Soll ich meinen unfertigen Prototypen in einer Gruppe testen?

  • Meiner Meinung nach kann man gar nicht genug testen. Je früher man Fehler und Probleme erkennt, desto eher kann man gegensteuern. Sonst passiert es schnell wie bei DSA 5, dass praktisch das ganze Regelwerk nach der Beta komplett überarbeitet werden muss, weil es unzählige Probleme gibt, die niemand auf dem Schirm hatte.

    Unzählige investierte Arbeitsstunden sind futsch und der Frust sicher immens.

  • Teste! Teste was das Zeug hält! Denn nur so lassen sich Schwächen im Regelwerk finden. Achte auch darauf, dass wirklich alle Regeln un Optionen getestet werden. So kann dir so etwas passieren,wie z.B. damals bei D&D 3e, wo der Druide übermächtig ist, weil dies beim Testen nicht auffiel, da die Spielerin des Druiden in der Testrunde die übermächtigen Fähigkeiten des Druiden einfach nicht benutzte. Deshalb ist es so wichtig, dass es möglichst viele Testrunden gibt, in denen wirklich alles getestet wird.

  • Was Du brauchst hängt davon ab, was Du testen möchtest und natürlich wie "spielbar" der Prototyp bereits ist. Bei einem unfertigen Spiel musst Du noch mehr als beim normalen Spielleiten improvisieren können.

    Was Du zum Leiten brauchst ist ziemlich unabhängig vom RPG und hängt eher von Dir als Mensch ab. Manche SL schreiben alles auf, formulieren Texte usw., während andere lieber mit ein paar Stichpunkten arbeiten und wieder andere verzichten völlig auf Spielleiterhilfen. Hier hängt natürlich auch viel vom Spielstil, den Vorlieben der Gruppe usw. ab.

    Ohne SL Erfahrung wird es sicher nicht leichter, aber es sollte trotzdem machbar sein. So merkst Du zumindest am eigenen Leib, ob Dein RPG genug Hilfen für Anfänger enthält und wo Du noch nachbessern musst. Die Probleme und Mängel kennst Du schließlich aus eigener Erfahrung.

    Mein Tipp für Anfänger SL ist immer: "So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Der Rest ist Improvisation."

    Wenn Du NSC spontan aus dem Ärmel schütteln kannst (Namen, Beschreibungen, Werte...), musst Du sie nicht zwangsweise aufschreiben. Aber spätestens wenn Abenteuer komplexer werden, kommt der Kopf bei vielen SL an seine Grenzen und dann geht es oft nicht mehr ohne Notizen und Hilfen. Ich würde auf jeden Fall fest geplante und sehr wahrscheinliche "Begegnungen" bei denen Werte wahrscheinlich zum Einsatz kommen, vorher festhalten.

    Beispiel: Es wird im Abenteuer höchstwahrscheinlich zum Kampf mit Räubern kommen. Werte der Räuber vorher aufzuschreiben ist deshalb auf jeden Fall sinnvoll. Für den Bettler, dem die Helden vielleicht begegnen werden und mit dem sie wahrscheinlich nicht interagieren werden braucht man keine Werte (da improvisiert man einfach, falls es doch dazu kommt). Du könntest natürlich auch alles aufschreiben, aber dann wirst Du verrückt und wirst vermutlich auch von der schieren Datenflut ersäuft. Auch beim Aufschreiben gilt die oben genannte Direktive: "so viel wie nötig, so wenig wie möglich". Für einen Kampf braucht man wahrscheinlich nur die Kampf relevanten Werte und kein vollständiges Datenblatt "Heldenbogen". Falls doch weitere Werte benötigt werden, muss man eben improvisieren.

    Zu diesen ganzen Herausforderungen kommt natürlich noch die nicht zu unterschätzende Aufgabe Spielern eine völlig unbekannte Spielwelt und völlig unbekanntes Regelsystem zu vermitteln. Auch dabei musst Du Deinen eigenen Weg finden und aus Deinen Fehlern lernen. Jeder "Erklärbär" macht das auf seine Weise.

    Letztendlich darfst Du eines nicht vergessen:

    Es soll vor allem ein Test und weniger ein Spiel sein. Reduktion auf die wesentlichen Dinge (die Du testen möchtest) ist deshalb wichtig! Sonst verzettelst Du Dich und hast am Ende nicht wirklich etwas aus dem Test gelernt. Mag sein, dass Du 10 Stunden alleine die Spielwelt vorstellen könntest, aber für den Testlauf ist die Welt nicht in dieser Tiefe wichtig. "so viel wie nötig, so wenig wie möglich"

    Meiner Erfahrung nach kann alleine die kurze Einführung leicht eine Stunde Spielzeit kosten und die Heldenerstellung (selbst bei einfachen Systemen) oft einen Spieltermin. Meist endet es mit geplätteten und gelangweilten Mitspielern. Mein Tipp: Schau Dir mal die "Startersets" verschiedener RPG an (gibt es fast immer kostenlos irgendwo zum Download) und orientiere Dich daran für den ersten Spielversuch. Das darin meist keine oder nur eine äußerst knappe Einführung enthalten ist und bereits spielfertige Helden dazu gehören ist nicht verwunderlich. Man will schließlich das Spiel kennenlernen und nicht "pauken".

    Die Heldenerschaffung, Tiefen des Systems usw. werden in späteren Spielen (möglichst mit den gleichen Spielern) getestet. Für Deinen ersten Versuch würde ich ein "Einsteigerset" erstellen (fertige Helden, die absolut erforderlichen Regeln, ein Abenteuer [natürlich enthält das die Elemente, die man testen möchte]) und mit diesem Spielen. Ein Volltest wie Barbarossa vorschlägt dürfte Dich völlig überfordern. Du musst Dir Zeit geben zu lernen und zu wachsen. Neue Aspekte fügst Du nach und nach dazu.

    Du solltest auch unbedingt den Verlauf protokollieren. Was läuft, wo gibt es Probleme? Welche Dinge sind das? Sonst weißt Du am Ende nicht mehr, wo es überall gehakt hat. Auch das ist eine zusätzliche Last, die noch zum Erklärbär und SL dazu kommt.

    Edit: Unbedingt am Ende eine Fragerunde starten! Was sagen Deine Mitspieler? Was hat gefallen, wo gibt es Probleme? Was muss verbessert werden?

    Edited 3 times, last by x76 (November 27, 2024 at 11:02 AM).

  • Soll ich meinen unfertigen Prototypen in einer Gruppe testen?

    Auf dem Discord hieß es, ich sollte jetzt schon mit dem testen beginnen.

    Ja.

    Was kann schon schief gehen ? Dass es nicht gut läuft, weil du bemerkst, dass viel fehlt/nicht funktioniert ? Das ist doch genau das, was du herausfinden willst.


    Aber habe ich das richtig gehört ? Du schreibst ein Rollenspielsystem und warst noch nie SL ? Ich würde dir dringend raten, erst mal andere Systeme zu leiten als dein halbfertiges eigenes. Damit du siehst, wie sich das Spielleiten überhaupt anfühlt und was ein Spielleiter braucht. Und damit du einen Kontrast hast.

  • Ich würde dir dringend raten, erst mal andere Systeme zu leiten als dein halbfertiges eigenes. Damit du siehst, wie sich das Spielleiten überhaupt anfühlt und was ein Spielleiter braucht. Und damit du einen Kontrast hast.

    Dafür ist es wohl zu spät. Hab schon 2 Proberunden angekündigt und erwähnt, dass ich noch keine Erfahrung als SL sammeln konnte.

  • Dafür ist es wohl zu spät. Hab schon 2 Proberunden angekündigt und erwähnt, dass ich noch keine Erfahrung als SL sammeln konnte.

    Ich sehe das eigene System nicht als Nachteil für den Einstieg, schließlich kennst Du das System und die Welt wie kein anderer. Bereite Dich vor (Abenteuer kennen, Handouts, Merkhilfen was auch immer Dir hilft), benutze wie angeraten vereinfachte Regeln (Einsteigerset) und vor allem seit entspannt und freue Dich auf den ersten Testlauf.

    Niemand wird Dir den Kopf abreißen und bei einem Testlauf erwartet auch niemand, dass alles reibungslos funktioniert.