Ich bin da ziemlich bei AmosTversky.
Allein ein Thread, in dem die mangelnde Diskussionsbereitschaft von Neulingen kritisiert wird, ist schon ein Zeichen des Problems... und das liegt nicht bei Neueinsteigern.
Ich klaue hier einfach mal einen Textschnippsel von zakkarus und schweife weit darüber hinaus ab, aber das passt grade gut um ein Hauptproblem zu unterstreichen.
Geduld ist im Zeitalter vom schnellen Internet und Smartphones vielen Menschen abhandengekommen.
Das ist eine durchaus wahre Aussage, die man aber auch anders herum auslegen kann.
Früher musste man sich jeden Scheiß gefallen lassen, weil man keine Alternativen hatte. Heute hat man Alternativen.
Wenn meine erste Erfahrung in einem Forum wie folgt ist:
Ich erstelle einen 'Passt das Charakterkonzept und die Punkteverteilung für meinen elfischen Krieger'-Thread. Es gibt zwei hilfreiche Antworten, drei Personen sagen mir jedoch das an ihrem Tisch kein Neuling einen Elfen spielen dürfte und ob ich 'Buch das seit 15+ Jahren aus dem Druck ist' überhaupt gelesen habe, bevor ich mich an so einen Charakter herantraue. Zwei weitere Personen stimmen zu und fragen ob ich nicht einen halbelfischen Streuner spielen möchte. Oder lieber einen menschlichen Streuner. Bloß nicht zu kompliziert. Währenddessen entbrennt dann als Nebenschauplatz im Thread eine hitzige Diskussion darum, wie der Umgang mit Halbelfen in auelfischen Siedlungen ist und ob es auch bei den Auelfen Zauberkämpfer gibt... und irgendwo im Hintergrund brüllt noch jemand, dass DSA 5 Elfen ohnehin scheiße sind und Ulisses mit den fehlenden Seelentier-regeln zum Adlerschwinge Aventurien im allgemeinen und die Elfen im Besonderen kaputt gemacht haben.
...jap, dann frage ich das nächste Mal woanders nach. Gibt ja genug andere Stellen im Internet. Discord, andere Foren, Facebook, whatever. Oder ich gehe gleich zu DnD 5 und spiele einen waldelfischen Warlock, der sich einer Archfey verschrieben hat um die unsterblichen Wälder der Welt als Repräsentation ihres ewigen Hofes im Feywild zu bewahren... und kriege dafür ein 'cooles Konzept' zu hören.
DSA hat ohnehin schon eine hohe Einstiegshürde aufgrund vom Detailgrad der Welt. Umgekehrt ist der hohe Detailgrad allerdings gleichzeitig der 'Unique Selling Point' von DSA, der verhindert das es halt nur ein regionaler DnD-Abklatsch mit einem schlechten Regelsystem ist.
Das ist für sich genommen bereits problematisch. Leichtere Kost und wenig bissigere Fandoms findet man überall. In Zeiten von VTT und Online-Rollenspiel bin ich nichtmals auf die Gruppen in meiner Region oder meinem Bekanntenkreis beschränkt, sondern habe eine gewaltige Bandbreite zur Verfügung. Das tolle daran ist, dass man deutlich mehr Systeme ausprobieren kann.
Für DSA ist das schlechte daran, dass man eben schnell Systeme mit leichteren/besseren Regeln, mehr Möglichkeiten und mehr Freiheiten findet, an denen neue Spieler eher hängen bleiben, während sie an DSA abprallen.
Diese Abprallwirkung wird durch eine rauere Diskussionskultur und das typische, oben genannte Beispiel eines Threads noch bestärkt.
Ich fasse mir da durchaus auch an die eigene Nase. Auch wenn ich mich erst seit ein paar Jahren mit DSA beschäftige, verstehe ich den Reiz der Detailtiefe. Es gibt für fast alles irgendwo eine Setzung, eine Quellenangabe oder eine Antwort der Redaktion. Das sorgt zum einen dafür, dass jeder ein recht klares Bild von Aventurien im Kopf hat... dummerweise sorgt es bei unklarer Quellenlage oder Grauzonen dafür, dass man herrlich stundenlang über die Unterschiede in diesem geistigen Bild diskutieren kann. Wenn man im Thema drin ist, macht das durchaus Spaß... andererseits ist es manchmal zugegebenermaßen auch lächerlich über welche Details man sich da auslässt. Kein Wunder, das dies abschreckend auf Neueinsteiger wirkt.
"Ich habe doch nur gefragt, ob mein Thorwaler Magier auch eine dieser coolen Krötenhaut-Rüstungen tragen kann. Wieso streiten diese Irren sich nun 3 Seiten lang über 'Bann des Eisens', das spezifische Gerüst der Rüstung, das Gesamtgewicht der Metallnieten und die Bruchfestigkeit falls man Horn- oder Knochennieten verwenden würde?!" Dramatisiert. Erlebnis frei erfunden.
Ich fürchte nur (ein wenig zynisch), das sich dies nicht ändern lässt.
Foren sind ohnehin ein überaltetes Internetphänomen. Discord, TikTok und sicher auch anderes, bei dem ich nicht mehr ganz Schritt halte, sind die moderneren Plattformen. Einen großen Strom neuer Stimmen kann man nicht erwarten, die hauptsächliche Belebung und Diskussion bleibt daher größtenteils bei den 'Urgesteinen'. Was die Detailtiefe der Diskussion und die teils festgefahrenen Meinungen verstärkt, was wiederum eine abschreckende Wirkung hat.