Wie mystisch ist euer Aventurien?

  • Hallo zusammen

    nachdem mich zakkarus dankenswerterweise auf den Autor Clark Ashton Smith aufmerksam gemacht hat und ich mir einige seiner Kurzgeschichten angehört habe, ist mir die Frage gekommen, wie mystisch euer Aventurien ist bzw. wieviel Mystik ihr am Spieltisch auslebt.

    Wer ihn nicht kennt: Clark A. Smith war ein Zeitgenosse Howard Phillipps Lovecraft und schrieb wie dieser u.a. Geschichten voll unergründlicher Schrecken, Abgründe und fantastischer Welten. Anders als Lovecraft mit seinem "unaussprechlichen Schrecken" wird Smith durchaus detailierter in seinen Beschreibungen und liefert m.E. nach einige schöne Beispiele, wie man mystische Ereignisse in Szene setzen kann.

    Deswegen die Frage. Wenn eure Heldin, die noch nie in Kontakt mit Magie gekommen ist und plötzlich mit dem vernichtenden Todesschmerz eines Fulminictus getroffen wird - streicht sie sich dann einfach die Schadenspunkte ab und denkt: "nächste Runde mach ich dich fertig!"? - oder schreit sie schmerzgequält auf, die Augen schreckensgeweitet ob der arkanen Kräfte, die da unvermittelt auf sie losgelassen worden sind? Was kann dieser finstere Schwarzmagier noch, wenn ein einziges Wort von ihm ausreicht, ihr derartige Qualen zu bereiten?

    Genauso für den Magier: würfelt der halt seine Probe - oder kanalisiert er allein durch die Macht seines Willens die Kraft der Sterne, lenkt und formt sie mit dem aus jahrelangem Studium erworbenen Wissen, das gewöhnlichen Sterblichen für immer verborgen bleibt, um zerstörerische Energie auf seine Feinde zu lenken?

    Ruft die Beschwörerin einen Dämon herbei um ihm einen Dienst abzuverlangen oder nutzt sie verborgenes Wissen um die Mächte des Chaos unter ihre Kontrolle zu zwingen und ein Tor hinaus in die Siebte Sphäre der Verdammnis zu öffnen, von wo das Kreischen und Heulen des Abgrunds herüber drängt, das jeden minderen Geist in den Wahnsinn treiben würde?

    Wie "abgebrüht" sind eure SC - und NSC - gegenüber den sie umgebenden Mysterien? Was empfinden sie, wenn sie an einen magischen Hain kommen oder einen Tempel betreten und die Anwesenheit des Numinosen spüren? Agieren eure Helden und Heldinnen in der fantastischen Welt Aventurien eher rational auf alles, was um sie herum geschieht oder geraten sie ins Staunen und Wundern?

    Oder hat es damit zu tun, wie erfahren eure Heldinnen und Helden sind? Oder wie erfahren ihr als Spielerinnen und Spieler seid? In meiner Anfängerrunde scheint es sehr viel leichter zu sein, wahrhaft fantastische Dinge geschehen zu lassen, die von den Spielern und den SCs auch so hingenommen werden, während in der Veteranenrunde dann schon mal der Einwand kommt: jaaa, aber eigentlich verfügt dieser Dämon nicht über diese Fertigkeit.

    Bietet eine bis ins Detail verregelte Welt wie Aventurien überhaupt noch Mystik und Wunder? "Ich würfel mal auf Mirakel," ist ja eine selten trockene Zusammenfassung für das, was in der Welt passiert, wenn ein Geweihter durch inbrünstiges Gebet den Beistand seiner Gottheit erbittet...

    Also, mich interessieren eure Ansichten - wie mystisch kann, darf, soll es denn sein?

    Kommunizieren allein reicht nicht - man muss auch verstanden werden.

  • Hängt stark von der Runde ab.

    In einer meiner Runden sind wir sehr stark aufs Regeltechnische reduziert. Da sind alle auch sehr abgebrüht und spielen ihre Charaktere so. Das sind aber auch Spieler:innen, die das schon seit Jahren machen, die G7 mehrmals durch haben ...

    In anderen Runden haben wir ein gewisses Mindestmaß an Mystik und Schrecken, vor allem wenn es um dämonische Mächte geht. Da ist ein Ignifaxius von einem NSC gewirkt schon oft ein bemerkenswertes Ereignis. Wir erwähnen dann auch die in der Folge verbrannte Kleidung, die Getroffenen ihre Schmerzen etc. Alles nicht im Übermaß, aber es hat schon seinen festen Platz in unserem Spiel.

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  • Da liegt der Has im Regelbuch. Die Spieler wissen das Magie in Aventurien existiert, so wie Strom selbstverständlich aus der Steckdose kommt. Daher reagieren wohl überall (D&D, Midgard, und DSA) alle Spieler gleich - völlig normal. Ein grosser Drache, völlig normal usw. Vielleicht fehlt bei FRPGs so etwas wie Mythos-Wissen (wie bei Cthulhu).

    Ähnlich war es bei meiner Neulinggruppe, die es fadt völlig gelassen nahm von Yetis überfallen zu werden. Passiert ja täglich im eisigen Norden, oder?

    PS: Versuch an die Averoigne-Geschichten heranzukommen; sind in einem Band versammelt; das ist die frz. Fantasywelt die in Burg Bernstein "lebendig" wurde.

    Jassu! (freundliche Begrüßung auf Ithasos)

    Pflicht des Historikers: Das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.
    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.
    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Die Spieler wissen das Magie in Aventurien existiert, so wie Strom selbstverständlich aus der Steckdose kommt.

    Ja, ich denke auch, dass da der Kernpunkt liegt. Sobald etwas verregelt wird, ist es greifbar. Gib ihm Lebenspunkte und die Spieler werden versuchen, es zu töten... Gib ihm keine Lebenspunkte und die Spieler werden sich beschweren, dass es gegen die Regeln verstößt :D

    E.C.D.

    Na ja, muss ja nicht deprimierend sein. Hängt ja auch sehr stark davon ab, was man vom Setting erwartet und wie man spielen möchte. Ich wollte auf keinen Fall zum Ausdruck bringen, dass man unbedingt die Mystik ins Spiel bringen und ausleben muss. Mir selber macht es halt echt Spaß :) und es bereichert unsere (teilweise sehr stimmungslastigen) Runden.

    Falls du mehr davon ins Spiel bringen möchtest... ich kann von Clark A. Smith die beiden Kurzgeschichten (gibt es als Hörbuch auf YT) "Der doppelte Schatten" (für eine fantastisch misslungene Beschwörung) und "Die Ketten des Aforgomon" (für einen blasphemischen Zeitfrevel) empfehlen. Macht direkt Lust, ungebärdige Schrecken der Niederhöllen heraufzubeschwören :) Man soll ja immer bei den Besten klauen für seine Ideen und Abenteuer :)

    In einer meiner Runden sind wir sehr stark aufs Regeltechnische reduziert. Da sind alle auch sehr abgebrüht und spielen ihre Charaktere so. Das sind aber auch Spieler:innen, die das schon seit Jahren machen, die G7 mehrmals durch haben ..

    Meinst du, das liegt einfach an der Erfahrenheit der Spieler? Weil sie Aventurien sowohl IT als auch OT quasi in- und auswendig kennen? Oder liegt das am Spielstil, der in dieser Runde eher gamistisch als erzählerisch ist?

    Und:

    "[...] die G7 mehrmals durch haben..." - Respekt! :thumbsup:

    Ich habe den Eindruck, Neulingen kann man eher vermitteln, dass gerade etwas ganz besonderes passiert. Alte Hasen dagegen - wenn sie sich darauf einlassen - können die Tragweite besser abschätzen, weil sie das Ereignis besser in den innveraventurischen Kontext setzen können.

    PS: Versuch an die Averoigne-Geschichten heranzukommen; sind in einem Band versammelt; das ist die frz. Fantasywelt die in Burg Bernstein "lebendig" wurde.

    Werde ich machen :)

    Kommunizieren allein reicht nicht - man muss auch verstanden werden.

  • Naja. Tja. Wenn man die Regelbücher gelesen hat, ist es mit der Mystik etwas schwierig, denn dann weiß man ja genau, was möglich ist und was nicht. Das schlägt sich dann ungewollt auch im Spiel nieder.

    Innerweltlich ... naja. Wenn Magier an Akademien ausgebildet werden anstatt in einsamen Türmen, entzaubert das die Sache auch etwas. Da ist man als gebildeter Mensch dann halt nicht mehr völlig verängstigt, wenn einen ein Fulminictus trifft, sondern denkt sich: "Aua, der Fulminictus tut ja wirklich so weh wie alle sagen!"

    Insofern ist dann allenfalls noch die Hexen- oder Druidenmagie so richtig mystisch.

    Klar, ungebildete Menschen sind ein anderes Paar Schuhe. Es gibt auch heutzutage Leute, die der modernen Medizin Sachen zutrauen, die völlig unmöglich sind.

    Und umgekehrt sowieso; kein Mensch kann darüber auf dem Laufenden bleiben, welcher skrupellose Wissenschaftler jetzt schon wieder ein Menschenohr auf eine Maus transplantiert hat, oder was immer.

    Ist dann eine Frage des Rollenspiels. Wenn man den Char explizit als nicht so gebildet erstellt hat, fällt es einem leichter, echtes Erstaunen angesichts von ziemlich normalen Dingen auszuspielen, als wenn man immer überlegen muss, ob der da jetzt schon von gehört haben könnte.

  • Ich persönlich finde, dass wir alle etwas abgestumpft wurden über den Kanon/Lore...wie auch immer.

    In den 1000 Jahren nach BF gab es immer wider ein "Spektakel" meist aber regional und in den Büchern gering beschrieben. Nach 1018 wurde aber Feuer in der Hütte gemacht. Dämonenarchen, untote Drachen, 1/5 von Aventurien wird auf links gedreht (dunkle Lande), Fliegende Städte... ufff. Natürlich waren es zum teil gute Kampagnen und Abenteuer, dennoch hat jedes den Spieler weiter abgestumpft. Es wurde die suptile Faszination zum teil genommen und durch große Bilder ersetzt.

    So etwas macht etwas mit einem Spieler, es nimmt ihn die Freude am kleinen.

    Wie gesagt...meine persönliche Meinung.

  • Das ist wohl generell das Problem wenn eine Serie über Jahrzehnte läuft - vorbei die Zeiten wo man angeheurt werden konnte um nachts einen Schuppen zu bewachen; heute - nach G7 - muß schon wenigstens Aventurien vor bösen Göttern "gerettet" werden (nunj,a war ja fast die Mission aus DSAP ;) ).

    Ich fing im Schwarzen Keiler an - und hab es nie bis Phielasson geschafft. Damals war Aventurien ein weißes Blatt, mit Phielssson, an Bord der Korisande, am Rande des Orklandes, während des Donnersturm-Rennens, wurden diese weißen Flekce bunt - nur leider meinte mn man müßte auch die Aventurien-Karte so detailiert gestalten - besser als jeder irdischer Navi.

    Ich behaupte das hat viel von der Endeckungsmöglcihkeit kaputt gemacht; es fehlt seit DSA4 die Spieler-Aventurien-Karte.

    Egsl, hat mit mystisch wenig zu tun.

    Da scheitert die Trennung zw. Spieler- und Heldenwissen; da wir mit Märchen aufwachsen. Und über die Märchen/Mythen/Aberglaube Aventuriens wissen wir kaum etwas.

    Jassu! (freundliche Begrüßung auf Ithasos)

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  • Ich habe nachdem Titel ein Thema in etwas andere Richtung erwartet, muss ich zugeben.

    Es kommt drauf an. Zum einem ist für manche solche anskizzierten Beschreibungen in einem FAB viel mehr Platz und Raum, als verbal am Spieltisch. Vor allem, wenn man so etwas in einem Kampf alle paar KR bei einem Zauber beschreiben sollte.

    Ich habe mal eine Zeitlang versucht, Wuchtschlag + Finte eher beschreibend wiederzugeben. Aber zum einem war ich die einzige am Tisch, zum zweiten wiederholt sich da halt sehr viel sehr schnell in der Wortwahl, und es kostet halt auch Zeit, die sich zusammenaddiert, und gerade Kämpfe sind schon OT sehr langwierig. Aber bei besonderen Schlägen oder wenn es gerade jemanden spontan überkommt, passiert das zuweilen am Tisch.

    Unsere Vampire-The Masquerade-SL sagt immer bei dem entscheidenden letzten Treffer: "Beschreibe du, wie du ihn/sie/es umbringst." Und das machen wir dann auch.

    Ansonsten: wenn irgend etwas neu ist, so etwas wird durchaus schon mal dann beschrieben oder umgesetzt. Da wird dann ebenso nach Namen/Orten/Begebenheiten gefragt, die wir als Spieler*innen alle kennen, der SC aber nicht. So etwas ist auch gut für die Interaktion untereinander.

    Es ist aber auch nicht immer jeder/jedem so etwas präsent, im Zuge des Geschehens fällt nicht immer ein, dass für einen SC manchmal etwas unbekannter ist als für Spieler*in. Manchmal ist es ja auch umgekehrt.

    Der Perldrache vor einigen Sitzungen kam durchaus bei den SC beeindruckend an, obwohl die Spieler wissen, dass die so Mitteklasse-Drachen sind. Für die SC war das halt ihr erster echter Drache (und im Vergleich zu Menschen sind Perldrachen auch recht groß). Und als sie auch nur den einen Tatzenabdruck eines viel größeren Drachen fanden ...

    Es kann und darf sich aber auch wieder geben, denn der erste X ist noch neu, gefährlich, unheimlich, der dritte ist es weniger.

    Erfahrene SC, die schon viel bis wirklich viel erlebt haben, sollen ja sogar anders mit solchen Erlebnissen umgehen, selbst wenn es etwas Neues ist, ist es in diesem Speziellen neu, weil so ein Dämon unbekannt ist, aber eben nicht Begegnungen mit bereits verschiedensten Dämonen.

    Auch Werte dürfen/sollen gerne mit hineinspielen.

    Ich meine aber auch zu bemerken, dass entsprechende Beschreibungen und/oder manchmal auch Bilder entsprechende Regungen auslösen. Der zauberhafte Hain braucht eine entsprechende Beschreibung und Darstellung, um so aufgenommen werden zu können.

    Was mir allerdings wichtig ist, sind Beschreibungen bei Zaubern und auch Liturgien. Nachdem in meiner noch relativen DSA-Frühzeit ein SC-Magier meinen SC verzauberte (der da zwar vielleicht nicht unbedingt etwas Gutes mit tun wollte, aber auch nichts Schlechtes), ich da persönlich weniger angetan von war, aber *würfel*: "Probe geschafft, x passiert" geschah, und ich danach feststellte, dass er die Augenlieder meines Charakters nicht ganz kurz hätte berühren müssen, und die MR auch eine Rolle spielte, und dabei sprechen muss man ja auch noch, halte ich es für sehr wichtig, dass Gestiken mit beschrieben werden, und auch die Zauberdauer mit umgesetzt wird. und auch das benötigte Sprechen vernehmlich ist.

    Und auch bei Liturgien gibt es Zeit (meistens mehr als bei einem Zauber), Worte und Gestiken. Es ist halt nicht getan, Probe und fertig und es passiert das Gewünschte.

  • Die vom Threadersteller beschriebene Mystik hängt vom Immersionswillen der Spieler und den rhetorischen Fertigkeiten der Spielleitung ab. Die SL muss eine Szene ins richtige Licht setzen, eine passende Beschreibung - nicht zu ausladend - geben, die Lautstärke der Stimme modulieren etc. Die Spieler wiederum sollten eher einen Hang zum Erzähl-RP haben, Spieler- und Charakterwissen trennen können und nicht so dem Crunch nachhängen.

    Es kommt darauf an, was sich die Spieler einer Gruppe vom Rollenspiel erhoffen, bzw. was ihnen Spielbefriedigung bereitet - sind es Würfelerfolge oder ein perfekter Spannungsbogen?

    Unsere derzeitige Gruppe ist eine Mischung aus Erzähl:Crunch = 2:3. Entsprechend spielen wir Abenteuersettings mit mehr oder weniger Immersion.

    Ebenso spielen wir Themengruppen, was heisst, dass man Abenteurer passend zum Abenteuer spielt und diese mal mehr oder weniger mit der aventurischen Mystik verbunden sind.

    Entsprechend habe ich Runden mit viel Mystik erlebt (Teile der TRK), als auch Runden, die vollkommen irdisch waren (RKK).

  • Da liegt der Has im Regelbuch. Die Spieler wissen das Magie in Aventurien existiert, so wie Strom selbstverständlich aus der Steckdose kommt.

    Das sehe ich ähnlich. Warum?

    Mystisch und vielleicht ein wenig ängstlihc machen unbekannte Dinge. Eine Gruppe an Neulingen kann hier sehr viel Spaß haben - vorausgesetzt sie kennen die Regeln nicht.

    Meine ersten DSA Spieleabende waren die besten, weil man noch gar nicht wusste, wie groß die Welt und die Möglichkeiten sind. Weil man nicht wusste, der RS von einem Lindwurm ist 8, mit Wuchtschlägen zimmert man sich den hübsch zurecht.

    Hier sehe ich wirklich den Vorteil einer "unbefleckten" Gruppe und einem erfahrenen Meister. Man muss zwar Regeln erklären, aber dadurch reagieren sie Charaktere der Neuspieler viel ungläubiger auf Magie und Mystik.

    Nietzsche und Amazeroth - Also sprach Zarathustra (zweiter Teil):

    Was erschrak ich doch so in meinem Traume, dass ich aufwachte? Trat nicht ein Kind zu mir, das einen Spiegel trug?

    "Oh Zarathustra - sprach das Kind zu mir - schaue Dich an im Spiegel!"

    Aber als ich in den Spiegel schaute, da schrie ich auf, und mein Herz war erschüttert: denn nicht mich sah ich darin, sondern eines Teufels Fratze und Hohnlachen.

  • Zuallererst ist für unsere Charakter nichts besonders oder mystisch, bloß weil es magisch ist. Magie existiert in der Welt, jeder weiß das, jeder Hundertste ist magiebegabt (und damit gibt es in fast jeder Großfamilie einen), jeder Tausendste ist Gildenmagier und läuft offen erkennbar so rum und bietet Zauberei für Geld an. Und zumindest alle SCs aus reicheren Schichten sind aufgewachsen in dem Bewusstsein, diese Dienste kaufen zu können, wenn gebraucht.

    Es mag nicht jeder hautnah mit Magie zu tun gehabt haben, aber in einer Welt, in der Zauberer(= Leute die Zaubern können, nicht nur Gildenmagier) häufiger sind als Ritter, löst an sich Magie kein Erstaunen aus.

    Deshalb ja, der Fulminictus tut weh, das tut der Schwerttreffer aber auch. Wie viel Todesangst, Schmerzensschreise usw. die bekommen, hängt oft an Vorlieben, Kampagnenart und Charakter, aber ist in beiden Fällen eher gleich. Der Fulminictus ist nicht besonderer oder bekommt mehr Aufmerksamkeit, weil er magisch ist.

    Mystik und Esoterik ist eine andere Sache. Da geht es um Gefühle und Erfahrungen bestimmter Art. Ob das kommt oder nicht, hat mehr mit dem Charakter zu tun als mit der Sache an sich. Ein Mystiker, der offen dafür ist und solche Erfahrungen sucht, wird sie öfter im Abenteuerleben bekommen als ein Charakter, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Selbst, wenn das Abenteuergeschehen das Gleiche ist.

    In gewissen Maße gilt das auch für Liturgien. Liturgien sind Menschenwerk, die genau das tun, was sie sollen. Werkzeuge, nicht sehr verschieden von Zaubern. Ein Geweihter wirkt eine Liturgie, weil das sein Beruf ist und die tut, was die Liturgie eben tut, wenn er sein Handwerk versteht. Die Götter selbst agieren nur durch große Wunder, Visionen und eben, indem sie passende Geweihte erwählen.

    Das ist auch sehr wichtig und gut für das Spiel, denn nur so können Geweihte falsch liegen, Liturgien unklug eingesetzt werden oder Geweihte auf der Gegenseite stehen, ohne dass all das gleich auf die Götter zurückfällt.

    Götter sind weitaus entrückter. Entsprechend, ja, sie sind mystischer und bestaunenswerter, aber der Aventurier staunt genau deswegen, weil göttliches Eingreifen so extrem selten ist, dass es außer in Legenden praktisch nicht passiert. Und mystisch bleiben sie, weil niemand sie wirklich kennt oder versteht.

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    Bzgl. neuer Spieler : Ich habe definitiv nicht das Gefühl, dass die mehr Mystik erleben als alte Spieler. Oder das für die Magie was besonderes ist, weil Magie. Das mag vor 30 Jahren halbwegs so gewesen sein, als Fantasy noch nicht Mainstream war und die Gescheichten, die die meisten kannten, weniger magisch waren. Ja, DSA hat mehr Magie als Herr der Ringe. Aber erheblich weniger als Naruto, WoW oder (um halbwegs aktuell zu sein) 90% der Isekai Flut. Da mag der SL fliegende Städte, Magiedschinne und schwarze Augen aufbieten und der Neuspieler zuckt halt mit den Schultern und nimmts zur Kenntnis, statt zu staunen. Der Altspieler aber weiß, dass das selten ist.

    Oder kurz : Neuspieler heißt nicht, dass die Startperspektive irdisches Pseudomittelalter ohne Magie und Wunder ist.

  • Naja, also auch mit erfahrenen Spieler*innen kann man sich durchaus auf mehr "Mystik" einigen - man muss es halt wollen. In bestimmten Settings wie zum Beispiel Grusel/Horror ist es sogar essentiell, dass die Mitspieler*innen sich darauf einlassen können, ihre Charaktere eben nicht schon alles kennen zu lassen.

    Andererseits stört es an manchen Stellen vielleicht auch, wie z.B. im Kampf. Da geht man ja idR reihum und wenn dann alle ausführlich beschreiben, wie blöd/schrecklich/faszinierend/whatever ihre Charaktere es finden, eins auf die Mütze zu kriegen, kann es halt schnell sehr zäh und nervig werden - es sei denn, man würfelt halt sowieso nicht (und verzichtet auf eine feste Reihenfolge nach Initiative), sondern handelt alles erzählerisch ab. Aber dann braucht man auch die Regeln nicht so wirklich ^^'

    Im FAB ist für solche Ausgestaltungen mehr Platz, weil abgekoppelt vom Zeitfaktor und eventuellen schauspielerischen Hemmungen der Spielerschaft. Wenn es eine*n Mitspieler*in dann vielleicht gar nicht so interessiert, was ein Charakter alles so denkt und fühlt, während er verdroschen wird, kann man das dann halt auch einfach skippen (so unschön ich das persönlich auch finde).

    'Are you deliberately collecting animated heads, Johannes?' he asked. Cabal frowned, then accepted the point. 'Not deliberately. It just happens.'

    [quote]

    The Brothers Cabal, Jonathan L. Howard

  • Meine ersten DSA Spieleabende waren die besten, weil man noch gar nicht wusste, wie groß die Welt und die Möglichkeiten sind.

    Ich habe meine spätere Rollenspielabende in viel besserer Erinnerung, als ich wusste, wie der Hase (=RPG) läuft, mehr im Charakter und der Welt drin war, Begriffe kannte und überhaupt einschätzen konnte, was da im Tisch geschah.

    Man sollte ja auch als Spieler*in wissen oder abschätzen können, was wie besonders für den Charakter ist, was fantastisch an Aventurien ist und was nicht, und was für eine jeweilige Herkunft fantastisch und neu ist oder nicht. (Für den einen ist neu, was für den anderen selbstverständlich ist.)

    Solche Hintergrundkenntnisse halte ich bei etwas Erfahrung und Kenntnis von der jeweiligen Rollenspielwelt für gegeben. Sonst sitzt man da und fragt ständig SL/die anderen, ob der Charakter so etwas kennen kann, sollte und wie das einzuordnen ist.

    Ich sehe es weniger bis gar von Kenntnis/Unkenntnis von Spieler*innen abhängig, wie sehr ein SC auf Dinge reagiert, und wie er/sie reagiert.

  • Die klare Trennung zwischen mein Wissen und der aventurischen Figur dürfte die größte Herausforderung sein, und ja, es braucht Erfahrung und Vorstellungsvermögen.

    Es ist aber "einfach" - um einen Blick zu habne wie jemand erstmals die Hamburger Innenstadt sieht (brauch ich für ne Geschichte) betrat ich "völlig ahnungslos" die Stadt, sah mich aufmerksamer um als die letzten 30 Jahre, betrat Kirchen und Rathaus (und sah dabei manches "Neues") usw.

    Probiert es mal aus.

    Bei DSA ist es genauso; es muß schon jemand sehr abgelegen aufwachsen, um die etwas über Magie und die Zwölf gehört zu haben; Gaukler, Scharlatane, Barden, Boten, Söldner ("Heldengruppen"), und Wanderpriester ziehen quer durchs Land. Nunja, und bringen allerlei mystisches, wunderbares und viel Hörensagen (bei uns gab es Fischregen, Wärwölfe, etc.) mit sich. ^^

    Mein letze (N)SC war daher so erschaffen, das er abseits der Handelsstraßen geborgen aufwuchs, und Gareth für eine etwas größere Stadt hält.

    Elfen hat er noch nie gesehen - wie groß die Wahrscheinlichkeit ist einen echten Elfen zu begegnen stand mal in einer SH; Zwerge hingegen sind weit verbreitet, aber auch nicht auf jedem Markt anzutreffen. Riesen, ja die gabs früher viele, in den Trollzacken sollen noch kleinere leben, hab ich gehört. ;)

    Jassu! (freundliche Begrüßung auf Ithasos)

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    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.
    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Es ist aber "einfach" - um einen Blick zu habne wie jemand erstmals die Hamburger Innenstadt sieht (brauch ich für ne Geschichte) betrat ich "völlig ahnungslos" die Stadt, sah mich aufmerksamer um als die letzten 30 Jahre, betrat Kirchen und Rathaus (und sah dabei manches "Neues") usw.

    Ja, absolut. Ich habe das Glück, in Trier wohnen zu dürfen, und habe hier mehrfach die Basilka besucht - laut Tourist-Info der "größte säulenlose Hallenbau der Antike", 67m lang, 27,5m breit und 33m hoch. Aus heutiger Sicht, jaa, durchaus beeindruckend aber es gibt imposanteres. Aber wie muss das damals auf einen germanischen oder keltischen Besucher gewirkt haben, der bis dahin wahrscheinlich nur einstöckige Holz- oder Steinbauten kannte? Dieser Gedanke war für mich ein wenig augenöffnend, was den Wechsel der eigenen Perspektive anbelangt.

    Kommunizieren allein reicht nicht - man muss auch verstanden werden.

  • Beuwch mal den Kölner Dom - wqar nur deswegen vor Jaaahren in Köln. Manches muß man selbst erlebt haben - und selbiges gitl auh für Aventurien!

    Von Magie und Drachen zu wissen (bzw. gehört zu haben) ist nicht das Gleiche es persönliche Mitzuerleben - ähm überleben. ;)

    Ach, das paßt wunderbar hierher: Reiseberichte des ehrenwerten Ernesto Horatius P. von Lichtenstein

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