Ein al'anfanischer Sklave hat Aufstiegschancen. Ein Leibeigner sitzt in der praiosgefälligen Ordnung durch Geburt fest.
Die Chancen eines Sklaven tatsächlich aufzusteigen, werden nicht viel größer, vielleicht sogar eher kleiner sein, als die Chancen eines Leibeigenen z.B. in eine freie Stadt zu fliehen, dort ein Jahr auszuhalten, um anschließend dort als freier Mann sein finanzielles Glück zu finden, aufgrund einer magischen Begabung in den Stand eines Magiers aufzusteigen, als entflohener Landstreicher an ein Vermögen zu gelangen usw.
Eine Person wird mehr durch ihre Einstellung ihr Handel erreichen als durch den Stand der Geburt.
Dies könnte zwar ein super Leitspruch manch eines Granden sein, um seine Untergebenen zu motivieren, oder eine Lüge, die er sich selbst als Rechtfertigung für seinen Umgang mit Schwächeren erzählt, so er überhaupt ein intaktes Gewissen besitzt, aber rein faktisch ist das unwahr. Die Chancen z.B. eines entführten Stammesjägers als Gladiator lange genug zu überleben und charismatisch genug zu sein, in der Gunst der Zuschauer zu steigen, sich gar irgendwann seine Freiheit zurückkaufen zu können, mehr noch an Reichtum zu gelangen und auf den Silberberg zu ziehen usw. sind nicht gleich null, aber nahe genug an null, dass der eine SC, der sich dies als Hintergrundgeschichte ausgedacht hat, in den letzten ein-, zweihundert Jahren wohl der einzige war, dem dies gelang.
Andersherum wird der Sohn eines reichen Händlers, eines machtvollen Magiers, eines Granden usw. eher selten den Weg ganz nach unten finden.
Dabei ist mühselig zu diskutieren, ob schlimmer ist, mit Gewalt aus seiner Heimat, weg von der eigenen Familie verschleppt und verkauft, versklavt und missbraucht worden zu sein, oder direkt in der Sklaverei geboren worden zu sein, nie Freiheit gekannt zu haben.
Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass - auch abseits von den Gründen für die Sklaverei - eben nicht oder zumindest nicht nur der finanzielle Aspekt entscheidend ist. Wenigen Sklaven, z.B. Lustsklaven/Vergewaltigungsopfer, können finanziell sogar besser ausgestattet sein, als ein größerer Teil der freien Bevölkerung, weniger in Barvermögen, aber in Unterkunft, Verpflegung, Kleidung usw.
Dennoch sind sie Opfer. Sie werden gebrochen und benutzt, vergegenständlicht und entmenschlicht, als Handelsware missbraucht. Nur weil im Rahmen eines Stockholm-Syndroms, stiller Resignation, Übernahme der Entmenschlichung als Teil des persönlichen Selbstbildes oder auf andere Weise von vielen Sklaven irgendwann ein Weg gefunden wird, damit umzugehen, wird dieser Umstand nicht besser, bloß weil das Vieh gutes Futter erhält oder das Opfer vor Gebrauch herausgeputzt wird.
Auch wenn die Ware günstig ist, muss man sie irgendwie durchfüttern können.
Ab Lebensstil "Annehmbar" werden min. ein, zwei Sklaven Teil der Ausstattung sein, "Reichlich" umfasst auch mal ein Dutzend und alles darüber sogar noch mehr, "Üppig" sogar ganz erheblich mehr.
Alle Lebensstile darunter, außer "Elend", können jedoch durchaus ebenfalls Sklaven besitzen. Bei weitem nicht alle Sklaven sind Luxusartikel, Gladiatoren, Lustsklaven, Kammerdiener usw., sondern Werkzeuge, d.h. Minenarbeiter, Feldarbeiter usw. Diese Sklaven decken ihren Lebensunterhalt durch ihre Arbeit selbst, während jeder Mehrgewinn von ihrem Besitzer einbehalten wird.
Der Markt ist nicht so groß, dass man ständig neue anschaffen müsste. Die meisten sind wohl schon in Sklaverei geboren und die sind auch beliebter, weil die einfach ihre Arbeit tun und gut.
Zum einen schätze ich den Bedarf an Sklaven insgesamt als größer ein, zum anderen, wie auch schon oben aufgeführt, sind von früher Kindheit an gebrochene, seelisch verstümmelte und missbrauchte Menschen nicht unbedingt moralisch die bessere Option, beides ist verwerflich.
Dazu der Haufen an Verbrechern und sonstiges Gesocks, das man anderswo halt hinrichten würde - besser?
Zum einen kennt auch das Mittelreich die Zwangsarbeit als eine mögliche Strafe für Verbrecher, zum anderen werden solche Sklaven meist für Aufgaben eingesetzt, die im Grunde der Todesstrafe kaum nachstehen. Vor allem werden diese traurigen Gestalten nur einen sehr, sehr kleinen Teil der Sklaven ausmachen und wohl, so deren Hintergrund bekannt ist, auch weit weniger Mitgefühl auslösen.
EDIT
Falls ihr das gerne möchtet, können wir das Thema auch weiter ausdehnen, z.B. auch die Leibeigenschaft im Bornland, die Orksklaverei des Mittelreichs usw. miteinbeziehen. Dabei würde ich jedoch gerne den Fokus auf den Umgang der SCs mit solchen Phänomenen legen und weniger darauf, herauszufinden, wo denn die Sklaverei am schlimmsten sei.
Ich erinnere mich an ein Abenteuer in welchem ein Adliger des Mittelreichs eine junge Frau als böswillige Hexe verfolgen lies, da sie sich des Zugriffs seiner Wachen mittels eines magiedilettantischen Schutzgeistes entzog, als diese die Frau zum Vollzug des "Rechts auf die erste Nacht" abholen wollten; ein Recht, welches auch im Mittelreich kaum als üblich bezeichnet werden kann und keinesfalls als legitim. Selbst der recht obrigkeitstreue Krieger der Runde stand nahezu instantan auf der Seite der Frau.
Im Rahmen eines anderen Abenteuers versteckte und schützte unsere Gruppe einen Schollenflüchtling, welcher als letzter Überlebender seiner Familie zu entfernten Verwandten wollte, aber von seinem Herren schlicht die Erlaubnis nicht bekam.
Als ein reisender Ritter in einer kleinen Herberge am Wegesrand nur das Beste wollte, aber sich weigerte zu bezahlten, da er schließlich von Adel war, griff unsere Gruppe schlichtend ein, bot an, zur Not die Rechnung zu übernehmen. Als derselbe Ritter etwas später am Abend nach einigen Bechern zu viel auf Kosten der Gruppe übermütig, zudringlich und schlicht sehr ungemütlich wurde, blieben auch ein paar Blessuren nicht aus.
Unterwegs auf einem thorwalschen Schiff, welches die Gruppe mittlerweile äußerst gut kannte, begegneten sie auf offener See einem al'anfanischen Handelsschiff, welches u.a. auch Sklaven, Gefangene aus dieser Region, transportierte. Der Handel verlief nicht erfolgreich.
Aventurien ist nicht perfekt. Besonders irgendwann während der letzten und vorletzten Edition wurde Aventurien um weitere düstere Elemente der realen Geschichte bereichert und ein wenig Game of Thrones ergänzt. In Folge ist umso schwerer, tatsächlich ein Held zu sein. Während Borbarad und die 1000 Oger eine zwar teils übermächtige doch greifbare Gefahr und vielfach klares Unrecht darstellten, ist dieses neue oder zumindest in seiner Darstellung geschärftes Unrecht um ein vielfaches gefährlicher, eben weil es viel weniger greifbar erscheint, besonders aufgrund der Prägung der SCs viel schwerer als solches zu erkennen sowie vor allem als richtig oder alternativlos tradiert und systemimmanent ist