Ich glaube nicht, dass es um ein Missverständnis geht, sondern um verschiedene Ideen der Welt.
ZitatBei dem Thema "Beweis" gibt es hier anscheinend immer noch ein Missverständnis. Ich formuliere den Bezug auf Karl Popper, der hier ja schon genannt wurde einmal etwas weiter aus:
Der Aussage, dass jede Aussage (zumindest) potenziell falsifizierbar ist, muss man nach mehr oder weniger langem Nachdenken eigentlich zustimmen. Da jede Aussage aber potenziell falsch ist (/sein könnte!), bedeutet dies, dass es keine unwiderlegbaren "Beweise" geben kann. Jemand der so argumentiert, argumentiert auf keinen Fall so, "um nicht widerlegt werden [zu] können". Denn seine Aussage: "Jeder könnte widerlegt werden." bezieht sich natürlich auch auf ihn selbst. Es ist daher auch viel weniger eine Argumentation, "was richtig ist", sondern viel mehr eine "Sicht auf die DInge und die Welt".
Absolute Aussagen, wie sie von dir nur zu gerne verwendet werden, nehmen vielmehr einen Charakter von Möglichkeiten (und relativen Wahrscheinlichkeiten) an.
Auf Aventurien bezogen würde ein solcher Denker die Existenz der Götter zwar in Frage stellen, aber nicht radikal ausschließen; er würde einfach sowohl deren Existenz, als auch deren Nicht-Existenz als zwei (jeweils unbeweisbare) Möglichkeiten erkennen.
Das Problem an all dem ist, dass Popper das alles erkannt hat, nachdem zuvor Descartes, Kant, Comte und andere die Grundlagen gelegt haben. Und da liegt das Problem: Diesen Gedanken zu fassen, ohne gleichzeitig cartesische und kantianische (und diverse andere) Gedanken als nahezu selbstverständlich ins Kulturgut aufgenommen zu haben. Uns heute erscheinen diese Gedanken oft im Ergebnis banal, aber das waren sie historisch eben nicht. Und das ist der Punkt. Philosophie entwickelt sich -wie jede andere Wissenschaft- nicht zufällig in diesen Bahnen; natürlich kann vieles anders laufen, aber gewisse Dinge bauen aufeinander auf. Niemand würde schließlich auf die Idee kommen zu sagen, dass ein aventurischer Mathematiker, wenn man dort Wurzeln ziehen kann, auch komplexe Zahlen finden müsste oder er, da er dreidimensionale Geometrie vielleicht versteht (übrigens auch fraglich, da das cartesische Koordinatensystem wohl fehlt), Matrizenrechnung und somit auch multidimensional rechnen könnte. Ebenso wäre es absurd, dem aventurischen Rechtsgelehrten den heute naheliegenden Gedanken denken zu lassen, dass Öffentlichkeit des Verfahrens, Akkusations- statt Inquisitionsverfahren, der Grundsatz "in dubio pro reo" etc. das Rechtssystem gerechter machen würden.
Das Ding ist also nicht, dass der Gedanke nicht theoretisch gefasst werden kann, sondern dass er nicht gefasst wird, weil eben kein einzelner Mensch Denk-, Sozial- und Wissenschaftsprozesse von realen Jahrhunderten durchschreiten oder überspringen kann.
Und nur um das klarzustellen: Letztlich beziehen sich deine Thesen ja auf Descartes' Skeptizismus als Methode und Descartes kam selbst trotz dieser Methode und in einer Welt/Zeit, in der das Wesen Gottes bereits anfing erschüttert zu werden, zu einem Gottesbeweis als "rein logische Folge". Das ist heute natürlich unsinnig und man fragt sich, ob er es vielleicht nur deshalb angehängt hat, weil er Angst vor Verfolgung hatte. Das ist Spekulation. Festzuhalten bleibt, dass dieser Gedanke einfach, obwohl uns heute naheliegend, damals (nicht zwingend bei Descartes, aber eben in einer gewissen Zeit zuvor) nicht gefasst wurde und (praktisch!) nicht gefasst werden konnte.
Wir sind nun einmal in dieser unseren wissenschaftlichen Zeit und auf dieser Erkentnisstufe (doofes Wort, bitte keine Diskussion drüber!) sozialisiert und "erben" daher auch nur ihr Gedankengut als Grundlage. Einstein hätte in Newtons Zeit dessen Ergebnisse bewundert und nicht widerlegt. So einfach! Er brauchte die Erkenntnisse der dazwischenliegenden klugen Köpfe und Zeiten.
Und das gilt umso mehr für eine phantastische Welt, die dennoch gemischte Bezüge zu verschiedenen Epochen und Kulturen in einer Welt zu vereinen sucht. Ansonsten könnte man in Aventurien tatsächlich sehr schnell zu unserem "Zeitalter" voranschreiten.
Problematisch ist insofern eher, dass in Aventurien der Verfall des Kulturguts nach der Antike und die langsame Entwicklung, die es in unserem Mittelalter nur gab, weniger begründet ist. Aber es gibt ja anhaltspunkte, an denen man das festmachen kann (Untergang des Diamanten Sultanats bzw. des bosparanischen Reiches, Zeit der Priesterkaiser etc.).
@ Moderne: Eine ziemlich überflüssige Einlassung, denke ich, da jeder weiß, was hier gemeint ist. Verstehe also nicht, was dieser Einwand soll außer unnötiger Wissensdarstellung und Verlagerung des Diskussionspunktes. Davon abgesehen hilft es gelegentlich, einen Duden oder wenigstens Wikipedia zu Hilfe zu nehmen, um festzustellen, dass die eigene Definition von "Moderne" als Epoche eben nicht die einzig gültige ist. Damit erübrigt sich dann auch jede Diskussion darüber, da das Wort hier völlig korrekt benutzt wurde. Aber selbst wenn dem nciht so wäre, wäre es völlig egal, weil jeder weiß, was zum Ausdruck gebracht werden sollte.