Ich möchte nochmal zum Wikipediaartikel, den @Jinx verlinkt hat, zurückkommen:
Zitat
Eskapismus wird als eine Fluchthaltung oder Ausbruchshaltung, als bewusste oder unbewusste Verweigerung gesellschaftlicher Zielsetzungen und Handlungsvorstellungen verstanden.
Ganz wichtig hier: Gesellschaftliche Zielsetzungen. Das hat nichts mit Wirtschaftlichkeit oder Effizienz zu tun. Ich würde hier davon ausgehen, dass hiermit die üblicherweise auf den Menschen als soziales Wesen projizierten Verhaltensweisen gemeint sind, also die Bildung von sozialen Gruppen und Umgebungen - also einfach ausgedruckt, die Bildung eines Freundeskreises, einer angenehmen Atmosphäre am Arbeitsplatz zwischen Kollegen und ähnliches. Die erwähnten Handlungsvorstellungen sind dann davon abgeleitet.
Aus der Definition lässt sich also ableiten, dass Eskapismus sich im Wesentlichen in der Abwendung von seinen Mitmenschen ausdrückt. Schon allein an dieser Stelle ist offensichtlich, dass Rollenspiel keinesfalls eine Form des Eskapismus darstellt.
Zitat
Eine Flucht vor der Realität bzw. vor der Wirklichkeit kann durch geistiges und soziales Abschirmen („Stubenhocker“, „Einsiedler“), durch eine Hinwendung zum Irrationalen, einen übermäßigen Gebrauch vonMedien aller Art oder auch durch Substanzdrogen vollzogen werden.
Entgegen der vorhergehenden Definition wird hier nun erstmals nicht nur ein soziales, sondern auch ein geistiges Abschirmen erwähnt. Interessant ist, dass beim ersten Satz in der Wikipedia auf eine Quelle verwiesen wird, beim zweiten jedoch nicht. Ich finde, dass geistiges Abschirmen im Gegensatz zum sozialen Aspekt kein Merkmal des Eskapismus ist, sondern eher eine Folge.
Ich würde geistiges Abschirmen mal grob als Zurückweisen des Informationsflusses, der aus der Realität kommt, interpretieren. Woher kommt das? Im Artikel wird unter anderem die Flucht in Medien erwähnt, und gerade bei den heutigen „sozialen“ Medien ist das ein guter Ansatzpunkt:
Soziale Interaktionen über (Online-)Medien sind generell unpersönlicher also direkter Kontakt. Man sieht das ja an der gesteigerten Aggressivität, die im Internet an vielen Orten bemerkbar ist. Schon auf Seiten wie Facebook präsentieren sich Teilnehmer ja tendenziell so, wie sie gesehen werden wollen, was nur bedingt korreliert damit, wie sie tatsächlich sind. Ich würde mal sagen, dass schon hier die Ansätze eines Rollenspiels vorhanden sind.
Ein klassisches Beispiel des Eskapismus ist dann ja World of Warcraft, das etliche Spieler süchtig gemacht hat und dazu geführt hat, dass sie ihre sozialen Kontakte aufgaben (das betraf auch einen Freund von mir). Hier schlüpft man vollständig in eine fremde Rolle und interagiert dann auch primär mit den Figuren anderer Spieler. Wer sich hinter den Spielern verbirgt, ist unwichtig. Und nochmal zur Klarstellung: Natürlich trifft das auch bei WoW nur auf eine Minderheit der Spieler zu.
Worauf ich hinaus will ist, dass die Vorstellung fremder Welten ein gutes Mittel ist, um der sozialen Interaktion in der Realität zu entkommen, weil man das Bedürfnis nach sozialer Interaktion über Avatare und dergleichen stillen kann. Die Folge kann dann die erwähnte geistige Abschirmung von der Realität sein, da die fremde Welt, in der man lebt, die eigenen sozialen Bedürfnisse befriedigt.
Was bedeutet das aber für uns Rollenspieler? Ich denke, bei uns is der Eskapismus deutlich weniger verbreitet as in MMORPGs und dergleichen. Wir haben beim Spielen keine Medien zwischen uns und kennen uns (oder lernen uns kennen) auch außerhalb der Spielwelt. Sicher ist DSA auch für Eskapisten nicht unattraktiv, aber wie schon erwähnt, solche Leute hat man dann eher ungern in der Gruppe, weil man mit ihnen eben über das Spiel hinaus nur schwer Kontakt aufbauen kann - und das ist dann für andere, die Rollenspielen als normales Hobby betreiben, eher unangenehm.
Natürlich kann es vorkommen, dass man, wenn man eine entsprechende Veranlagung zum Eskapismus hat, ohne sich dessen bewusst zu sein, man durch Rollenspielen dazu verleitet wird, diesen Aspekt auszuleben. Das heißt aber nicht, dass man sich als Rollenspieler generell vorwerfen lassen muss, dem Eskapismus zu frönen. Leute, die Rollenspielern so etwas vorwerfen, argumentieren auf dem Niveau von „alle Räder sind rund, also ist alles, was rund ist, ein Rad“.