Beiträge von Barbarossa Rotbart

    Für die Fähigkeit, spontan das Geschlecht zu wechseln, sehe ich in einem nicht auf sexuelle Eskapaden fokussierten Rollenspiel keinerlei spielspaßfördernde Anwendungsmöglichkeit, dafür aber einiges an Missbrauchspotential.

    Ich hingegen schon. Da wäre zum Beispiel ein Dieb, der mal schnell sein Geschlecht wechselt,um seinen Verfolgern zu entgehen. Gerade, wenn man versucht, irgendwo einzuschleichen, ist diese Fähigkeit ziemlich nützlich.

    Die sexuelle Orientierung und Identifikation könnte man ja bei der Erschaffung einfach auswürfeln...

    Das Rollenspiel Béthorm: The Plane of Tékumel besitzt Zufallstabellen für Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck, biologisches Geschlecht und Sexualität. Hier meine grobe Übersetzung der vier Tabellen:

    W10001 - 4849 - 96 97 - 00
    GeschlechtsidentitätWeiblichMännlichNichtbinär
    W10001 - 8788 - 9394 - 9798 - 00
    GeschlechtsausdruckIdentisch mit GeschlechtsidentitätUnterscheidet sich von GeschlechtsidentitätAndrogynGeschlechtsneutral
    W10001 - 9596 - 9900
    Biologisches GeschlechtCisgenderTransgenderIntersex
    W10001 - 9091 - 9495 - 9900
    SexualitätHeterosexuellHomosexuellBi-/PansexuellAsexuell

    Wie man sieht ist die Tabelle nicht perfekt, denn sie versagt bei bei nichtbinären Charakteren. Aber sie ist trotzdem nützlich.

    Was ich mir durchaus reizvoll vorstellen könnte, wäre eine Art Vorteil - Willentlicher Geschlechtswechsel - bei dem der Charakter willentlich und natürlich unter gewissen Anstrengungen und dadurch nicht alle Naselang sein Geschlecht wechseln kann. Sozusagen eine Art geschlechtlicher Gestaltwandler, wobei seine/ihre weibliche und männliche Form immer gleichbleiben, also 2-in-1 sozusagen.

    Also ähnlich den Ravesaran in Myranor (auch wenn es nur ein scheinbarer Geschlechtswechsel ist, da sie Hermaphroditen sind) und D&Ds gesegneten Corellons, Elfen, die die Fähigkeit haben, während einer langer Rast ihr Geschlecht zu wechseln.

    Das sehe ich genauso. Rollenspiele, in denen alles verregelt ist, sind in der Regel nie erfolgreich. Selbst wenn man entsprechende Fertigkeiten hat, benötigt man keine komplexen Regeln für ihren Einsatz. Man könnte zwar in den Regeln festlegen, dass es einem heterosexuellen Mann leichter fällt eine ebenfalls heterosexuelle Frau zuverführen als einer homosexuellen Frau. Man könnt eauch festlegen, dass man sich nach einem Geschlechtswechsel erst an seinen veränderten Körper bewöhnen muss und deshalb erst einmal schlechtere Werte hat als vorher. Aber braucht man das?

    chelidon

    Wenn wir jetzt nur die Regeln betrachten, müssen wir uns erst einmal fragen, ob das Geschlecht Einfluss auf die Werte haben soll. (Wie das gehen könnte, habe ich schon gezeigt.) Wenn das der Fall sein sollte, sollte man sich auch überlegen, ob die Geschlechtsidentität nicht ebenfalls Einfluss auf die Werte haben sollte. So etwas hat mehrere Nachteile. Zu einem gibt es dann die Werteoptimierer, die dann Geschlecht und Geschlechtsidentität allein nach dem Gesichtspunkt auswählen, was für ihren Charakter am Vorteilhaftesten wäre. Zum anderen müsste man die unendlichen vielen möglichen Geschlechtsidentitäten in grobe Kategorien einteilen, was etliche queere Spieler bestimmt stören würde. Man könnte dann auch noch dazu übergehen, dass die Sexualität ebenfalls einen Einfluss auf die Werte haben könnte. Die Nachteile wären im Prinzip die gleichen. Der Vorteil wäre aber, dass dann dies alles verregelt wäre und Änderungen einen direkten Einfluss auf die Werte haben. Je mehr Du aber verregelst, desto komplizierter wird das Regelwerk und desto weniger Spieler wirst Du dafür finden. Daher brauchts Du eigentlich für so etwas keine Regeln. Du kannst Zauber einbauen, die einen Einfluss auf Geschlecht, Geschlechtsidentität und auch Sexualität haben. Mehr brauchst Du eigentlich nicht.

    Beim hintergrund sieht es heutzutage anders aus. Hätte man sich vor zwanzig Jahren höchstens gedanken darüber machen müssen, wie die Bevölkerung auf Homosexualität reagiert, muss man heutzutage viel mehr beachten. Aber auch hier kannst Du Einschränkungen machen, denn Deine Spielwelt ist nicht die heutige Erde. So kannst Du festlegen, dass bestimmte Konzepte auf Deiner Welt nicht existieren. (Wie man da vorgehen kann, habe ich ebenfalls schon gezeigt.) Wichtig ist hier aber, dass dies nur Hintergrund ist und eigentlich keinen Einfluss auf die Regeln hat, wenn man mal von Zaubersprüchen absieht. In einer Welt, in der alle Hermaphroditen sind, braucht man keine Zauber, die das Geschlecht ändern.

    IT: Als Meister stelle ich mir aber gerne bei solchen Themen die Frage wie die Spielewelt darauf reagiert. Die Rahjakirche hätte vermutlich damit kein Problem - im Gegenteil - während die Praioskirche in einem "spontanen" Geschlechtertausch womöglich einen Verstoß gegen die zwölfgöttergefällige Ordnung sehen könnte und das "Problem" auf dem Scheiterhaufen bereinigen möchte. Hier muss ja schließlich Hexerei oder gar ein Pakt im Spiel sein.

    Das wäre jetzt rein DSA bezogen. In anderen Spielwelten kann es anders aussehen.

    (Übrigens gehört der Geschlechtswechsel zum Portfolio Tsas und nicht Rahjas.)

    Worldbuildingtechnisch würde ich definitiv festhalten, dass es eine arg blöde Idee ist, starre Geschlechterrollen mit der Möglichkeit, das Geschlecht einfach mal so eben zu ändern zu kombinieren.

    Deshalb sollte so etwas auch selten sein. In meiner Welt Damathor ist dies ein göttlicher Eingriff, aber hier sind die Geschlechterrollen stark kulturabhängig. In Deep Space Adventures, mein SciFi-Setting für DSA, ist dies eine komplexe medizinische Prozedur, die neben einem chirurgischen Eingriff und einer Hormontherapie auch Kloning und eine Gentherapie beinhaltet, aber es hanelt sich um ein SciFi-Setting, wo das Thema Geschlechterrollen nicht mehr so wichtig ist.

    Was auch genau der Grund ist, warum die biologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern in DSA größtenteils abgeschafft wurden.

    Es ist regeltechnisch eigentlich sinnvoll, keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu haben. Ich kenne nur wenige Rollenspiele, wo dies nicht der Fall ist:

    • In AD&D 1e konnten Frauen nie so stark werden wie Männer, ihre maximale Stärke war niedriger.
    • Bei MERS spielte das eigene Körpergewicht bei der Bestimmung der Behinderung durch Lasten eine große rolle, da bei MERS Frauen im mittel leichter waren als Männer, er hielten sie eine kleinen Bonus auf Geschicklichkeit oder Konstitution.
    • In Computerrollenspiel Arcanum erhielten weibliche Charaktere eine Bonus auf Konstitution, während männliche Charaketere einen Bonus auf Stärke erhielten.
    • In einem von mir entwickelten noch unfertigen DSA1-Klon verwende ich bei der Heldenerschaffen Vorteilswurf(das höhere von zwei Würfelergebnissen gilt), Nachteilswurf (das niedrigere von zwei Würfelergebnissen gilt) und Wurfwiederholungen (der Wurf wird bei einem bestimmten Würfelergebnis einmal wiederholt). Vorteils- und Nachteilswürfe verwende ich nur für die verschiedenen Rassen, aber Wurfwiederholungen sind geschlechtsspezifisch. Männliche Helden müssen eine gewürfelte 1 bei Stärke wiederholen, weibliche Helden müssen dies bei gewürfelten 1 bei Geschicklichkeit und Ausdauer machen. Dies führt dazu, dass männliche Helden im Mittel ein kleines bisschen stärker sind (mittlerer Eigenschaftswert ~10,92 statt 10,5), weibliche Helden im Mittel ein kleines bisschen geschickter und ausdauernder sind. Der Wertebereich ist aber für alle der gleiche, nämlich zwischen 8 und 13.

    Aber, wie ich schon schrieb, bedeutet die Tatsache, dass es keine regeltechnischen Unterschiede gibt, nicht, dass es auch keine Geschlechterrollen gibt. Das ist aber ein anderes Thema.

    Alles klar. Wenn das so ist, dann weiß ich natürlich wie du es hinkriegst, in deinem Setting "kein soziales Geschlecht" zu haben ... einfach das Wort nicht zu verwenden, ist natürlich eine Möglichkeit. :D

    Jein, es ist komplizierter. Würde ich den begriff soziales Geschlecht verwenden, wäre er für jede Kultur anders definiert. Es gibt patriarchalische Kulturen, es gibt matriarchalische Kulturen, es gibt gleichberechtigte Kulturen, und in all diesen Kulturen, können die Geschlechterrollen andere sein. Da es gleichzeitig keinen unterschied zwischen biologischen Geschlecht und Geschlechtsidentität gibt, macht es keinen Sinn auch noch von einem sozialen Geschlecht zu reden.

    Eldoryen Gammensliff

    Schön langer Artikel, aber leider nicht ganz korrekt. Du übersiehts z.B. dass in DSA5 plötzlich Beschrebungen vom Leben im Mittelreich auftauchten, die vom Inhalt her eher nach Thorwal passen. Auch ist die Entwicklung dorthin nicht nachvollziehbar. Urplötzlich ist das Mittelreich laut diesen Beschreibungen eine Kultur ohne Geschlechterrollen mit einer Gleichverteilung der Geschlechter in allen Berufsgruppen, und dies sei schon immer so gewesen. Und das alles nur, weil in DSA1 steht, dass in Aventurien Gleichberechtigung herrscht. Gleichberechtigung bedeutet aber nicht, dass es keine Geschlechterrollen gibt oder das eine Gleichverteilung der Geschlechter in allen Berufsgruppen existiert. Gleichberechtigung im Rollenspiel bedeutet, dass es Frauen die gleichen Charaktermöglichkeiten wie Männer. Und das weiblche Charaktere in der Regel im Spiel nicht benachteiligt werden. Mehr aber auch nicht.

    Eine lebendige Welt ist etwas wunderbares, aber die Entwicklungen müssen nachvollziehbar sein. Es geht nicht an, dass Kulturbeschreibungen verändert werden, weil man sie den zeitgeist anpasst, aber es keine erklärung gibt, wie es zu diesen Veränderungen gekommen ist. Das fehlt nämlich bei DSA (besonders von DSA5). Da hinterlassen solche Änderungen viel zu oft den Eindruck eines Retcons. Und Retcons sollte man möglichst vermeiden. Man sollte deutlich machen, wie es zu solchen Änderungen gekommen ist. und nicht etwas ändern und dann so tun als wäre dies schon immer so gewesen.

    Dass man um jeden Preis alle möglichen Spielstile bedienen will, ist keine stärke von DSA, sondern ein Problem, welches eine in sich konsistente Welt verhindert. Da geht man lieber bei den Beschreibungen nicht ganz so in die Tiefe und überlässt den jeweiligen Gruppen, wie der Rest aussieht. Dann deckt man wirklich alle Spielstile ab und hat eine Welt mit der alle Glücklich sein können.