ABRAMAKABER
Einmal mehr befinden sich die Helden in der besten – und einzigen – Schänke ihres andergastischen Lieblingsdorfes und feiern den erfolgreichen Ausgang ihres letzten Abenteuers. Wie immer bei sowas ist die Schänke rappelvoll, hat es sich doch einmal mehr in Windeseile bei den Dorfbewohnern herumgesprochen, dass die Helden gar aufs heldenhafteste die Spendierhosen anhaben und ihnen wie so häufig zuvor schon die im Abenteuer hart verdienten Geldmünzen sehr, sehr locker in der Hand liegen.
Ein riesengroßer Braten dreht sich also am Spieß über der Feuerstelle, Bier und Wein fließen in Strömen, es wird musiziert, gesungen, getanzt, erzählt, gewettet und gespielt; immer wieder lässt man die Helden dabei lautstark hochleben…
Das Ausspielen dieser Szene ging OT tatsächlich weit über eine Stunde, und ich bin mir fast sicher es hätte niemanden am Tisch gestört, wenn es den ganzen Spielabend so weitergegangen wäre. https://www.orkenspalter.de/wcf/images/smi…jione/1f606.png" class="smiley
Schließlich aber, zur allerbesten Feierstunde nahe schon am Tageswechsel, während die allgemein gute Stimmung einen weiteren Höhepunkt erreicht hat, da geht plötzlich ein wirklich unangenehm kalter Windzug durch die zuvor sehr gemütliche Wärme des Schankraums. Mit einem lauten Knallen hämmert die Eingangstür gegen die Wand und schlagartig ist es allenthalben vorbei mit der guten Laune, kehrt eine gespannte und irgendwie auch bedrückende Stille ein, Selbst das den bis eben noch den Raum so angenehm wärmende Feuer scheint nun tunlichst bemüht, kein Prasseln, Knistern und Knacken mehr vernehmen zu lassen.
Herein kommt mit langsamen, aber zielsicher den Tisch der Helden ansteuernden Schritten eine sehr alte, in schwarze Lumpen gehüllte, weit vornüber gebeugte Frau; bei jedem ihrer Schritte stützt sie sich auf einen knorrig und schwer wirkenden Besen, während ständig eine Art von brodelndes Murren und Knurren unter ihrer bis tief ins Gesicht gezogenen Kapuze hervor kommt. Trotz des völlig überfüllten Raumes hat sie keinerlei Schwierigkeiten, sich in gerader Linie zu ihrem Ziel, dem Tisch der Helden, zu begeben, haben Furcht und üble Vorahnungen doch eine regelrechte Gasse für sie gebildet: Dieser Person will man unter keinen Umständen im Weg sein!
Am Tisch schließlich angekommen, richtet sie sich unter einer Vielzahl furchtbarer, sehr lauter Knack- und Knirschgeräusche zu einer geraden Haltung auf. Als sie mit dürrer, schmutziger Hand die Kapuze nach hinten zieht geht ein kurzes raunendes Erschrecken – ein knappes Uh! – durch die Reihen der Anwesenden: Das magere Gesicht der Frau ist dermaßen knochig und faltig, dass es eigentlich keinerlei deutbaren Ausdruck mehr besitzt. Ihr rechtes Auge aber funkelt fanatisch und grausam, während das linke lediglich einer von Schlieren überzogenen milchig weißen Kugel ähnelt.
Mit langem, schwarzen Fingernagel richtet die Alte dann den dürren Zeigefinger einer Hand auf Spielercharakter ANDERGASTER RITTER, dem vor lauter Entsetzen das saftige Bratenstück aus den Händen rutscht und schließlich von der Tischkante zu Boden fällt, ohne dass dies im Augenblick irgendwem wirklich bewusst werden würde.
ALTE FRAU: »Gesucht und also zuallerletzt auch gefunden habe ich dich, der du dich Ritter Harald von Niederfurten und den Kahlen Asten nennen lässt!«
Die Menge der Anwesenden, wieder mit erschrockenem Raunen: »Uh!«
ANDERGASTER RITTER, mit hektischen Gesten das Tuch vor ihm vom Tisch greifend und seine Hände säubernd: »Äh…«
ALTE FRAU: »Hier bin ich, meine Tochter zu rächen, die du unter falschen Anschuldigungen dem Feuertod übergeben hast, so wie du immer öfter den Tod von Unschuldigen verantwortest um dich zu bereichern und mehr Macht zu erlangen!«
DIE MENGE, wieder erschrocken raunend: »Uh!«
ANDERGASTER RITTER, sich mit dem fetttriefenden Tuch eilig den Mund abtupfend und dann das Bratenfett an seiner Stirn verschmierend im Versuch, diese vom Angstschweiß trocken zu wischen: »Öhm, gnädige Frau…«
ALTE FRAU, den zitternden Zeigefinger bohrend auf ANDERGASTER RITTER gerichtet: »Ich verfluche dich! Ein jeder soll dir fortan sofort ansehen können, was für ein habgieriges und todbringendes Monster du bist! Ja, du sollst so schaurig aussehen wie es deinem grausigen Innersten entspricht, deine Stimme bereits soll einen jeden vor deiner Gegenwart warnen und niemand soll dir mehr vertrauen, denn offen vor aller Augen sichtbar sollst du fortan deine Verderbtheit mit dir tragen müssen, bis offen vor aller Ohren ein Geständnis deine Untaten benennt! Trage auf ewig diesen Fluch, Ritter Harald von Niederfurten und den Kahlen Asten, und zerbreche daran, oder gestehe vor Zeugen zahlreich wie diesen hier!«
DIE MENGE: »Uh!«
ANDERGASTER RITTER: »Oh, uh, äh, aber gnädige Frau, so hört doch…«
Völlig entkräftet sackt der eben noch ANDERGASTER RITTER entgegen gestreckte Arm nach unten. Mit einem fiesen, wahnsinnigen Grinsen offenbart die Alte einige schwarze Zahnstumpen in ihrem Mund, verdreht dann laut röchelnd ihr rechtes Auge und sinkt zu Boden, während ihr Besen, für einen kurzen Moment noch die Schwerkraft verhöhnend senkrecht stehen bleibt, sich dann aber immer schneller werdend neigt und hölzern klappernd umfällt.
Eine entsetzt klingende Stimme aus der Menge: »Grundgütige Götter, sie ist tot!«
ANDERGASTER RITTER, endlich von keinerlei einschüchterndem Blick oder beängstigenden Geste mehr unterbrochen: »Gnädige Frau, ich bin doch überhaupt gar nicht Ritter Harald von Niederfurten und den Kahlen Asten! Der residiert in seiner Freiherrschaft, und die ist bestimmt 50 Meilen weg von hier! Ihr habt Euch vertan, eine Verwechslung, bei allen Göttern!«
Seine Stimme aber klingt dabei immer weniger nach jenem heldenhaften Ritter, den die Anwesenden über die Jahre schätzen und ehren gelernt haben. Eher klingt es nun mehr und mehr wie ein zwischen fest zusammengebissenen Zähnen kommendes, äußerst aggressives Zischen und Fauchen, hat was wildes und äußerst jähzorniges, der Raserei nahes an sich, und fast vermeint man beim Vernehmen dieser furchtbar drohend klingenden Stimme den heißen Atem eines sehr hungrigen Raubtiers zu verspüren.
Ein lautes, keuchendes Durchatmen kommt von unterhalb der Tischkante.
ALTE FRAU: »Upps, da hab ich aber Mist gebaut, Schabenbiss und Rattenschiss!«
Eine erst entsetzt dann vorsichtig klingende Stimme aus der Menge: »Grundgütige Götter, sie ist, ähm, ist sie tot?«
Mit allerletzter Kraft sich nochmal aufraffend hat die Hexe dann noch versucht, den irrtümlich gesprochenen Fluch wieder von ANDERGASTER RITTER zu nehmen. Es kam zu einer an ein Deckengemälde von Michelangelo erinnernde Szene, bei der ANDERGASTER RITTER, auf der Tischplatte liegend, und die Hexe am Boden, mit letzter Kraft ihren Oberkörper nochmal aufrichtend, sich jeweils einen ihrer Arme entgegenstreckten, um durch die hierzu nötige Berührung ihrer Fingerspitzen den Fluch wieder vom Ritter zurücknehmen zu können, aber – natürlich – war es dazu zu spät: Fast auf Fingernagellänge kamen sie einander heran, dann aber sackte die Hexe mit einem erneuten Augenrollen kraftlos zusammen und blieb reglos liegen. Endgültig diesmal.
Der gemütliche Teil des Abenteuers war damit offiziell vorbei und es galt für den restlichen Spielabend, einen Fluchbrecher zu finden; vor allem aber, einen wirklich fiesen und größenwahnsinnig gewordenen Tyrannen zu besiegen.
ANDERGASTER RITTER lief während des Großteils der Zeit übrigens mit stets aufgesetztem Helm und geschlossenem Visier durchs Abenteuer, da es ihm beim Verlassen der Schänke tatsächlich noch gelungen war, einen Wandspiegel zum Zerspringen zu bringen, einzig dadurch, dass er in diesen hineinschaute. Sein Gesicht nämlich war zwar immer noch klar erkennbar das von ANDERGASTER RITTER, doch hatten sich diesem unterschwellig vor allem um die Augen herum ein paar schaurige Gesichtszüge hinzugesellt, die erfahrene Seeleute und Fischer an den nicht nur im Thuransee beheimateten gemeinen Angstgrausscheußlichen Anglerfisch denken ließen, wenn sie des Ritters Gesicht erblickten, und auch bei nicht mit See und Fisch vertrauten Leuten löste eine Begegnung mit ANDERGASTER RITTER vis-a-vis häufig bestenfalls atemlos machendes Entsetzen aus.
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Gemeiner Angstgrausscheußlicher Anglerfisch – bosparano Lophius piscatorius
Ging es am Ende denn nochmal gut für ANDERGASTER RITTER und seine treuen Gefährten aus? Na, welch Frage – einmal mehr gab es also anschließend Grund, in der Schänke ein kleines, spontanes Dorffest auszurichten! https://www.orkenspalter.de/wcf/images/smi…ojione/263a.png" class="smiley
Auch wenn jener überaus böse Ritter Harald von Niederfurten und den Kahlen Asten lediglich in die Flucht geschlagen werden konnte – nicht ohne dabei, dies sei unbedingt noch erwähnt, einen auf ihn übertragenen permanent wirkenden Hexenfluch namens Krötenkuss mitzunehmen. Und mit zornig geballter Faust in eisernem Handschuh furchtbare Rache zu schwören.
Nun ja, man darf also gespannt auf die Konsequenzen sein. Leider nämlich ist jener Ritter Harald ein wirklich überragender Kämpfer, der wohl so ziemlich jedes Turnier zwischen Nostria und Bornland schonmal gewonnen hat und ganz und gar nicht zufällig den Beinamen Drachentod mit sich führt. Auweia…