Danke Schattenkatze. Dies hier…
Doch Huck Finn und Zombie-Jim erinnert mich an "Winnetou unter Werwölfen":
Ich sehe gerade, zu "Winnetou unter Werwölfen" hatte ich damals gar nicht viel geschrieben (war da ja auch erst auf S. 70). Aber ich habe mich prächtig amüsiert bei dieser liebevoll gestalteten Parodie, die sich ebenfalls erstaunlich dicht an Winnetou I hält, trotz der Werwölfe und manch anderer Abweichungen in der Gestaltung.
… war einmal mehr ein Hinweis, dem nachzugehen sich gelohnt hat. Ich habe mich beim Lesen gut amüsiert.
Ziemlich verrücktes Zeug wenn ich nicht irre
WINNETOU UNTER WERWÖLFEN, von Peter Thannisch, frei nach Karl May
Piper Verlag
Ich hätte zuvor nicht geglaubt, dass diese Wort für Wort wahre Geschichte, wie der Mayer Karl, Mayer mit a y, einst den edlen Werwolf und Häuptling der Wolfs-Apachen Winnetou kennenlernte und zu seinem Wolfsbruder wurde, nicht nur weitaus salopper als über ein Jahrhundert früher geschehen von jemanden niedergeschrieben werden könnte, sondern Peter Thannisch das über die Belletristik hinaus reichende Gesamtwerk Winnetou und auch dessen Erfinder Karl May als Parodie auf die Schippe nehmen würde.
Oui, so ist es natürlich auch folgerichtig, dass man gleich beim ersten Auftauchen Winnetous im Roman einen ganz bestimmten, in der Aussprache namentlich an einen Käse erinnernden Schauspieler vor Augen hat, welcher im Roman auch noch – entgegen seinem realen, das Deutsche ziemlich gut beherrschenden Vorbild – auf allerübelstes Klischee komm raus sehr stark französisch akzentuiert spricht: »Die Weißen sind wahr'aftig 'alunken, üblä 'alsabschneidär und älendä Sau'undä, und da sie die Gräbär des Roten Mannäs schändän, 'aben sie keinä Barm'erzigkeit zu erwarten.« Natürlich ist Winnetou zwar ein Wilder, aber einer von der edlen Sorte, somit bessert sich glücklicherweise mit Fortschreiten des Romans seine Ausdrucksweise und wird auch daher immer leichter lesbar.
Der Roman ist – oh Wunder, hat er doch etwas mit Werwölfen im Titel – phasenweise doch um einiges härter geschrieben als es seine Vorlagen von einst sind. Ich bin mir nicht so ganz sicher ob es einen neun- oder zehnjährigen Steppke, der dieses Buch von seinem leicht schusseligen Großvater zum Geburtstag oder so was geschenkt bekommt weil es Karl May als (Mit-) Autor nennt, wirklich angemessen unterhält oder nicht doch eher den einen oder anderen Albtraum beschert. Zur Zielgruppe dieses Werks gehören so junge Leser damit wohl eher nicht: Von Silberkugeln getroffene, in riesigen Blutfontänen explodierende Köpfe, bei lebendigem Leib heraus gerissene Herzen und sich während eines wilden Massakers mit plastischen Schilderungen in die Gegend verlierendes Gedärm und abgerissene Arme, Beine, Köpfe… phasenweise reicht die Bagatellisierung von Gewalt bei solchen Schilderungen schon irgendwo an die, wie ich finde, schlechtere Art von Humor heran, wie sie auch etwa die Jungs von Monty Python einst in ihren weniger gelungenen Sketchen vorführten; nun ja, das wahre Leben hat da leider noch ganz andere Kaliber an Abscheulichkeiten parat.
Werwölfe sind übrigens längst nicht die einzigen übernatürlichen Geschöpfe, deren Vorhandensein nicht bloß in Nordamerika Karl May einst in seinen Büchern irgendwie vergessen haben muss zu erwähnen: Begräbnisstätten werden von leichenfressenden Ghulen heimgesucht, bestimmte Bleichgesichter heißen unter anderem deshalb so, weil sie völlig die Sonne meiden und erst nach Abenddämmerung aus ihren in Kastenwagen verborgenen Reisesärgen hervorkommen, und natürlich wuseln in der Nähe von indianischen Medizinmännern unheimliche Geisterwesen, die sogenannten Manitus, durch die Lüfte und stiften geistige Verwirrung.
Bei all dieser teils recht albernen, teils aber durchaus auch sarkastischen, nachdenklich stimmenden Komik (etwa wenn eine Eisenbahnlinie unbedingt, unbedingt durch die Prärie gebaut werden soll, damit zahlungskräftige, gelangweilte Touristen sich durch die Gegend fahren lassen können um auch noch die letzte Büffelherde abzuballern und deren Kadaver völlig sinnlos unter greller Sonne verrotten zu lassen, was so den unzivilisierten Wilden auch die letzte Lebensgrundlage rauben wird) hält sich dieser Roman von der eigentlichen Handlung her durchaus an die Buchvorlagen bzw. deren Verfilmungen. Auch das Flair der alten Karl-May-Geschichten vermag Thannisch, der nach eigener Aussage in jungen Jahren ein großer Winnetou-Fan war, durchaus rüberzubringen; dies allerdings – zum Glück – in modernerer Sprache gewandet.
Und wie in den alten Büchern von Karl May kann man auch in diesem Roman noch etwas dazulernen. Ich z.B. habe bis dahin gar nicht gewusst, dass die Indianer damals einen im Deutschen sehr ähnlich klingenden und dabei bedeutungsgleichen Kraftausdruck kannten, welchen sie jedes Mal laut und energisch von sich gaben, um ihr Missfallen angemessen zum Ausdruck zu bringen: »Shay-Zee!« hieß es dann bei ihnen nämlich.
Mir durchaus auch genehm: Der praktisch das gesamte Buch durchziehende und wohl wirklich Karl-May-mäßig übersteigerte Drang zur Selbstdarstellung, welcher Thannisch dem fiktiven Autor Mayer Karl, den man dort im Westen auch Old Silverhand nennt, angedeihen lässt und welcher dermaßen stark ist, dass jener Mayer Karl im Bestreben darum, bei der Niederschrift seiner erlebten Abenteuer stets im allerbesten Licht zu erscheinen, es mit der Wahrheit nicht immer all zu genau nimmt, was wiederum dazu führt dass man als Leser gelegentlich auf Textpassagen stößt, in denen einzelne Wörter aber auch ganze Sätze tatsächlich durchgestrichen sind und im Anschluss korrigiert wiedergegeben werden, Fußnoten mit Anweisungen an einen fiktiven Verlagslektor dieses fiktiven Reisemanuskripts durch das Buch huschen, während dieser Lektor ebenfalls die eine oder andere Streichung und Abänderung vornimmt, vor allem wenn etwas ursprünglich wohl zu zweideutig oder schlüpfrig* für die biedere deutsche Leserschaft des vorletzten Jahrhunderts geraten ist.
Insgesamt ist WINNETOU UNTER WERWÖLFEN wohl kein Anwärter für den Literaturnobelpreis oder so etwas, wer aber mit einem Genre-Mix aus Horror-Western-Abenteuer-Parodie etwas anfangen kann und irgendwo mal günstig über ein Exemplar dieses Romans stolpert darf zugreifen. Die Originalausgabe von 2010 scheint mittlerweile vergriffen.
* Und bei diesem Wort ist auch gleich wieder die Frage da, in wie weit Tipi-Sex zwischen Mensch und Werwolf (Winnetous Schwester Schuschischi) eigentlich den Tatbestand verdammenswerter – aber ach, lassen wir diese Frage vielleicht besser doch auch weiterhin offen…