn es ein cooles Narrativ dazu gibt. Idealerweise ist das mit Ingame Gründen unterfüttert, aber das Narrativ steht vorne. So haben die Thorwaler Konflikte mit den Horasiern, weil Zivilisation vs. Barbarei ein klassisches Konzept ist. Sie haben Konflikte mit dne Al'Anfanern, weil "Dekadenz versus Authentizität" und "Freiheit versus Sklaverei" klassische Fantasy Themen sind. Sie überfallen Küstendörfer im MR und in Nostria und sie verdingen sich als Säldner, weil das überfallen mittelalterlich aussehender Küstendörfer und das Konzept von Normännern als Söldner klassische Wikinger Stereotype sind.
Was sind jetzt in DSA die Narrative zu den Orks. Da sind zum einem die klassischen Tolkien-Orks ein Element. Das ebdeutet Orks im Sinne von "Unmenschlich" die Orks stellen einen Herausforderung für die Menschen dar, weil sie all das machen, was die Menschen als "Falsch" empfinden. Ihre Gemeinschaft basiert auf Gewalt, ihre Ästhetik auf Zerstörung, sie kennen keine Liebe etc.
Noch bedeutsamer ist in meinen Augen aber das zweite Motiv: Orks bedienen das Narrativ einer "Steppenhorde". Die (west-)Europäische Geschichte kennt eine Reihe von Invasionen durch reitervölker aus den Steppen des Ostens über die Jahrhunderte. Hunnen, Awaren, Magyaren, Seldschuken und prominent natürlich die Mongolen. Gerade von letzteren haben sich die DSA-Orks eine Menge Ästhetik und Thema geliehen. Das beginnt bei Lebenweise, Zelten, Steppe, Pferden und Waffen, hört da aber nicht auf. Wie Dschinghis Khan sieht sich der Aikar als auserwählter Stammeseiner und strebt die Weltherrschaft an. Sadrak Wasshoi hat sogar den gleichen Kook, wie Dschinghis Khans General.
Das dritte Narrativ um DSA-Orks ist eines von "Orks als Ureinwohner/Indianer". DnD hat ob bewusst oder nicht eine Menge Ursprünge im Westerngenre. Klingt jetzt erstmal absurd, aber was tut man denn in einem Stereotypen DnD Spiel? Man ist eine Gruppe Glücksritter in einer Kleinen Stadt an der Grenze zur Wildnis ohne staatliche Sicherheit. In den Umliegenden Wäldern wohnen feindliche kreaturen, denen der Wald eigentlich gehört, banditen und hin und wieder Kreaturen wie Elfen, deren Kultur vestanden werden muss. Oder anders: Man spielt Revolverhelden in einer Frontierstadt, die sich mit Outlaws und Ureinwohnern herumschlagen müssen, die entweder blutdürstige Barbaren, oder esoterische "Edle Wilde" sind. (Ich bin nicht der Erste, der diese Gemeinsamkeit feststellt...) Dieses Narrativ wird natürlich im Sveltland Westernsetting bedient und in einem eigentlich ganz coolen Twist im aktuell besetzten Sweltland mit der Prämisse "Western, aber die Indianer haben gewonnen."
Diese drei Narrative brauchen natürlich menschliche Gegner, aber eben bestimmte: Die "Unmenschlichen" Orks brauchen besonders edle Menschen oder solche, die sich an "Edlen" Themen abarbeiten. Deshalb kämpfen in Greifenfurt Praiosgläubige gegen die Orks und in der Donnermark (und Prominent der dazugehörigen Kampagne) Rondragläubige.
Für das Reitervolk Narrativ ist es schonmal praktisch, wenn die Ork-Gegner Westeuropäisch wirken. Das ist das, was in den Orkenstürmen viel gemacht wurde. Außerdem muss der lebensentwurf der Menschen ein Gegenstück zu dem der Orks darstellen. Das Narrativ der "Zivilisationsbedrohenden Steppenreiter" funktioniert nur dann, wenn die bedrohte Zivilisation fundamental anders ist, als die der Angreifer. Sie muss sesshaft sein, zivilen Regeln folgen und vielleicht ein kleines Dekadenz/"sich zu sicher fühlen" Problem haben. Deshalb greifen die Orks bei ihren Orkenstürmen immer das Mittelreich an.
Die Western-Orks brauchen gegner mit zwei Aspekten: Technologischer Überlegenheit und schlechetrer Geländekenntnis.
Diese Orks Narrative mergen einfach nicht sehr gut mit den Thorwaler-Narrativen. Sklaverei und Geschlechterrollen ist in meinen Augen das einizige Thema, wo die Orks als "Unmenschliche" Archetypen für die Thorwaler infrage kämen. Aber selbst dann käme das zu dem Preis, dass die Thorwaler ihr Hinetrland verteidigen müssten, was bedeuten würde, dass sie weniger Zeit damit verbringen würden Al'Anfanische Galeeren zu entern, Küstendörfer zu überfallen und Sklaven zu befreien, also all die Sachen, wofür wir sie eigentlich mögen. Und ich glaube das Risiko wollte man bei Ulisses nicht eingehen...
Das war jetzt etwa 10.000 mal das Wort "Narrativ", danke, dass Sie zu meinem TED Talk gekommen sind.