Das hat DSA3 unfair gemacht, es waren Spieler, nicht die Regeln.
"Unfair" ist bei einem System, wie es in DSA3 galt, grundsätzlich kein gut einsetzbarer Begriff. Jemand anderes hatte hier bereits einen mehr als treffenden Vergleich zu "Mensch-Ärger-Dich-Nicht" gezogen. Dieses ist, wie viele Brettspiele seiner Zeit, vor allem ein Glücksspiel und erhebt wenig Anspruch auf eine direkte "Fairness". Diese Spiele folgen einem Grundsatz, der davon ausgeht, das es sich im Ganzen dann irgendwann ausgleicht. In der Theorie verhält es sich halt so, dass wenn 1.000 Menschen, jeweils 1.000 Würfelwürfe machen, am Ende zu einer ähnlichen Summe kommen. Letztlich bleibt es aber eine reine Theorie, den selbst bei der genannten Menge, werden wir Ausreißer nach oben, wie auch nach unten haben. Egal wie hoch wir die Zahl der Menschen und Würfel setzen, ist es unwahrscheinlich an den Punkt zu kommen, an dem wirklich alle am Ende zur gleichen Summe kommen. Daher wird ein reines Glücksspiel niemals wirklich "fair" sein und erhebt höchstens zu Werbezwecken einen Anspruch an selbiges.
Der Vorteil den solche Glücksspiele haben, ist das sie meist wenig Rücksicht auf die "Fähigkeiten" seiner Spieler nimmt. Beim besagten "Mensch-Ärger-dich-Nicht" nimmt das Spiel im erwürfelten Verlauf, wenig Rücksicht darauf, das Spieler A einen IQ von 140 hat, Spieler B einen ähnlich starken Bizeps und Spieler C gar der schnellste Schwimmer von allen ist. Die Würfel berücksichtigen keine dieser Fähigkeiten und trotz so unterschiedlicher Fähigkeiten, stellt das Spiel diese 3 erst mal vor eine gleiche Ausgangschance. Der Würfel dient in solchen Fällen eben als eine Art "Ausgleich", der eben genau solche Dinge aushebelt und somit eine Art Fairness suggeriert. Ändern wir das Spielfeld zu Schach, haben wir das Gegenteil. Beide Spieler haben das gleiche Spielbrett vor sich, mit den gleichen Figuren, welche jeweils den selben Regeln folgen. Hier ist es der Spieler der vor allem Einfluss darauf hat, ob er nun am Ende gewinnt, oder verliert.
Die Frage ist nun, wieviel Glücksspiel will ich persönlich beim Rollenspiel haben. Grundsätzlich will sich DSA ohnehin etwas mehr vom Glücksspiel entfernen, als dies bei anderen Rollenspielen der Fall ist. Ein gutes Beispiel hier sind die Talentproben welche über 3 Eigenschaften abgehandelt werden, auf die man dann auch noch einen steigerbaren Ausgleichswert besitzt. Auch DSA3 versuchte also schon deutlich, den reinen Glücksspielfaktor zu senken. Das Auswürfeln des eigenen Char machte aber schon in DSA3 wenig Sinn. Zu Beginn mag es ja eine spannende Komponente gewesen sein, sich auszuwürfeln was man dann am Ende spielt, aber irgendwann wussten dann die meisten schon vorm auswürfeln, was sie den gerne spielen würden. Spätestens an dieser Stelle ist ein Würfelsystem für die Charerstellung absolut unbrauchbar und das haben wohl auch die meisten Gruppen dann entsprechend gehausregelt. Bis DSA3 würde ich bei der Heldenerschaffung daher weder von "Fairness", noch von "Balancing" sprechen. Ohne Hausregeln bei der Heldenerschaffung zu berücksichtigen, will ein Würfelsystem weder Fair sein, noch führt es zu einem Balancing.
DSA4 ging daher einen nachvollziehbaren und logischen Schritt. Man ersetzte das Auswürfeln des eigenen Char durch ein Kaufsystem. Da sich aber schon DSA3 dadurch ausgezeichnet hatte, das man weitestgehend Klassenlos seinen Char erstellen konnte, benötigte DSA4 eben eine enorme Bandbreite an Rassen, Klassen und vor allem Professionen. So konnte man gewährleisten, dass man quasi immer noch fast jede Mögliche Variante von Charakter bespielen kann. Trotz des dadurch entstandenen Umfang der neuen Charerstellung, war ich ein Fan davon, mir meine Charakteren jetzt quasi "bauen" zu können. Ich brauchte nicht mehr Würfeln und dann schauen was ich spielen muss aufgrund meiner Wurfergebnisse, ich durfte es mir von Beginn an aussuchen.
Mit DSA4 kommt dann aber die Thematik "Balancing" ins Spiel. Und so toll es war seinen Char vollkommen frei bauen zu können, so spürte man mit der Zeit immer deutlicher, das es ein echtes Problem war, die Heldenerschaffung komplett vom restlichen Spiel abgekoppelt zu halten. Fähigkeiten, welche man auch später im Spiel noch erwerben konnte, hatten einen GP- wie auch AP-Wert und nicht immer war klar, ob hinter der Umrechnung irgendeine Logik steckte. Umso länger man das System aktiv nutzte, umso deutlicher wurde ein spürbarer Kosten/Nutzen-Faktor und eben dieser spielt für das Balancing eine Rolle. Wusste man seine Punkte besonders gut einzusetzen, ermöglichte einem die Charerstellung dauerhafte Vorteile, welche einem nicht nur zum Start quasi einen "stärkeren" Char gewährten, sondern auch später noch deutliche Vorteile mit sich brachte. Aus persönlicher Erfahrung würde ich sagen, das es wohl für die wenigsten Spieler wirklich relevant war und auch die wenigsten, wirklich ihre Chars daraufhin gebastelt haben. Es reichte aber ein Spieler in der Gruppe, der eben genau so seine Chars erstellte, um für alle spürbar zu machen, das DSA4 noch weit von einem Balancing entfernt war.
DSA5 war hier also nur der abermals nächste logische Schritt. Heldenerschaffung wurde nicht mehr als ein gesonderter Teil abgehandelt, sondern war jetzt eher eine Heldensteigerung, wie man sie später im Spiel vornimmt. Man verzichtet auf ein auswürfeln des eigenen Char, wie man auch darauf verzichtet Erschaffung und spätere Steigerung getrennt vorzunehmen. In DSA5 beginnt man quasi seinen Char einfach mit X Abenteuerpunkten und nutzt einfach seine ersten Abenteuerpunkte zum festlegen von Rasse, Kultur, Profession und weiteren Fähigkeiten und Talenten. Der gravierende Unterschied zu DSA4 besteht aber darin, das es keine festen Pakete mehr gibt, mit irgendwelchen festgelegten Generierungspunkten. Auch in DSA5 kostet jede Steigerung AP und entsprechend hat jeder wählbare Faktor auch einen solchen AP Wert. Man bekommt jetzt nicht mehr die Rasse Zwerg als Paket, mit bestimmten Boni, welche dann nur während der Generierung über GP abgerechnet werden, sondern die Rasse Zwerg setzt voraus (bzw schlägt vor) das man bestimmte Punkte investiert. Oftmals sind das bestimmte Vorteile, Nachteile, Sonderfertigkeiten oder Talentsteigerungen. Jedoch kosten diese eben für alle genau den gleichen AP-Wert.
In DSA5 ist es daher möglich, einen Zwerg zu erstellen, welcher nach der Erschaffung genau das gleiche kostet, wie der menschliche Char von einem anderen Spieler, der aber genau die gleichen Vorteile, Nachteile, Sonderfertigkeiten wie auch Talente gewählt hat, wie der Zwerg. Ob es nun sinnvoll ist einen Menschen mit eher typischen Zwergenfähigkeiten auszustatten, steht auf einem anderen Blatt, aber es unterstreicht das der Ansatz darin besteht, eben vor allem an besagtem Balancing zu arbeiten. Es mag nun hintenraus zu einer Diskussion kommen, ob der AP-Wert von X, im Vergleich zu Y eventuell nicht ganz ausgewogen daherkommt, aber zumindest auf die Charerstellung haben wir mit DSA5 nun ein System das von allen bisher das einzige ist, das wirklich bemüht ist an Balancing zu arbeiten.
Persönlich halte ich daher DSA1-3 weder für fair(und auch hier nochmal, ein Glücksspiel erhebt einen solchen Anspruch nicht), noch das man hier überhaupt das Wort "Balancing" in Spiel bringen könnte. DSA4 verwandelt die Charerstellung dann von einem Glücksspiel in ein komplexes Kaufsystem und damit wird auch das Thema "Balancing" überhaupt erst relevant. Wobei ich davon ausgehe, dass man sich beim erstellen des neuen Kaufsystem im Team erst mal weniger Gedanken um ein echtes Balancing gemacht hatte, eben weil man eher darauf fokussiert war, erst mal überhaupt in ein solches System zu wechseln. Für DSA5 gab es sicherlich keine Überlegungen zurück in ein Würfelsystem zu wechseln, hier war sicherlich eher der Gedanke, das Kaufsystem zu verbessern und entsprechend war Balancing ein Thema und wurde auch entsprechend umgesetzt.
Nur auf den Thementitel "Fairness und Balancing der Heldengenerierung jeweiliger Editionen" bezogen, wüsste ich nicht, wie man es anders sehen könnte, als das genau dieses mit jeder Edition verbessert wurde. Das bedeutet ja keinesfalls das Edition X besser ist als Y, den dafür ist die Frage dann eher relevant was man persönlich bevorzugt. Entsprechend kann ich also nachvollziehen wenn E.C.D. davon schreibt, dass ein Auswürfeln am Ende "realistischere" Charakteren hervorbringt, eben weil nicht jeder von Geburt an mit dem gleichen Grundpotential in allen Dingen geboren wird.
"Nach Abschluß aller Umverteilungen sollte Ihr Held jetzt für den gewünschten Typus geeignet sein. Ansonsten bleibt Ihnen nur, Ihr Schicksal zu akzeptieren und es mit einem anderen Typus zu versuchen oder von vorne zu beginnen." (MSZ, S. 8 )
Da stellt sich die Frage wer das heute noch so machen wollen würde. Selbst wenn ich mit neuen Spielern einen Char mache, setze ich mich mit diesen auseinander was sie sich vorstellen können und/oder spielen möchten. Das Konzept das hinter dieser Regel steht erspart das natürlich vollkommen, dann kann ich dem Neuling getrost die Würfel in die Hand drücken mit den Worten "dann schauen wir mal was für einen Charakter du dir auswürfelst". War sicherlich ein Interessantes Konzept als "Rollenspiel" für viele noch etwas vollkommen neues war, aber davon sind wir schon lange weg. Rollenspiel wird heute in Schulen eingesetzt, viele kennen Rollenspiele am Computer, usw. Selbst wenn man mit neuen Spielern zusammenkommt, ist meist nicht mehr das größte Problem "Rollenspiel" zu erklären. Das kennen die meisten schon und entsprechend haben selbst neue Spieler recht schnell konkrete Vorstellungen davon, was sie spielen wollen. Ein auswürfeln des Char steht dem eher entgegen. Selbst wenn es nur ein Char zum reinschnuppern sein soll, erfüllen die Archetypen meist besser und schneller ihren Zweck, als ein Würfelsystem.