Löwin und Mantikor

  • Als ich erfuhr, dass ein DSA-Roman erscheinen soll, "Löwin und Mantikor" von Jochen Hahn und Karsten Kaeb, erschienen bei FanPro, in dem eine Amazone eine Hauptrolle spielen soll, habe ich mich natürlich umgehend darum bemüht, es in meine Finger zu bekommen. Als ich es denn endlich in Händen hielt, war mein erster (sorgenvoller) Gedanke: Hoffentlich ist es nicht zu schlecht!

    Nachdem ich von DSA-Romanen unterm Strich nicht die ganz große Meinung habe (wenn es da auch durchaus einige gibt, die sich meines Erachtens gut lesen lassen und mir von auch von der Handlung her zusagen), und nachdem "Rhiana die Amazone" in meinen Augen so abgrundtief schlecht war (und es obendrein nicht mit Amazonen zu tun hat, Rhiana gewiss keine ist, und ich nach dem ersten Band danach abließ), und, vor allem, da Amazonen mein Steckenpferd sind und ich da ganz besonders penibel werde und meine Ansprüche direkt noch mal ansteigen, möge man mir diesen unwillkürlichen ersten Gedanken verziehen.

    Das Cover überzeugte mich schon mal auf den ersten Blick nicht: Zwei Reiterinnen, keine trägt eine Amazonenrüstung, beide aber eine Lanze, und eine, von recht schmaler Statur, ist in eine Platte oder etwas ähnliches gerüstet. Das eine Pferd scheint dazu eine Nordmähne oder etwas ähnliches zu sein (also irdisch ein Haflinger) und damit nicht das, was landläufig sich als Amazonenross deklarieren ließe, und die Blondine mit dem langen Haar und den blauen Augen und dem unterm Haar hervorlugendem Ohrring erweckt jetzt in dem Gambeson auch nicht den Eindruck, als Amazone durchzugehen.

    Das erste Durchblättern aber machte tatsächlich einen recht guten Eindruck, denn das Auftreten der Amazonen war so weit mit meiner Vorstellung tatsächlich konform (man beachte dies *g*), was ihr Gebaren angeht, gerade gegenüber Männern, denn sie zeigen sich "stolz, erhaben, kühl und distanziert" (S.11), der junge Fuhrmann ist angemessen beeindruckt und ein wenig eingeschüchtert, diese geheimnisumwitterten Kämpferinnen in seiner Nähe zu wissen, und die Amazonen gehen mit der ihr eigenen Einstellung gegen Männern ins Felde. "Und rechne immer damit, dass sie sich in deiner Gegenwart töricht verhalten. Das ist nun mal die Wirkung, die dein Anblick auf andere Männer hat" (S. 15), wie die ältere Amazone der jüngeren, Inja, die eine der beiden Protagonistinnen ist, erklärt.
    Und wie später im Buch die andere Protagonistin, die adelige Söldnerin Erethia, feststellt: "Amazonen, [...]. Keinen Sinn für Diplomatie." Ein Inquisitor der Praioskirche kann da nur zustimmen: "In der Tat [...]. Es ist immer wieder ein Erlebnis, wie sie es schaffen, auf dem schmalen Grat zwischen Ehrlichkeit und offener Beleidigung zu wandeln." (S. 264)
    Da dann auch noch die ältere Amazone die Überzeugung vertritt, dass frau sich Respekt verdienen müsse, und er nicht verliehen wird (seit vielen OT-Jahren einer der Leib-und-Magen-Sprüche meines SC Messana), sorgte dies erst einmal für einen (überraschend - wie gesagt, bei der Darstellung von Amazonen hängt bei mir die Messlatte sehr hoch) guten Eindruck bei mir.

    Da der Roman im Herbst spielt, sind die Amazonen nicht in der ihnen vertrauten Rüstung, die ja auch Uniform ist, unterwegs, sondern in Lederrüstung und Pelzkleidung (bei Kiesow ritten sie auch im tiefsten Winter mit blaugefrorenen Beinen in ihrer Rüstung aus, aber Pelz und warme Kleidung machen in der Tat mehr Sinn), womit dann auch das Coverbild gleich etwas weniger weit vom Inhalt entfernt war (auch wenn es im Endeffekt nicht exakt den Beschreibungen der beiden Frauen und ihrer Pferde entspricht), auch wird Inja mit langen, offen getragenen blonden Haaren und einem durchaus gutaussehendem Gesicht beschrieben (Stirnband und Ohrring sind dennoch Zugabe des Bildgestalters).

    Allerdings entspricht dann auch nicht wieder jede Darstellung meinen Vorstellung von Amazonen (was man auslegen kann wie man möchte), da mir gerade gegenüber den Unbillen des Wetters Inja ein wenig zu weich und lasch erscheint: Wenn es regnet, stürmt, oder sonst gerade unangenehm draußen ist, dann wünscht sie sich recht häufig ein warmes Dach über den Kopf, dass die Rast noch etwas länger dauern möge, bzw. dass sie die nächste Unterkunft möglichst schnell erreichen mögen.
    Ein im Prinzip recht nachvollziehbarer Zug, keine Frage, aber andererseits sind Amazonen doch sehr hart im Nehmen (sie leben auf Burgen in den Bergen, also gerade Herbst und Winter werden da nicht gerade ganz kuschelig sein, KO +1 in der Generierung kommt auch nicht aus dem Nichts, und vor allem: selbst wenn man - also frau - das gerade als unangenehm empfindet, erzählt frau das doch nicht auch noch der Söldnerin (die sich mit den Unbilden des Wetters viel einfach arrangieren kann), mit der frau sich meist recht schwer tut, so dass ich da doch etwas mehr Abhärtung erwarten würde.
    Ebenso stieß mir etwas auf, dass in einer Szene, als Erethia, die Söldnerin, recht handgreiflich nachhilft, aus jemandem eine wichtige Information herauszuholen, Inja den Rücken deckt, sich zwar denkt, dass das doch sehr unehrenhaft sei, aber derzeitig der falsche Moment sei, dies zur Sprache zu bringen. Pragmatismus hinter Ehrgefühl und rondrianischen Kodex zu stellen passt nun gar nicht zu einer Amazone.
    Und ganz am Ende überlegt Inja sogar, ob sie nicht der Söldnerin einfach nachreiten soll - ein Zug von für mich unübertroffener Pflichtvergessenheit (und Abwendung vom Amazonentum), der nicht einmal ansatzweise reflektiert wird.

    Dazu finde ich es sehr bedauerlich, dass nicht einmal eine kleine Szene auf Yeshinna spielt, das hätte mich persönlich sehr erfreut und die Darstellung von eigentlich nur Inja (die andere Amazone spielt nicht lange mit) gibt da natürlich ein eher begrenztes Bild.

    Als persönlich etwas unbefriedigend fand ich auch, dass über Injas Hintergrund (sie wurde nicht als Tochter einer Amazone geboren, und eine Löwin - eine Geweihte - war ihre Ziehmutter und eigentlich hätte sie auch Geweihte werden sollen) nur schnipselweise etwas verstreut wird, ohne dass sich daraus ein für mich ausreichend umfassendes und vollständiges Bild ergibt.
    (Und im Nachhinein musste rückwirkend doch noch so etwas ähnliches (so genau ging es nicht draus hervor) wie eine Liebesbeziehung zwischen einer Amazone und einem Mann eingebaut werden, die mit wenigen Sätzen abgehandelt wurde, und dass, nachdem die Haltung und Regeln gegenüber Männern eigentlich recht deutlich abgesteckt waren und mir das so gar nicht da hinein passte (und auch so richtig gar keine Relevanz hatte).)

    Ein Pluspunkt wiederum war für mich die Darstellung der Praioten, von denen gleich drei etwas bedeutendere Rollen inne haben: Drei recht unterschiedliche Praioten, von denen einer das Klischee, das in Abenteuern (leider) so verbreitet ist, erfüllt, während die anderen tatsächlich mal ganz anders auftreten, ohne dabei jetzt Toleranz und Liberalität (für einen Praioten) zu überstrapazieren.


    Kurz zur Handlung: Der Winter naht, und die für Burg Yeshinna nötige Salzlieferung ist überfällig. Die junge Amazone Inja, die einmal ebenfalls eine jener Botinnen werden soll, die Kontakt mit den nötigen Institutionen und Adeligen außerhalb des Königinnenreiches halten sollen, wird daher in Begleitung der älteren Zahira los geschickt, um beim Händler in Weiden zu erfragen, warum das Salz bislang nicht kam.
    Sie werden überfallen, und die Ältere wird getötet. Inja beschließt, statt zurückzukehren, allein der Sache nachzugehen, und verbündet sich dabei mit Söldnerin Erethia, eine Adelige mit einer (genauer als bei Inja dargelegten) Geschichte, die ebenfalls ein Hühnchen mit den Räubern, oder vielmehr deren Auftraggebern zu rupfen hat, da Erethia deutlich weltgewandter und erfahrener ist und dadurch Möglichkeiten und Beziehungen hat und Konsequenzen bedenken kann, die der in diesen Dingen natürlich unerfahrenen Amazone nicht zur Verfügung stehen.

    Dabei lebt der Roman vor allem von dem Kontrast zwischen der Söldnerin, die eben pragmatisch an viele Dinge heran geht und in der Welt schon recht weit herum gekommen ist, und der jungen Amazone, die zum ersten Mal weit von der Burg entfernt ist (auch wenn bei mir der Eindruck entstanden ist, dass die Söldnerin Erethia etwas mehr Gewichtung genießt).


    Insgesamt lässt sich der Roman vom Schreibstil und auch von der Handlung her recht gut und flüssig lesen: Es gibt soweit wenig, wo ich gestutzt habe (von den oben angeführten Punkten in Sachen Amazonen und meiner Erwartungshaltung ihnen gegenüber abgesehen). Vielleicht am Anfang der Kampf, der sich in einer Spielrunde so schwerlich darstellen ließe (eine Kämpferin kann gleich drei Angreifer geraume Zeit abhalten und trägt nur einige blaue Flecken davon, auch unter der Berücksichtigung, dass die Angreifer vielleicht tatsächlich wertetechnisch angedacht den Buschräubern aus dem Regelwerk entsprechen).
    Wer Informationen über Amazonen sucht, wird dort nur begrenzt etwas finden, was über die Eckdaten aus den Generierungsbänden hinaus geht, auch wenn das zu großen Teilen (aber nicht völlig) meine Zustimmung findet, also dahingehend durchaus geeignet ist in meinen Augen.
    Das im Roman dargestellte Aventurien erscheint mir plausibel und soweit mit meinen Kenntnissen sich deckend, auch wenn an einigen Stellen, so mein Eindruck, versucht wurde, möglichst Vielfalt und etwas Exotik darzustellen (ein Meckerdrache, ein Zwerg, ein Kor-Geweihter, um mal einige Beispiele zu nennen, die soweit keinen Einfluß auf die Handlung haben und nur als kurze Randerscheinungen auftreten ohne weitere Bedeutung).
    Die Handlung wird durch einige Nebenepisoden aufgepeppt, die auch dazu dienen, die Kontraste der beiden Protagonistinnen darzustellen und wie sich ihre Beziehung zueinander entwickelt (und steuert einem überraschend undramatischen Höhepunkt zu, was aber durchaus zur Auflösung und den beteiligten Personen passt und daher kein Negativpunkt für mich ist).
    Ich persönlich zähle "Löwin und Mantikor" zu den besseren DSA-Romanen (möchte dazu aber vorsichtshalber anmerken, dass mich noch kein Roman um die Welt Aventuriens so richtig-richtig begeistert hat).

  • Wow, was eine Rezension! Vielen vielen Dank, Schattenkatze.
    Ich hoffe inständig, dass man deinen Beitrag auch in anderen Websites vorfinden wird, Teile kannst du ja auch bei Amazon einstellen.

    Ja, das macht Mut, mal wieder einen DAS-Roman zu bestellen UND zu lesen, da ich deine Einschätzung dazu teile. Uneingeschränkt gefallen (unter humoristischem Gesichtspunkt) hatte mir eigentlich nur "Westwärts Geschuppte".

    Wir mischen uns , da `n bisschen ein - so soll es sein , so wird es sein .